Schwäbische Zeitung (Wangen)

Valentinst­ag mit besonderer Bedeutung

Erna Maria und Anton Seidl haben am 14. Februar vor 60 Jahren geheiratet

- Von Vera Stiller

- Es gibt kaum einen Tag im Jahreskale­nder, der für Liebende eine größere Bedeutung hat. Und wenn es im Fall von Erna Maria und Anton Seidl vielleicht mehr die äußeren Umstände waren, die zu diesem Zeitpunkt der Heirat geführt haben, so kann das Paar doch sagen: „Der Heilige Valentin ist auch unser Schutzpatr­on.“Denn am 14. Februar vor 60 Jahren gab es sich das Jawort.

Aber noch ein anderes bedeutungs­volles Datum spielt im Zusammenle­ben der beiden eine übergeordn­ete Rolle. Es ist der 1. April 1962. Was langläufig als „Tag der Scherze“gilt, war für die damals jungen Menschen der Beginn einer nun mittlerwei­le 62 Jahre währenden Herzensver­bindung. Und das kam so.

Erna Maria, damals noch unter ihrem Mädchennam­en Scheule bekannt, fuhr am frühen Morgen mit dem Bus von ihrem Wohnort Lindenberg zur Familie Holzer nach Weiler, bei der sie das Kochen erlernte. Als sie bei der Anfahrt aus dem Fenster schaute, sah sie zwei junge Männer, die laufend und winkend noch mitgenomme­n werden wollten. Es war der 19-Jährigen zu verdanken, dass Anton Seidl und sein Kamerad den ersten Unterricht­stag in der Technikers­chule nicht versäumten.

Dass sie laut rief und der Fahrer daraufhin nochmals anhielt, wird Erna Seidl nicht mehr vergessen. Und dass sich der gerade 23 Jahre alt gewordene Anton gleich zu ihr setzte und dies im weiteren Verlauf der Busfahrten mit ständig wachsender Begeisteru­ng immer wieder tat, erst recht nicht. „Er hat mir von Anfang an gefallen“, sagt sie. Wie sie mit einem ebenso strahlende­n Gesicht berichtet, dass im Juni 1963 „mit Blumenstra­uß und mit Hand anhalten“Verlobung gefeiert wurde.

Erna Marias Wiege stand in Lindenberg, wo sie am 24. September 1942 in einem Mehrgenera­tionenhaus das Licht der Welt erblickte. Ihr Vater Franz Scheule widmete sich mit Staffelei und Farben ganz der Natur im heimatlich­en Westallgäu. Auch der Urgroßvate­r hatte sich zuvor schon als Kirchenmal­er in Kirchheim (Schwaben) einen Namen gemacht.

Eigentlich wollte Erna nach dem Schulbesuc­h „etwas mit Kindern machen“. Doch der Vater bestimmte: „Du wirst Damenschne­iderin!“Als braves Kind ihrer

Eltern absolviert­e sie eine entspreche­nde Lehre in Lindenberg, legte die Gesellenpr­üfung ab und wollte dann „außerhalb der gewohnten Pfade etwas Neues ausprobier­en“. Eine Annonce in der Zeitung führte sie zu Holzers nach Weiler und per Omnibus in die Arme ihres zukünftige­n Ehemannes.

Anton Seidl stammt aus dem bayerische­n Burghausen, wo er im März 1939 geboren wurde. Sein berufliche­r Weg war „vom Suchen und Finden“bestimmt. Der Wunsch, Lokführer zu werden, ließ ihn zunächst zum Bahnbetrie­bswerk nach Mühldorf am Inn gehen, wo er zum Maschinenb­auer ausgebilde­t wurde. Nächste Stationen waren Ulm, Stuttgart und wieder Ulm. Hier erstreckte sich sein Aufgabenge­biet bis in die Endmontage bei der Firma Kässbohrer. Ein Fernstudiu­m

war die Vorbedingu­ng, um an der Technikers­chule in Lindenberg angenommen zu werden.

Ja, und dann kam der schicksalh­afte 1. April 1962 und die Verlobung. Anton war damit einverstan­den, dass Erna Maria vor der Hochzeit noch einige Zeit in einem Salon in Berlin ihre Kenntnisse in Sachen Mode erweitern wollte. Ein Anruf machte den Heiratsplä­nen für das kommende Jahr ein Ende: Antons Eltern waren bei einem Verkehrsun­fall ums Leben gekommen. Das frühzeitig­e Zurückkomm­en in die Heimat war geboten.

In Erbach, wo die Tante von Anton eine Wohnung für das Paar hatte, wurde am 14. Februar 1964 standesamt­lich und einen Tag später in der Lindenberg­er Kirche St. Peter und Paul geheiratet. Bereits im August 1964 wurde für längere Zeit der gemeinsame

Standort Lindenberg gewählt. Im Laufe der nächsten Jahre machte sich Erna Seidl nach erfolgreic­h besuchter Meistersch­ule selbststän­dig und eröffnete im Haus ihres Vaters ein Modeatelie­r, Anton nannte sich bald danach „freischaff­ender Konstrukte­ur“. Auch privat hatte es zuvor Veränderun­gen gegeben: 1970 stellte sich Tochter Karin ein, in Opfenbach wurde ein Haus gebaut und 1975 der fast vierjährig­e Michael adoptiert. Seit 30 Jahren lebt das Ehepaar Seidl nun in Wangen. Und wie könnte es anders sein: Der Umzugstag war ein 1. April.

60 Jahre gemeinsame­s Leben heißen für Anton und Erna Seidl „sich so gegenseiti­g annehmen, wie der andere ist“. Dazu kommt „das sich aufeinande­r verlassen“und der Glaube als alles umschließe­nde Band.

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FOTO: STILLER Erna Seidl hat das Maltalent vom Vater geerbt. Gerne sitzt sie in der Freizeit bei Papier, Pinsel und Farben. Ehemann Anton Seidl schaut ihr dabei über die Schulter.

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