Lang-exil-geschichte geht in nächste Runde
4000 Zuschauer beim bunten Sprung – Närrischer Schlagabtausch beim Zunftmeisterempfang
-„Sag‘ em Lang en schöne Gruß, i hon en it troffe“, rief ein am Wegesrand stehender Zuschauer beim großen Narrensprung einem Wangemer Flachsnarr am Samstag zu.
Beweis dafür, dass die Geschichte des in Wangen von den Narren verbannten und zur Strafe nach Kißlegg in den Urlaub versetzten Oberbürgermeisters längst auch auf der Straße angekommen ist. Aber auch sonst ging es beim eineinhalbstündigen Sprung mit rund 2500 Hästrägern und vor von Zunftmeister Hajö Schuwerk geschätzten 4000 Zuschauern bunt, frohgelaunt und stimmungsgeladen her.
„Nur“24 Gruppen, dachte sich wohl so mancher, der den Laufplan des Umzugs studierte. Doch sowohl die Narrenzunft Waldsee als auch die Wangemer Narrenzunft Kuhschelle weiß-rot waren mit größeren Abordnungen angereist. Und: Recht viele Musikgruppen, vor allem Fanfaren, bereicherten den Sprung bei zweistelligen Celsiusgraden. „Eine wunderbare Mischung“, fand Schuwerk.
Die Zuschauer standen dicht gedrängt, erwiderten voller Inbrunst die Narrenrufe und genossen den vorbeiziehenden, bunten Lindwurm – teilweise sogar im Sonnenschein. Klein und Groß freuten sich über Süßigkeiten und den Kontakt mit den frohgelaunten Narren – oder auch über die Neckereien am Nachbarn. Nach dem Sprung ging es im Flecka lautstark und heiter weiter, sowohl auf der Straße als auch bei den bekannten Feier- und Einkehradressen.
Doch zurück zum Zunftmeisterempfang am Samstagvormittag im Schloss, bei dem „Neubürger Michael Lang“erneut ein Thema war. In vorderster Front wurde das Konterfei des (nicht anwesenden) Wangener Oberbürgermeisters samt „seines“Schlafsacks platziert. Farny-chef Elmar Bentele erhielt den Auftrag, ihn gut zu pf legen zu hegen und ihn stetig mit Flüssigem zu versorgen. „Wir haben ihn in Kißlegg aufgefangen. Er hat nicht gewusst, was er machen sollte und um Asyl gebeten“, erzählte Zunftmeister Hajö Schuwerk.
Darauf hin habe Integrationsbeauftragter und Ehrenzunftmeister Hans-peter Mauch den Wangener Rathauschef übernommen. Später konterte Wangens Zunftmeister Wolfgang Tengler, Lang sei bereits wieder auf dem Weg zurück, da er es in Kißlegg nicht mehr ausgehalten habe: „Aber do fahrt jo au nur all‘ Schaltjohr mol en Zug.“Lang sei es schon bei der Amtsenthebung vergangene Woche mit der Aussicht auf seinen Kißlegg-aufenthalt nicht zum Lachen gewesen: „Er hot dann bittet und bettlet,
dass mir ihn befrein aus dem Exil, jo mei. Was willsch denn in dem Flecka dua, jo heidenei? Flecka bleibt Flecke – und des isch halt it groß. Do gibt’s halt nix, des isch famos.“
Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher reimte auch in diesem Jahr wieder, was das Zeug hielt – zum 1200-jährigen Bestehen der Gemeinde, zur Wangener Landesgartenschau ohne Farnybier, zum Kißlegg-besuch von VSAN-KÖNIG Roland Wehrle und dessen nicht mehr ausgetriebenen Kißlegger Wehrle-linde und zur Kißlegger Ökomene: „Schon Luther wollte vor dem Weltuntergang noch einen Baum pf lanzen, damit hatte er wohl recht, im Großen und Ganzen. Ja, ich als Katholik tu dem Luther heut‘ danken, denn ohne das christliche Zeichen, hätten wir nie zwei super Pfarrer nach Kißlegg bekommen. Ökumene wird hier ganz selbstverständlich angenommen.“
Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), nahm Kißleggs Zunftrat (und Vsan-schriftführer) Paul Martin und dessen Stirnband, das hundertjährige Bestehen der VSAN, aber auch Kißleggs Schultes Krattenmacher und die Fasnet allgemein ins Visier: „Jede einzelne Zunft ist ein Diamant, doch Kißlegg wird die Perle des Allgäus genannt. Das Mekka der Narren, ich bin nicht befangen – doch hör ich schon Proteste aus Wangen.“Er wünsche sich, dass Paul Martin irgendwann einmal Präsident der Vereinigung werde, sagte Wehrle. Vom „Jungspund“bekam der Vsan-präsident ein Stirnband überreicht.
Zu ehren hatte Wehrle mit Petra Weber (Bronzenes Ehrenabzeichen der VSAN), Ingrid Schollmayer (Bronze), Carmen Karle (Silber), Ute Lutz (Silber) und Markus
Veser (Gold) gleich fünf Kißlegger Narren. Politisch wurde es dann bei der Rede des evangelischen Pfarrers Friedemann Glaser, der gegen das Einheitsgrau der AFD wetterte, allerdings auch die Bauernproteste, Demokratie-demos und die Kriege der Welt thematisierte.
Auch auf das gute ökomenische Miteinander ging Glaser ein: „Evangele oder Kathole isch in Kißlegg nicht die Frage, sondern ob ich Meckatzer oder Farny im
Glase habe. Freundschaft prägt mi und d‘ Pfarrer Sohl. I denk, Gunnar, s‘ isch zu unsrem Gemeindenwohl. Wiaschgleibig schimpfet mir uns lang net mehr. D’r Strei vom Pabst mim Luther isch au a guats Weile her!“