Schwäbische Zeitung (Wangen)

Voller Einsatz für die Big Five des Ozeans

Wale, Delfine, Haie, Robben und Pinguine – Fünf Frauen kämpfen in Südafrika für die Zukunft der bedrohten Meeresbewo­hner

- Von Win Schumacher

Südafrika ist Heimat der Big Five der Savanne. Doch einige der wahren Giganten der Tierwelt leben jenseits vom Kap der Guten Hoffnung: Die Großen Fünf des Ozeans – Wale, Delfine, Haie, Robben und Pinguine. Einige gelten als vom Aussterben bedroht. Wie sie gerettet werden sollen. ● ●

Robben: Tänzer im Tangwald

Ist das hier einfach nur Glückselig­keit oder schlicht grobe Fahrlässig­keit? Wenn man Hanli Prinsloo beobachtet, wie sie meerjungfr­auengleich durch den Kelpwald gleitet, umringt von einer Schar neugierige­r Seebären – die Angst vor den Haien am Kap sind vergessen. „Entdecke die Robbe in dir!“, hatte Prinsloo beim Atemtraini­ng dem Freitauch-neuling mit auf den Weg gegeben. Sie hat gut reden: Die heute 45-Jährige hat einige südafrikan­ische Rekorde im Freitauche­n gebrochen. Bis zu 60 Meter und bis zu sechs Minuten unter Wasser schafft sie mit einem einzigen Atemzug. Heute nimmt sie Touristen mit zu den schönsten Tauchspots am Kap und ist mit ihrer „I am Water“-stiftung engagierte Meeresschü­tzerin.

Wer der Freitauche­rin in die Tiefe des Tangwalds am Kap folgt, begreift das Anliegen der Südafrikan­erin unmittelba­r. Wohl nirgendwo sonst kommt man Südafrikan­ischen Seebären näher als auf einem Schnorchel­ausflug in der Cosy Bay bei Kapstadt. Auf ein paar Felseninse­lchen zu Füßen der weltbekann­ten „Twelve Apostles“-bergkette f läzen sich Dutzende Robben dicht gedrängt nebeneinan­der. Menschlich­e Eindringli­nge in ihr Revier lassen sie im Wasser überrasche­nd eng an sich heran und zeigen auch, wenn man direkt vor ihrem Badefelsen auftaucht, kaum Furcht. Für viele wird eine Begegnung mit den Seebären zur Initialzün­dung für den Schutz ihres Lebensraum­s.

Haie: Jäger oder Gejagte?

Wo aber sind die Weißen Haie? „Wir können es nicht abschließe­nd sagen“, antwortet Alison Towner mit Blick auf das Meer. Eigentlich ist Gansbaai weithin bekannt als „Welthaupst­adt der Weißen Haie“. Zahlreiche Filmaufnah­men der berüchtigt­en Raubfische auf der Jagd nach Robben wurden hier vor der Küste gedreht. Mit bis zu fünf Metern werden

sie bisweilen länger als ein Breitmauln­ashorn und bringen manchmal auch genauso viele Kilos auf die Waage.

Touristen aus der ganzen Welt kommen für eine Begegnung mit ihnen zum Käfigtauch­en nach Gansbaai. Doch das Auge-in-auge mit den gefürchtet­en Jägern, das man hier zeitweise fast garantiere­n konnte, gehört nun erst einmal der Vergangenh­eit an. „Die ersten Kadaver von Weißen Haien fanden wir 2017 bei Gansbaai“, erklärt die britische Meeresbiol­ogin, „ihre Lebern waren herausgeri­ssen“. Zwei zeigten deutliche

Spuren, dass sie Opfer von Schwertwal­en wurden. „Zur gleichen Zeit beobachtet­en wir zwei Orcas, die in Südafrika bereits seit einiger Zeit bekannt waren“, erzählt die 38-jährige Forscherin. „Wir nennen sie Port und Starboard“– englisch für Back- und Steuerbord.

Sie werden nicht nur für das Verschwind­en der Weißen Haie um Gansbaai verantwort­lich gemacht, sondern inzwischen auch fast entlang der gesamten Küste zwischen Kapstadt und Mossel Bay, wo sie über Jahrzehnte häufig zu sehen waren. Towner geht

davon aus, dass etliche dem auf die bei Schwertwal­en ungewöhnli­chen Jagdverhal­ten auf Haie spezialisi­erten Duo Port und Starboard zum Opfer fielen. Andere f lohen wahrschein­lich vor den Orcas Richtung Mosambik und Madagaskar. Ob und wann sie zurückkehr­en, scheint derzeit ungewiss. Gansbaai hat seine Hauptattra­ktion verloren. Auch wenn es in diesem Fall die Orcas sind, sagt die Meeresbiol­ogin: „Der Mensch ist verantwort­lich für den starken Rückgang der meisten Haipopulat­ionen“. Entscheide­nder für das Überleben der

Haie sei es, sich über den Einf luss von Überfischu­ng, das Einsetzen von Hainetzen und den Klimawande­l Gedanken zu machen.

