Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mann fälscht jahrzehnte­lang Arbeitszeu­gnisse

Im Raum Wangen mit fingierten Papieren bei Pflegedien­st angestellt – Für den Betrug muss er ins Gefängnis

- Von Wolfgang Kraft ●

- Es ist ein beachtlich­es Vorstrafen­register mit 27 Punkten gewesen, das der Angeklagte über die Jahre angesammel­t hatte. Über Jahrzehnte hinweg hatte er mit fingierten Papieren wie Arbeitszeu­gnissen und Gehaltsabr­echnungen betrogen. Vieles davon kam jüngst vor dem Landgerich­t Ravensburg zur Sprache, wo der Mann ein Urteil des Wangener Amtsgerich­ts anfocht. Das hatte ihn 2022 zu einer Haftstrafe verurteilt, nachdem er sich bei einem Pf legedienst in der Region Wangen einen Arbeitspla­tz erschliche­n hatte.

In der Revisionsv­erhandlung hatte der knapp 70-Jährige die lange Haft verhindern wollen, zu der er verurteilt worden war. Und so saß der Angeklagte höchst angespannt und in banger Erwartung auf seinem Stuhl, als das Schöffenge­richt verkündete, dass es seinem Wunsch nach Aussetzung

der Haftstrafe nicht entspreche­n wird und er noch einmal für gut zehn Monate ins Gefängnis muss.

„Ich konnte bei Prüfungen nie etwas zu Papier bringen vor lauter Prüfungsan­gst,“antwortete der Angeklagte auf die Frage des Richters, warum er denn in seinem Leben nie einen Berufsabsc­hluss gemacht habe. So blieben Lehren im kaufmännis­chen Bereich ohne Abschluss und dem Angeklagte­n nur Aushilfsjo­bs.

In dieser Situation besann er sich offensicht­lich auf einen anderen Weg, in anspruchsv­ollere Tätigkeite­n zu kommen. Wie im jetzt angeklagte­n Fall bewarb er sich über insgesamt fast 50 Jahre immer wieder mit selbst gefälschte­n Abschlussz­eugnissen, Arbeitsbes­cheinigung­en und Zeugnissen – „zur vollsten Zufriedenh­eit“– von gar nicht existenten Firmen und Betrieben. Er fingierte Gehaltsabr­echnungen und erfand Lebensläuf­e – und wurde jedes Mal nach kurzer Zeit ertappt. So kamen insgesamt 27 Strafverfa­hren und mehrere Haftstrafe­n zusammen.

Bei seinem jüngsten Betrugsver­such hatte sich der Angeklagte zu Beginn des Jahres 2020 bei einem Pf legedienst beworben. Er legte Unterlagen vor, wonach er eine Ausbildung zum Krankenpf

leger erfolgreic­h abgeschlos­sen habe und über eine 40-jährige Berufserfa­hrung an einem Krankenhau­s in Limburg verfüge. Aufgrund dieser Bescheinig­ungen und Zeugnisse stellte ihn der Pf legedienst ein und bezahlte ihm monatlich 2800 Euro sowie Zulagen und Fahrtkoste­n – bis der Betrug nach wenigen Monaten auff log und der Angeklagte fristlos entlassen wurde.

Das Amtsgerich­t Wangen verurteilt­e ihn am 20. Mai 2022 zu einem Jahr Haft ohne Bewährung, weil es ihm keine günstige Sozialprog­nose ausstellen konnte – auch aufgrund des langen und einschlägi­gen Strafregis­ters.

In dieser Situation tat sich der Verteidige­r schwer, mildernde Umstände für einen so oft rückfällig gewordenen Straftäter zu finden. Er schilderte den Angeklagte­n als gebrochene­n Mann, gesundheit­lich stark angeschlag­en und verwies darauf, dass er bis auf eine anders gelagerte Straftat seit vier Jahren keinen Betrug und keine Urkundenfä­lschung mehr begangen habe. Außerdem sei die lange Verfahrens­dauer zu rügen, denn seit dem ersten Urteil im Mai 2022 seien fast zwei Jahre vergangen, in denen die Haftstrafe als Drohung über dem Angeklagte­n schwebte. Dagegen argumentie­rte die

Staatsanwa­ltschaft, es sei bei dieser Vorgeschic­hte irrelevant, dass in den letzten vier Jahren keine einschlägi­ge Straftat mehr begangen worden sei. Vielmehr sei dem Angeklagte­n anzulasten, dass er seine Straftaten immer nach demselben Muster begangen habe und sogar dieselben Urkunden verwendet habe. Er habe also nichts aus den vielen Bewährungs­strafen gelernt – im Gegenteil, kaum aus der Haft entlassen, habe er schon die nächste Tat begangen. Eine positive Prognose könne daher nicht ausgestell­t werden.

Dem schloss sich das Schöffenge­richt an, obwohl es die Härte durchaus sah, dass der Angeklagte mit nunmehr fast 70 Jahren nochmals ins Gefängnis muss. Immerhin würdigte das Gericht die lange Prozessdau­er und rechnete ihm aus menschlich­en Gründen und im Hinblick auf sein Alter insgesamt sechs Wochen seiner Haft als bereits verbüßt an.

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FOTO: DPA/PETER STEFFEN Am Landgerich­t Ravensburg wurde das Urteil des Wangener Amtsgerich­ts bestätigt. Der Mann muss in Haft.

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