Über die Ursprünge der Funkenfeuer
Brauch hat eine lange Tradition und ist mit Nazi-ideologie behaftet
- Woher kommt die Tradition des Funkensonntags und der Funkenfeuer? Dazu gibt es viele Behauptungen, Spekulationen und Theorien. Das erklärt Stephan Wiltsche, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege im Württembergischen Allgäu und Wangener Ortsheimatpf leger in einem Gastbeitrag. Darin räumt er mit germanischen oder keltischen Bezügen auf – und fordert klar: Der Funkenbrauch braucht dringend eine Entmythologisierung und Entnazifizierung!
„Das Abbrennen von kunstvoll aufgeschichteten Funkenfeuern am Sonntag nach Aschermittwoch ist ein alter, wenn auch leider meist fehlinterpretierter Brauch. Das Lodern des gewaltigen Feuers nach dem Einbruch der Dunkelheit verbunden mit dem Verbrennen einer Strohfigur hat seine eigene Suggestionskraft. Man trifft es in der Landschaft des Allgäus an, auch in Vorarlberg, der Baar, Teilen der Schweiz, Liechtenstein, dem Tiroler Oberland und dem Vinschgau. Funkenfeuer lodern ebenso in Ostfrankreich, Südbelgien und dem angrenzenden Rheinland. In vielen Orten tragen Vereine oder eigens gegründete Funkenzünfte das Brauchtum. 2010 ist es in Österreich zum immateriellen Unesco-kulturerbe erklärt worden.
Das Funkenverbrennen kann als ein Schwellenereignis zwischen der christlich motivierten Fasnacht und der österlichen Fastenzeit gekennzeichnet werden. Ob es ältere Bezüge gibt, die das Christentum in seinen Festkreislauf inkulturiert hat, ist nicht völlig auszuschließen, bleibt jedoch unbelegt.
Trotzdem gab und gibt es immer wieder Spekulationen, dass es sich beim Funkenfeuer um eine Reminiszenz an einen vorchristlichen Frühjahrskult handele. Manche behaupten dies sogar felsenfest. Hier wird dann beispielsweise der Beginn des römischen Neujahrs am 1. März mit dem Funkenbrauch in Zusammenhang gebracht. Auch werden immer wieder germanische oder keltische Bezüge einer Winter- oder Dämonenaustreibung hineinkonstruiert.
Letztlich sind alle diese Überlegungen quellenlos, bleiben hochspekulativ und unbelegt. Die mythologischen Behauptungen entstammen weitgehend der Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Drang, eine germanische Kausalität herzustellen, die dem politisch zersplitterten deutschsprachigen Gebiet Einheit verleihen sollte. Auch wenn dieser politisch motivierte mythologische Ansatz in der heutigen Volkskunde keine nennenswerte wissenschaftliche Bedeutung mehr hat, bleiben die Behauptungen selbst populärwissenschaftlich en Vogue.
Nicht unerheblich trugen dazu die Nationalsozialisten bei, denen die Erzählungen alles Urgermanischen mehr als gelegen kam. Sie germanisierten unter anderem das Funkenabbrennen vollends und deuteten es als paganen Ritus der Winter- und Dämonenaustreibung um.
Emotional wirkende Fackelaufmärsche und Gedenkfeuer wurden pseudoreligiös überformt und im Sinne der Nazis instrumentalisiert. Die durch eine Vielzahl an schriftlichen Quellen bestens nachzuweisenden christliche Wurzel des Brauches und die Forschungen dazu wurde aus ideologischen Gründen hingegen bewusst ignoriert und negiert.
Erstaunlicherweise blieben auch nach dem Ende der unseligen Nazizeit dieselben volkskundlichen Ideologen weiter bestimmend. Dadurch hält sich die falsche, nazifizierte Deutung der mythologischen Winteraustreibung bis heute beinahe unausrottbar. Die unbelegten Behauptungen werden dabei so oft wiederholt, dass sie mittlerweile den Rang einer scheinbar selbstverständlichen Wahrheit bekommen haben.
Viele Brauchausübende selbst, Journalisten und neuerdings Touristiker sind überzeugt vom urtümlich germanischen oder wahlweise einem neuerdings hinzukommenden keltisch-druidischen Ursprung des Brauches. Alleine ein Wahrheitsgehalt ist damit nicht verbunden. Die Deutung des Funkenbrauchs bräuchte dringend eine Entmythologisierung und Entnazifizierung!
Wie fest das Funkenfeuer verbunden ist mit einem mittelalterlich-christlichen Kontext, zeigt sich daran, dass der Funkensonntag kalendarisch nicht wie ein Jahrzeitenfest an ein feststehendes Datum gebunden ist, sondern terminlich variiert mit dem Osterfest und seinem 40-tägigen Fastenvorlauf sowie dem nochmals vorgelagerten Brauchkomplex der Fasnacht.
