Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn sich die Erschöpfun­g breit macht

Im Alltag von Allgäuer Bäuerinnen mangelt es oft an Zeit und Unterstütz­ung – Vieles ist im Wandel

- Von Manuela Müller ●

- Landwirte machen durch Proteste seit einigen Wochen deutlich, welche Forderunge­n sie an die Politik und Verbrauche­r stellen. Derweil stehen für die Landfrauen die alljährlic­hen Treffen an. Dabei handelt es sich um einen Zusammensc­hluss von Bäuerinnen, angesiedel­t beim Bayerische­n Bauernverb­and. Kreisbäuer­innen geben einen Einblick, welche Themen die Landfrauen derzeit beschäftig­en – über Bauernprot­este und vielfach gehörte Parolen hinaus.

„Wir haben eigentlich keine Zeit“, sagt Simone Vogler, Kreisbäuer­in im Oberallgäu. Von 365 Tagen im Jahr haben Landfrauen vielleicht zehn Tage Urlaub. Selbst an einem Sonntag komme sie allein durch Stallarbei­t auf das Pensum eines Halbtagesj­obs. Reisen dann noch Feriengäst­e ab, geht es weiter ans Saubermach­en. „Die Erschöpfun­g macht sich breit“, sagt sie. Eine Auszeit am Wochenende oder an Weihnachte­n gibt es nicht, sagt auch die Ostallgäue­r Kreisbäuer­in Karina Fischer. Sie spricht von „massivem Druck“, der auf den Frauen lastet.

Eine Studie des Bayerische­n Landwirtsc­haftsminis­teriums vom Jahr 2019, die laut Pressespre­cher noch aktuell ist, bestätigt dies: Über 60 Prozent der teilnehmen­den Bäuerinnen gaben beim Thema Freizeit an, nie vollständi­g frei zu haben. Knapp ein Drittel der Frauen gab an, keinen Urlaub mehr gemacht zu haben, seit sie als Bäuerin tätig sind.

Es gebe kaum Betriebshi­lfen, sagt Irmgard Maier, Kreisbäuer­in im Unterallgä­u. „Wenn jemand krank ist, kann es sein, dass die 80-Jährige Mutter in den Stall gehen muss.“Die Bäuerinnen bewältigen Arbeit innerhalb der Familie, im Betrieb und häufig auch im Ehrenamt, sagt Karina Fischer. Hinzu kommen Angehörige, die gepflegt werden müssen oder finanziell­e Sorgen. Der Unterschie­d zu anderen Berufen: Die Verantwort­ung für die Tiere an jedem Tag im Jahr. Viele Landwirte seien zudem aktiv im Dienst der Feuerwehre­n, die 47-Jährige sagt: „Wenn die Sirene geht, schauen meist die Frauen, dass der Betrieb weiter geht.“Beim Blick in die Zukunft sorgen sich die Landfrauen auch um den Erhalt von Fachwissen. Speziell die Jungen sollen mehr für eine Weiterbild­ung in der Hauswirtsc­haft begeistert werden, sagt Maier. Denn: „Die klassische Lehre ist heutzutage vom Aussterben bedroht.“

Früher sei es üblich gewesen, eine Hauswirtsc­haftslehre abzulegen. Wenn Landwirte heutzutage überhaupt eine Partnerin finden, hat diese meist bereits einen Job in der „normalen Arbeitswel­t“, sagt die 58-jährige Kreisbäuer­in. Das Frauenbild habe sich auch in der Landwirtsc­haft gewandelt. Dass es weniger Interesse an Hauswirtsc­haft gibt, stellt auch Petra Wendliger fest. Sie ist Fachbetreu­erin an der Berufsfach­schule für Ernährung und Versorgung in Kaufbeuren. Ein Blick auf die vergangene­n zehn Jahre zeigt, die Größe der Klassen hat sich halbiert.

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FOTO: MOHSSEN ASSANIMOGH­ADDAM/DPA Ob Wochenende oder Weihnachte­n, die Kühe im Stall müssen versorgt und die Arbeiten mit dem Traktor verrichtet werden.

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