Dem Handwerk geht die Arbeit nicht aus
Beim Projekttag in Lindau informieren sich 700 Schülerinnen und Schüler über 24 Berufe
- Petra Zander ist seit 33 Jahren als Friseurmeisterin selbstständig und seit vielen Jahren Innungsobermeisterin. 43 junge Menschen hat sie selbst ausgebildet. Aktuell tut sie das nicht. Zu häufig hat sie in den letzten Jahren erlebt, dass Auszubildende die dreijährige Lehrzeit nicht durchgehalten und ihre Ausbildung abgebrochen haben. „Das frustriert“, sagt Zander. In vielen der über 20 Innungsbetriebe im Landkreis sieht es ähnlich aus. Von unbesetzten Lehrstellen weiß Zander nichts – was auch daran liegt, dass einige Betriebe in den vergangenen Jahren geschlossen haben.
Das Interesse am Friseurberuf ist ungebrochen. Beim Projekttag „Zukunft Handwerk Lindau“der Kreishandwerkerschaft in der Inselhalle ist der Stand der Friseurinnung geradezu umlagert. Kippt da etwas? Müssen sich junge Menschen plötzlich wieder Sorgen um einen Ausbildungsplatz machen, so sie ihn denn überhaupt anstreben? Immerhin klagte das Handwerk in den vergangenen Jahren immer wieder über Nachwuchssorgen.
Der Zufall will es, dass neben Petra Zander die Kaminkehrer ihren Stand haben. Und da sieht die Welt ganz anders aus. Acht Kehrbezirke gibt es im Landkreis Lindau, alle sind mit einem Kaminkehrermeister besetzt. Aber nur vier von ihnen haben einen Mitarbeiter und im ganzen Landkreis gibt es nur eine Auszubildende. Dabei ist der Bedarf groß. Denn extrem vielseitig ist die Arbeit geworden, erzählt Thomas Lanzl,
der in Wasserburg und Nonnenhorn seinen Kehrbezirk hat.
Der Beruf sei zu unbekannt, sagt sein Kollege Stefan Schuster aus Röthenbach. Das wollen sie ändern. Das Image als „Glücksbringer“sei zwar bestens, doch es fehle der Nachwuchs. Dabei ist das Berufsfeld vielseitig und reicht vom klassischen Reinigen über Messungen bis hin zu Beratungen. Aus Sicht von Schuster ist eines immer besonders wichtig: „Der Kontakt mit den Menschen.“
Noch einmal ein anderes Bild zeichnet Lehrlingswart Alexander Milz von der Zimmererinnung. Die 30 Betriebe im Landkreis hätten „immer Bedarf an
gutem Nachwuchs“, sagt der Grünenbacher. Aber: „Wir sind als Zimmerer noch gut aufgestellt.“Sorgen bereitet ihm zwar, dass viele Gesellen den Beruf verlassen oder ein Studium folgen lassen. Auch wechseln viele Zimmerleute jenseits der 50 aufgrund der körperlichen Belastung den Beruf.
Aber noch gibt es genug junge Männer und Frauen, die sich für die Arbeit begeistern. „Zwei oder drei Azubis hat jeder Betrieb“, sagt Milz. Sorgen um den Arbeitsplatz müsse sich niemand machen. „Wer sich nicht gerade auf den Neubau spezialisiert hat, hat genug zu tun“, sagt auch der stellvertretende
Obermeister Volker Heinrich aus Weißensberg, mit Blick auf die aktuelle Krise im Baugewerbe. Denn Zimmermannsarbeit ist gerade auch bei Sanierungen und Erweiterungen von Gebäuden gefragt.
Viele Hundert Stunden der Vorbereitung haben die Betriebe für den Projekttag geleistet. Der Lohn: Fast alle Schulen des Landkreises nutzen die Gelegenheit, sich über die Handwerksberufe zu informieren. Auch für Kreishandwerksmeister Jan Coenen ist der Projekttag wichtig. Denn über alle Branchen gesehen fehlt es eben doch an Nachwuchs. „Die Babyboomer gehen in den Ruhestand“,
nennt er einen der Gründe. Die Perspektiven seien daher in allen Handwerksberufen bestens.
Das gilt insbesondere auch im Friseurhandwerk. Denn gerade die Schließung von zuletzt jedem fünften Betrieb in Bayern innerhalb von fünf Jahren sorgt dafür, dass in den verbliebenen Betrieben die Arbeit nicht ausgeht. Auch den Kaminkehrern ist nicht bange – selbst wenn es einmal nur noch Wärmepumpen ohne Kamin geben sollte. „Unser Beruf hat sich immer wieder verändert“, sagt Thomas Lanzl und sieht sich auch als unabhängigen Berater rund ums Heizen gefragt.