Hier liegt der Kontext: An der Schwelle zur Fastenzeit stellt das Funkenverbrennen schlicht das rituelle Verbrennen der Fasnacht dar. Das alte Ende der Fasnacht wird schon 1090 n. Chr. im Benediktinerkloster Lorsch erstmals mit einem Feuerbrauch nachweisbar. Dass der Funkenbrauch nicht am Fasnachtsdienstag anzutreffen ist, sondern am darauffolgenden ersten Fastensonntag „Invocavit“, liegt an den Beschlüssen einer Bischofssynode. Sie legte 1091 n. Chr. fest, dass die Sonntage der Fastenzeit als kleine „Osterfeste“nicht zu den Fastentagen zu zählen seien, so dass der Beginn der Fastenzeit und damit das Ende der Fasnacht auf den heutigen Aschermittwoch vorrückte.
Die Brauchausübenden hielten jedoch zäh an der alten Gewohnheit fest und widerstanden der Terminreform. Der Tag des Feuerbrauchs, in Frankreich „dies focorum“oder „jour des brandons“genannt, blieb also weiter an seinem alten Termin liegen und stellt bis heute das Ende der „Alten Fasnacht“oder „Bauernfasnacht“dar. Moderne Tendenzen, den Brauch auf den Samstag vorzuschieben, sind pragmatisch nachvollziehbar, entsprechen jedoch nicht der Tradition, die den Brauch seit beinahe 1000 Jahren zäh an den Sonntag „Invocavit“gehalten haben.
Verstärkt wird der fastnächtliche Kontext des Funkenfeuerbrauchs durch bestimmte Speisen: Die allein im württembergischen Allgäu und einigen bayerische angrenzenden Orten noch vorkommenden sogenannte „Funkenringe“etwa. Ihr Besitz wird ausgewürfelt, so wie es schon Pieter Bruegel d. Ä. 1559 in seinem Bild „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten“festgehalten hat.
Der „Funkenring“ist dabei ein klassisches Gebildbrot und spiegelt das schwäbisch-alemannische fasnächtliche Gehabe mit bretzel- und ringförmigen, eierhaltigen Feinbroten. Fasnächtliches trifft ebenfalls auf das andernorts am Funkensonntag vorkommende Schmalzgebäck der „Funkenküchle“zu. In Vorarlberg wird der Funkensonntag deshalb „Küachlisonntag“oder „Holepfannsonntag“genannt. In der Nordschweiz oder in Landeck (A) gilt der heutige 1. Fastensonntag als „Kassunnti“(Käsesonntag) und bezieht sich auf in Fett herausgebackenen Käse im Teigmantel.
Alle diese Speisen deuten auf die nahende vorösterliche Fastenzeit hin. Eier, Schmalz als auch Käse sind neben dem Fleisch tierische Lebensmittel, die in der Fastenzeit – dem strengen Fastund Abstinenzgeboten geschuldet – nicht verspeist werden durften. Sie wurden eben darum noch rechtzeitig und lebensfroh „vernichtet“. Karnevale – „Fleisch Ade“!
Die Funkenhexe an der Spitze der Funkenfeuer wird gerade in diesen Tagen hart diskutiert. Um es gleich voraus zu sagen: Die Figur, die auf dem Funkenfeuer verbrannt wird, hat in keiner Weise etwas mit den schrecklichen Feuern der unseligen Hexenverfolgungen zu tun. Sie ist auch nicht der personifizierte Winter, wie in den mythologischen Spekulationen falsch behauptet wird.
Vielmehr handelt es sich im oben beschriebenen Kontext betrachtet bei der Figurenverbrennung um das symbolische Verabschieden von der Fasnacht. Ab dem Ende des 15. Jahrhundert wurde das zeichenhafte Verbrennen einer Strohpuppe üblich, welche die personifizierte Fasnacht darstellen sollte. Der Narr ist, biblisch begründet, im Mittelalter der gottabgewandte und -vergessene Mensch bzw. die Fasnacht galt als gottabgewandte Zeit. Dieser Zeit wird nun anschaulich ein Ende bereitet.
Andernorts wird die Figur symbolisch beerdigt. Dass aus der Strohfigur in vielen Fällen eine Hexe geworden ist, ist eine Brauchentwicklung, die man im ursprünglichen Deutungshorizont als Verbrennung des Widergöttlichen durchaus nachvollziehen könnte. Wo diese Deutung jedoch nicht mehr vorhanden ist, kann die brennende Hexe durchaus missverständlich sein und eine grundfalsche Interpretation als Frauenverbrennung erfahren.“