Ein Grünen-aschermittwoch im Zeichen des Dialogs
Über einen Abend, der ganz anders ablief als geplant und für die Vorkommnisse in Biberach entschädigte
- So vielfältig und breit gefächert kann es bei einer politischen Diskussion auch hergehen: Gerade noch hatte Landwirt Andreas Rädler gefordert, auf die Euweite Stilllegung von mindestens vier Prozent der Grünland- und Ackerf lächen gänzlich zu verzichten, da prangerte Geologe und Neuravensburgs Ortsvorsteher Hermann Schad die Missstände im Altdorfer Wald aus seiner Sicht an und fragte nach, wie eine Landesregierung den Regionalplan genehmigen konnte. Zu viel oder zu wenig Naturschutz? Das in einen Dialog oder Kompromiss zu bringen, sei Aufgabe der Politik, sagte Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger: „Das ist Demokratie.“
Brugger war neben der badenwürttembergischen Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Thekla Walker, der Grünen-landtagsabgeordneten Petra Krebs und Julia Ehrhardt, Vorstandsmitglied der Grünen Jugend Bodensee-oberschwaben, eine der geplanten Rednerinnen. Aufgrund der Vorkommnisse in Biberach warfen die grünen Politikerinnen gemeinsam mit dem Veranstalter (Grün-offene Liste Wangen und Ortsverband von Bündnis 90/ Die Grünen) den Ablaufplan des Abends kurzerhand über den Haufen – und entschieden sich für kürzere Redebeiträge und den Dialog mit dem Publikum.
„Auch ich bin kein Fan der Kiesgrube“, gestand Agnieszka Brugger, um zu unterstreichen, dass sie auch Walkers Sicht der Dinge zur Aufstellung von Windrädern
verstehe: „Es gibt keine gesellschaftlichen Konf likte, die wir im Altdorfer Wald nicht haben.“Umweltministerin Walker hatte zuvor noch einmal erläutert, dass die Interessen abgewogen werden müssen, unterschiedliche Schutzkategorien gelten und „nirgendwo Fundamente für Windräder gesetzt werden, die das Grundwasser in irgendeiner Form gefährden.“Bei jedem der 38 geplanten Windräder, die den gesamten Landkreis Ravensburg mit Energie versorgen könnten, werde noch einmal einzeln geprüft. Nicht alle werden voraussichtlich kommen. Sicher werde die Ansiedlung der Windräder (und von Pv-anlagen) nicht nach der Devise „Nicht in meinem
Wald, nicht auf meiner Wiese“laufen: „Auch hier müssen wir solche Anlagen errichten.“
Spontanen Applaus gab es, als Walker zur Flächenverfügbarkeit, der Lebensmittelerzeugung und der hohen Wertigkeit und Bedeutung von Landwirten sprach: „Das muss auch an der Ladenkasse ankommen, einen Preis haben. Auch bei den Lebensmittlern kann man protestieren. Da werden die Preise gemacht.“Sie ging auch auf die Aussagen von Landwirtin und Cdu-stadträtin Rosi Geyer-fäßler ein, die die Landwirte in Sachen Biosphärenreservat als Verlierer sieht. „Das Reservat macht nur dann Sinn, wenn viele denken, das ist ein Superkonzept und wir sehen darin eine große Chance. Sie entscheiden hier, das geht nicht von Stuttgart aus.“Walker bot an, nochmals in die Region zu kommen, um mit den Verantwortlichen Vor- und Nachteile zu besprechen.
Sprechen, hatte Julia Ehrhardt schon zu Beginn der Veranstaltung erwähnt, sei das Merkmal der Demokratie. Die junge Leutkircherin erläuterte, warum sie sich bei den Grünen gut aufgehoben fühlt und welche Gründe sie für die derzeit schlechte Stimmung gegenüber den Grünen sieht: „Vielleicht, weil sie die Probleme der Zukunft sehen und auch einmal unbequem werden.“Der Planet müsse lebenswert bleiben und dieser Herausforderung müsse man sich schnell und konsequent stellen. Soziales, die Menschenrechte und die unantastbare Menschenwürde seien ihr wichtig: „Ich frage mich, warum Friedrich Merz aus der ach so christlichen Partei das nicht so ernst nimmt.“
Der Kampf gegen den Klimawandel, der auch Gesundheitsgefahren und Fluchtgründe mit sich bringt, ist es, den Petra Krebs neben dem Rechts(radikalen)-ruck am meisten beschäftigt. Umso mehr freuen sie die Demonstrationen für Demokratie in den vergangenen Wochen. Krebs: „Wer meint, dass von rechts einfache Lösungen kommen, der irrt. Die leben davon, vermeintliche Feindbilder zu schaffen.“Sie bat darum, das „Königsrecht der Demokratie“wahrzunehmen und auch an der Wahlurne ein Zeichen zu setzen und möglichst viele zu mobilisieren.
Thekla Walker wagte den Blick zurück, in den Winter 2022/23 und jene Zeit, als man sich fragte, ob Deutschland genügend Energie zur Verfügung haben werde und düstere Szenarien an die Wand gemalt wurden: „Wir haben diese Situation bewältigt, alle Schwarzmalerei widerlegt, das Ruder rumgerissen.“Strom liege heute sogar unter den Preisen im Oktober 2021. In Baden-württemberg habe man 2023 die Solarenergie um „fast zwei Gigawatt“ausgebaut.
Trotz dieser Erfolge vernehme man viel populistischen Sound, Stimmen, die „das Land kurz vor dem Abgrund sehen“, Politiker, die stehenbleiben oder rückwärts gehen wollen. Dabei hätten sich auch viele Unternehmen – auch aus wirtschaftlichen Gründen zur Energieveränderung und zum Klimaschutz bekannt. Mit „guter Luft, sauberem Wasser und Energieeffizienz“lasse sich Geld verdienen.
Walker warb für jene 1,8 Prozent Fläche für die Nutzung von Windenergie und jene 0,2 Prozent Fläche für Solarparks in Badenwürttemberg – und damit für eine dezentrale und reversible Technologie sowie sichere, saubere und bezahlbare Energien. Walker forderte eine parteiübergreifende, tragfähige und verlässliche Energiepolitik für mindestens eine Dekade.
Agnieszka Brugger äußerte sich unter anderem zur Außenpolitik und jenen Geldern, die beispielsweise in die Ukraine f ließen und nicht hierzulande verwendet werden: „Es ist Putins Kalkül, dass die Menschen im Westen kriegsmüde und Gräben vertieft werden.“Brugger befürchtet, dass sich der russische Angriffskrieg auch auf andere auswirken könnte: „Vielleicht würde es auch bedeuten, dass all‘ die anderen Autokraten dieser Welt sehen, so ein Kurs lohnt sich ja. Wenn die Kraft des Bösartigen gewinnt, haben wir ein ganz anderes Problem.“
Nach zweieinhalb Stunden zog Brugger bei der von Johannes Waltenberger und Doris Zodel moderierten und von den Steibisbergern Musikanten umrahmten Veranstaltung ein positives Fazit: „Der Abend hat mehr als entschädigt für all‘ das, was in Biberach geschehen ist.“Der Eindruck: Manchmal kann Politik, kann Demokratie, auch einfach einfach sein.