„Wir müssen weg von Öl und Gas“
Debatte ums Heizungsgesetz hat Hausbesitzer verunsichert – Was muss wie saniert werden und wie lange kann die alte Heizung bleiben?
- Die Preise für ältere Immobilien sind zurückgegangen. Wer ein Haus besitzt oder kaufen will, muss sich aber mit Sanierungen auseinandersetzen. Gerade im vergangenen Jahr gab es im Rahmen der Heizungsgesetz-debatte viel Unsicherheit. Nun schlagen Vertreter der Kommunen Alarm, dass Fristen für die Wärmeplanung nicht eingehalten werden könnten. Der Geschäftsführer des Energie- und Umweltzentrums Allgäu, Martin Sambale (kleines Foto: Johanna Cleve), gibt im Interview mit Felix Futschik Antworten auf wichtige Fragen.
2023 war die Unsicherheit wegen des Heizungsgesetzes groß. Wie ist die Situation aktuell?
Die Menschen warteten im vergangenen Jahr eher ab, um zu schauen, was noch kommt. Da ist es unsere Aufgabe in der Energieberatung, aufzuklären und zu motivieren. Jetzt hoffen wir, dass die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer wieder verstärkt aktiv werden, wenn ab Ende Februar für Einfamilienhausbesitzer neue Förderanträge für einen Heizungstausch gestellt werden können. Die Zuschüsse sind sehr attraktiv, bis zu 70 Prozent der Kosten können gefördert werden.
Was raten Sie Allgäuern, die in einem nicht sanierten Haus leben oder ein älteres gekauft haben?
Sinnvoll ist es, die Energieberatung zu nutzen. Für einen Eigenanteil von etwa 500 Euro kann man einen individuellen, auf das Objekt zugeschnittenen Sanierungsfahrplan erstellen lassen, der zeigt, wann welche Schritte in den nächsten Jahren sinnvollerweise umgesetzt werden sollten – und wie wirtschaftlich sie sind. Wenn es dann um die Heizung geht, muss betont werden, dass man bei einem Altbau nicht soist
fort eine neue Anlage einbauen muss, das hängt ganz von deren aktuellem Zustand ab. Heizungen, die neu eingebaut werden, müssen ab 1. August 2028 mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Wenn vorher die kommunale Wärmeplanung vorliegt, dann greift die Pflicht zu 65 Prozent entsprechend früher. Die Kommunen haben für die Wärmeplanung je nach Größe bis 2026 oder 2028 Zeit.
Worum geht es bei der Kommunalen Wärmeplanung?
Bei der Wärmeplanung der Städte und Gemeinden wird untersucht, wo Wärmenetze möglich sind, an die man sich anschließen kann. Klar ist aber jetzt schon: Wenn ich mein Haus in einer Einfamiliensiedlung mit großen Grundstücken und Abständen habe, dann
es eher unwahrscheinlich, dass ich dort ein Wärmenetz bekomme. Weil die Abstände groß sind, braucht man relativ lange Leitungslängen und hat dadurch hohe Kosten und Wärmeverluste. Geht es um eine dichte Bebauung, ist ein Wärmenetz dagegen sinnvoll. Kempten und andere Kommunen im Allgäu haben den Prozess bereits angestoßen.
Schaffen die Kommunen die Fristen für die Wärmeplanung?
Das ist kein Problem, die sind zum Teil bereits damit beschäftigt. Auch wenn bis dahin noch viel Arbeit anfällt, ist es machbar – wenn die Finanzierung durch Bund und Länder steht.
Ist es sinnvoll, jetzt noch eine neue Öl- oder Gasheizung einzubauen?
Nein, denn zum einen steigen die Kosten für die Co2-abgabe und zum anderen müssen neu eingebaute Gas- oder Ölheizungen ab 2029 mit mindestens 15 Prozent grünem Brennstoff, zum Beispiel Biogas oder Wasserstoff, beheizt werden. Dieser Anteil wird dann stufenweise erhöht. Das Problem: Die grünen Brennstoffe werden starken Preisschwankungen unterliegen und erst mal noch nicht in den erforderlichen Mengen zur Verfügung stehen. Diese Vorgaben gelten nicht für bereits bestehende Heizungen, die noch funktionieren. Wer eine fossile Heizung im Haus hat, kann diese bis Ende 2044 nutzen. Die Frage wird aber sein, bekommt man so lange Erdgas, wenn die Nachbarn in der Straße womöglich schon alle umgestellt haben und der Betrieb des Gasnetzes unwirtschaftlich wird? Jemand, der mit dem Gedanken spielt, nochmal eine rein fossile Heizung einzubauen, sollte sich das also gut überlegen. Die wird wahrscheinlich nicht ihr komplettes Lebenspotential ausschöpfen.
Bei Wärmepumpen ist immer wieder die Lautstärke mit Blick auf die Nachbarn ein Thema. Wie sollen Hausbesitzer damit umgehen?
Bewusst ein leises Modell auswählen: Die Luftwärmepumpen werden durch den technischen Fortschritt leiser. Der Bundesverband Wärmepumpe hat auch dafür einen Online-rechner. Dort kann jeder sein Modell eintragen und sieht dann, wie viel Abstand er zum Nachbarn einhalten sollte, damit dieser nicht gestört wird. Alternativ zur Luftwärmepumpe kann auch eine Erd- oder Grundwasser-wärmepumpe eingesetzt werden. Beim Reihenhaus, bei dem das Thema Abstand besonders kritisch ist, gibt es auch die Möglichkeit, dass sich mehrere Reihenhausbesitzer zusammenschließen und mit einer gemeinsamen Heizung – Holzpellets oder Wärmepumpe – die ganze Häuserreihe beheizen.
Die Heizung steht häufig im Fokus, wenn es um die energetische Sanierung geht. Aus Ihrer Sicht spielt allerdings auch die Wärmedämmung eine entscheidende Rolle.
Dieses Thema ist in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen. Wir reden aktuell immer darüber, wie wir heizen und welche Kosten welcher Energieträger hat. Die Kosten werden aber auch durch andere Faktoren, wie beispielsweise die Dämmung, bestimmt. Das ist ein extrem wichtiger Aspekt, der viel ausmacht. Es lohnt sich, über eine Dämmung der Außenwand nachzudenken, wenn man zum Beispiel eh ein Gerüst aufbaut, weil der Putz ausgebessert oder gestrichen werden muss. Sinnvoll ist es auch, Fenster und Wärmedämmung in einem Zug zu machen. Das hat nicht nur einen optischen Aspekt, sondern auch einen energetischen. Außerdem ist mit einer guten Dämmung der Wohnkomfort besser.
Bayern soll bis 2040 klimaneutral sein. Fünf Jahre früher als der Bund. Schaffen wir das?
Bis 2045 wird es bereits sehr anspruchsvoll. Für 2040 sind wir in Bayern definitiv noch nicht auf Kurs, denn wir müssen dafür die Windenergie deutlich stärker ausbauen und die Verkehrswende weg vom fossilen Verbrenner beschleunigen.
Und natürlich müssen wir auch schnell weg von Öl und Gas und unseren Gebäudebestand sanieren.