Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es braucht eine Umkehr

- Von Claudia● Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Als Christoph Heusgen vor zwei Jahren erstmals als Vorsitzend­er die Münchner Sicherheit­skonferenz eröffnete, ahnte er vielleicht, was wenige Tage später Realität werden sollte: der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine. Aus den Konflikten mit Russland, die es auch vorher gab, ist ein Krieg auf europäisch­em Boden geworden. Seither dreht sich das Krisenkaru­ssell immer schneller: Energiekri­se, Inf lation, die Wirtschaft­sf laute und seit Oktober der Gaza-krieg. All diese Ereignisse haben die Europäer aufgeschre­ckt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n ist ihnen ihre Verletzlic­hkeit sowohl im Inneren als auch von außen klar geworden. Dabei hatten sie es sich so gut eingericht­et in ihrer zögerliche­n Unentschlo­ssenheit.

Wer die Debatten der vergangene­n Tage verfolgt hat – das Ringen um weitere Ukraine-hilfen, den Zusammenha­lt in der Nato, die nuklearen Sicherheit­sgarantien für Europa – mag kaum glauben, dass es nahezu zwei Jahre her ist, dass Kanzler Olaf Scholz eine „Zeitenwend­e“verkündet hat. Das klang nach Umbruch, nach einem schnellen Abarbeiten all der Versäumnis­se, auch mit Blick auf die deutsche Verteidigu­ngsfähigke­it. Doch was groß begann, wurde im politische­n Tagesgesch­äft klein gemacht, mit negativen Konsequenz­en für diejenigen, die an die Verspreche­n der Politik geglaubt haben. Um es am Beispiel festzumach­en: Den Ukrainern geht die Munition aus, weil es Deutschlan­d und andere europäisch­e Länder nicht geschafft haben, die Produktion­skapazität­en so zu erhöhen, wie es Militärexp­erten bereits vor eineinhalb Jahren gefordert hatten. Da stellt sich die Frage: warum eigentlich nicht?

Bei aller Empörung über Donald Trump, der mit Blick auf säumige Länder die Beistandsp­flicht in der Nato infrage gestellt hat: Letztlich sagt er auf seine überzogene Art das, was seine Vorgänger vorsichtig­er formuliert haben – mit wenig Erfolg. Europa tut zu wenig für seinen Schutz – und damit ist nicht die atomare Abschrecku­ng gemeint. Es darf sich, auch mit Blick auf die Präsidente­nwahl, nicht länger hinter den USA verstecken. Wenn diese Umkehr nicht gelingt, wenn die Europäer nicht endlich Stärke zeigen, wird die Bedrohung durch machthungr­ige Autokraten noch größer.

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