Wenn sich die Erschöpfung breit macht
Im Alltag von Allgäuer Bäuerinnen mangelt es oft an Zeit und Unterstützung – Vieles ist im Wandel
- Landwirte machen durch Proteste seit einigen Wochen deutlich, welche Forderungen sie an die Politik und Verbraucher stellen. Derweil stehen für die Landfrauen die alljährlichen Treffen an. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Bäuerinnen, angesiedelt beim Bayerischen Bauernverband. Kreisbäuerinnen geben einen Einblick, welche Themen die Landfrauen derzeit beschäftigen – über Bauernproteste und vielfach gehörte Parolen hinaus.
„Wir haben eigentlich keine Zeit“, sagt Simone Vogler, Kreisbäuerin im Oberallgäu. Von 365 Tagen im Jahr haben Landfrauen vielleicht zehn Tage Urlaub. Selbst an einem Sonntag komme sie allein durch Stallarbeit auf das Pensum eines Halbtagesjobs. Reisen dann noch Feriengäste ab, geht es weiter ans Saubermachen. „Die Erschöpfung macht sich breit“, sagt sie. Eine Auszeit am Wochenende oder an Weihnachten gibt es nicht, sagt auch die Ostallgäuer Kreisbäuerin Karina Fischer. Sie spricht von „massivem Druck“, der auf den Frauen lastet.
Eine Studie des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums vom Jahr 2019, die laut Pressesprecher noch aktuell ist, bestätigt dies: Über 60 Prozent der teilnehmenden Bäuerinnen gaben beim Thema Freizeit an, nie vollständig frei zu haben. Knapp ein Drittel der Frauen gab an, keinen Urlaub mehr gemacht zu haben, seit sie als Bäuerin tätig sind.
Es gebe kaum Betriebshilfen, sagt Irmgard Maier, Kreisbäuerin im Unterallgäu. „Wenn jemand krank ist, kann es sein, dass die 80-Jährige Mutter in den Stall gehen muss.“Die Bäuerinnen bewältigen Arbeit innerhalb der Familie, im Betrieb und häufig auch im Ehrenamt, sagt Karina Fischer. Hinzu kommen Angehörige, die gepflegt werden müssen oder finanzielle Sorgen. Der Unterschied zu anderen Berufen: Die Verantwortung für die Tiere an jedem Tag im Jahr. Viele Landwirte seien zudem aktiv im Dienst der Feuerwehren, die 47-Jährige sagt: „Wenn die Sirene geht, schauen meist die Frauen, dass der Betrieb weiter geht.“Beim Blick in die Zukunft sorgen sich die Landfrauen auch um den Erhalt von Fachwissen. Speziell die Jungen sollen mehr für eine Weiterbildung in der Hauswirtschaft begeistert werden, sagt Maier. Denn: „Die klassische Lehre ist heutzutage vom Aussterben bedroht.“
Früher sei es üblich gewesen, eine Hauswirtschaftslehre abzulegen. Wenn Landwirte heutzutage überhaupt eine Partnerin finden, hat diese meist bereits einen Job in der „normalen Arbeitswelt“, sagt die 58-jährige Kreisbäuerin. Das Frauenbild habe sich auch in der Landwirtschaft gewandelt. Dass es weniger Interesse an Hauswirtschaft gibt, stellt auch Petra Wendliger fest. Sie ist Fachbetreuerin an der Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung in Kaufbeuren. Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, die Größe der Klassen hat sich halbiert.