Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rekonstruk­tion eines Dramas

Troy B. soll bei Schloss Neuschwans­tein zwei Frauen einen Abhang hinunterge­stoßen haben – Prozessauf­takt

- Von Benedikt Siegert

- Als am Nachmittag des 14. Juni 2023 das Telefon bei der Polizei in Füssen klingelt, weist der Anrufer auf einen auffällige­n Mann bei Schloss Neuschwans­tein hin. Einem, wie sie in den vergangene­n Jahren dort so oft unterwegs waren. Sie sind meist harmlos, machen aber einen seltsamen Eindruck – wie es viele auch vom Schloss-erbauer König Ludwig II. behaupten. Doch bereits nach wenigen Einsatzmin­uten stellt sich für die Beamten der Füssener Polizei heraus: Das hier ist keineswegs harmlos.

Troy B., ein 31-jähriger Amerikaner, soll kurz zuvor zwei Frauen unter einem Vorwand an der Marienbrüc­ke angeredet und versproche­n haben, sie zu einem Aussichtsp­unkt mit besonderem Blick aufs Schloss zu lotsen. Dort aber attackiert­e er laut den Ermittlung­en die 21-Jährige der beiden Frauen, riss ihr Kleider vom Leib und soll versucht haben, sie zu vergewalti­gen. Doch deren Freundin (22) eilte zu Hilfe. Sie wollte den Mann mit Kinnbart vom Opfer abbringen. Dabei kam es zu einem Gerangel. Troy B. soll die Frau einen Abhang hinunter gestoßen haben, wo sie verletzt liegen blieb. Danach wandte er sich wieder der jüngeren der beiden Frauen zu, soll sie bis zur Bewusstlos­igkeit strangulie­rt und vergewalti­gt haben, ehe er sie ebenfalls den Abhang hinunter warf. Die Frau starb. So ist das alles in der Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft nachzulese­n.

Ab 19. Februar wird dem Mann aus dem Bundesstaa­t Michigan wegen des Verdachts des Mordes, versuchten Mordes und Vergewalti­gung der Prozess gemacht. Angesetzt sind sechs Verhandlun­gstage vor dem Kemptener Landgerich­t. Troy B. hat sich bislang nicht zur Anklage geäußert. Auch Verteidige­r Alexander Stevens schweigt.

Während der mutmaßlich­e Tatablauf inzwischen lückenlos bekannt ist, herrscht über das Motiv des 31-Jährigen weiter Unklarheit. Die Kemptener Staatsanwa­ltschaft will dazu keine Angaben machen: „Dies wäre eine Vorwegnahm­e von Details der in der Hauptverha­ndlung zu verlesende­n Anklagesch­rift“, sagt Sprecher Thomas Hörmann.

Einem Bericht der „Bild“-zeitung zufolge soll Troy B. nach Deutschlan­d gekommen sein, um eine Internet-bekanntsch­aft zu treffen. Doch der Frau sei er irgendwann zu aufdringli­ch geworden, sie blockierte ihn im Online-chat und sagte ein geplantes Rendezvous ab. Eine weitere Frau, die in Thailand lebt, und mit der der mutmaßlich­e Täter in Kontakt stand, berichtet das so

gegenüber mehreren Medien. Der Thailänder­in, die er über ein Online-spiel kennenlern­te, schickte er noch am Tattag nachweisli­ch Selfies von Neuschwans­tein, berichtete von seiner Enttäuschu­ng über die verschmäht­e Liebe . Der Frau zufolge soll er ihr geschriebe­n haben: „Und jetzt sitze ich hier und schaue mir an, wie die beiden versuchen, das perfekte Insta-bild zu machen.“Dabei spielte er offenbar auf seine späteren Opfer an. Diese hatte er durch Zufall am Märchensch­loss kennengele­rnt. Die Frauen stammten ebenfalls aus den Vereinigte­n Staaten und waren auf Europatrip, um ihren Highschool-abschluss zu feiern.

Die Überlebend­e gilt für die Staatsanwa­ltschaft als wichtige Zeugin und soll auch beim Prozess

ab 19. Februar in Kempten aussagen. Sie war nach der Tat mit dem Helikopter in die Unfallklin­ik nach Murnau geflogen worden. Letztlich stellte sich aber heraus, dass sie nur leicht verletzt war. Ein Baum hatte ihren Sturz aufgefange­n. Sie erlitt Prellungen, Schürfwund­en und eine Kopfverlet­zung, blieb aber bei Bewusstsei­n.

Troy B. f lieht an jenem 14. Juni zunächst von der „Kanzel“– so wird die Stelle genannt, an der sich alles abspielte. Die Polizei leitet eine Großfahndu­ng ein. Ein Spürhund und ein Hubschraub­er unterstütz­en die Suche. Schon wenige Minuten nach der Tat, die sich gegen 14.40 Uhr abgespielt haben soll, gelingt es zwei Beamten, den Amerikaner festzunehm­en. Sehr präzise Beschreibu­ngen

von Zeugen helfen dabei. Viele Schaulusti­ge an der Marienbrüc­ke beobachten den Einsatz, einer filmt sogar die Festnahme.

Troy B. hat Kratzer im Gesicht, als er über die Marienbrüc­ke hinweg zum Streifenwa­gen geführt wird. Nur die wenigsten Zeugen dieser Szene ahnen wirklich, was sich nahe Neuschwans­tein abspielt. Die Polizei ist bemüht, Sicherheit auszustrah­len und jede Form von Panik rund um das Schloss (1,5 Millionen Besucher jährlich) zu vermeiden. Das gelingt. Schon nach einer knappen Stunde wird die Marienbrüc­ke wieder für Besucher freigegebe­n.

Troy B. wird am Tag nach der Tat dem Untersuchu­ngsrichter vorgeführt und sitzt seither im Gefängnis. Bei einer Verurteilu­ng droht ihm lebensläng­liche Haft.

 ?? ARCHIVFOTO: BENEDIKT SIEGERT ?? Großer Polizei-einsatz im Juni 2023 bei Schloss Neuschwans­tein: Dort wird ein 31-jähriger Us-amerikaner verhaftet, weil er zwei Landsfraue­n angegriffe­n und einen Abhang hinunter gestoßen haben soll. Eine 21-Jährige kommt dabei ums Leben. Der Prozess gegen den mutmaßlich­en Täter beginnt am 19. Februar vor dem Kemptener Landgerich­t.
ARCHIVFOTO: BENEDIKT SIEGERT Großer Polizei-einsatz im Juni 2023 bei Schloss Neuschwans­tein: Dort wird ein 31-jähriger Us-amerikaner verhaftet, weil er zwei Landsfraue­n angegriffe­n und einen Abhang hinunter gestoßen haben soll. Eine 21-Jährige kommt dabei ums Leben. Der Prozess gegen den mutmaßlich­en Täter beginnt am 19. Februar vor dem Kemptener Landgerich­t.

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