Delfine: Akrobaten der Meere

Von Gansbaai ist die Meeresbiol­ogin Sandra Hörbst auf einem Walbeobach­tungsboot zum vorgelager­ten Dyer Island aufgebroch­en. Die Insel ist für ihre große Seebären-kolonie bekannt. Wohl nirgends stehen die Chancen besser, die Big Five des Ozeans bei einem einzigen Meeresausf­lug zu sichten. Hörbst und ihre Kolleginne­n erklären Touristen nicht nur die einzigarti­ge Meeresfaun­a Südafrikas, sie machen sie auch auf ihre Bedrohung aufmerksam. Gleichzeit­ig sammeln sie Daten zu verschiede­nen Arten. Hörbst forscht seit 2013 über Delfine und Wale in Südafrika.

Die im Tannheimer Tal in Tirol aufgewachs­ene 32-Jährige kann heute ihren Gästen bereits kurz nach Verlassen des Hafens die erste Sichtung eines Meeressäug­ers verkünden. In der Ferne schnellen die Rückenf lossen von gleich mehreren Delfinen aus dem Meer. „Bleifarben­e Delf ine“, freut sich Hörbst. Es ist nur eine von drei Delfinarte­n, die man hier beobachten kann und die gefährdets­te. „Wir haben nur noch etwa 500 von ihnen entlang der südafrikan­ischen Küste“, sagt Hörbst und erklärt: „Meeresvers­chmutzung und Fischernet­ze tragen noch immer zum Rückgang der Population bei.“

Wale: Die wahren Riesen Südafrikas

Doch es gibt auch gute Nachrichte­n vom Kap. Als die erste Walf luke vor dem Ausf lugsboot auftaucht, schwappt ein Jauchzen durch die Passagierr­eihen an der Reling. Die Touristen nähern sich bald einer Walmutter mit einem auffallend weißen Kalb. Das sich langsam nähernde Boot scheint die Meeressäug­er nicht zu stören. Im Gegenteil: Die beiden schwimmen geradezu auf es zu. Südliche Glattwale werden bis zu 18 Meter lang und maximal 80 Tonnen schwer, was dem Gewicht von mindestens acht stattliche­n Elefantenb­ullen entspricht.

Einst standen sie am Rand der Ausrottung, doch ihre Zahl hat sich seit dem Verbot des kommerziel­len Walfangs 1986 in Südafrika deutlich erholt. „Wir haben in diesem Jahr so viele Tiere wie selten gesehen und verzeichne­n sogar Rekordzahl­en“, sagt Hörbst. 568 Walmütter mit Kälbern sowie 40 Einzeltier­e wurden bei der letzten Zählung erfasst, die höchste Anzahl seit 1969. „Wir sind überaus glücklich, dass wir nun auf quasi jeder Bootstour in der Saison mehreren Walen begegnen“, sagt Hörbst, „manchmal sind die Boote geradezu von den Tieren umzingelt.“

Pinguine: die letzten ihrer Art

Um den kleinsten Vertreter der „Big Five des Ozeans“, den Brillenpin­guin, machen sich jedoch nicht nur Meeresbiol­ogen bereits seit Langem Sorgen. Im Pinguinund Meeresvoge­l-zentrum in Gansbaai watschelt eine Gruppe der possierlic­hen Tiere um ein kleines Schwimmbec­ken. Sie warten auf ihre Fütterung. „Wir haben in den letzten 100 Jahren 99 Prozent der ursprüngli­chen Population verloren“, sagt Pinkey Ngewu von der Naturschut­zorganisat­ion Dyer Island Conservati­on Trust.

Für den dramatisch­en Rückgang der Bestandsza­hlen machen Forscher unter anderem die Verschlech­terung des Nahrungsan­gebots durch Überfischu­ng und die Meeresvers­chmutzung verantwort­lich. „Wenn wir die Entwicklun­g nicht aufhalten können, könnte die Art bereits um 2030 ausgestorb­en sein.“Warum der Brillenpin­guin zu den Big Five des Ozeans gezählt wird, erschließt sich angesichts seiner Größe von maximal 70 Zentimeter­n nicht. Riesengroß sind aber die Sympathien, die ihm die Südafrikan­er entgegenbr­ingen. Es ist die einzige Pinguinart, die in Afrika heimisch ist.

Im Jahr 2015 hat der Dyer Island Conservati­on Trust das Schutzzent­rum in Gansbaai eröffnet. Die Tierärtin Liezl Pretorius kümmert sich hier um verletzte Pinguine und päppelt verwaiste Jungvögel auf. „Etliche Tiere verheddern sich in Fischernet­zen oder verletzen sich an Abfällen, die ins Meer gelangen“, sagt die 44-Jährige. „Es gibt viele Gründe, warum die Zahl der Pinguine noch immer abnimmt“, sagt Pretorius, „Für mich ist das fehlende Nahrungsan­gebot ein Hauptgrund. Wenn wir es nicht schaffen, dafür zu sorgen, dass die Tiere genauso viel Fisch zu fressen haben, wie wir Menschen, wird ihr Überleben fraglich bleiben“.

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FOTOS (4): RAM MALIS Bei einem Schnorchel­ausflug in der Cosy Bay bei Kapstadt kommt man auch den neugierige­n Seebären ganz nahe.
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Der Brillenpin­guin ist der kleinste der Big Five des Ozeans.
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Hanli Prinsloo (rechts) nimmt Gäste mit auf Tauchtour in den Tangwald.
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Sandra Hörbst bringt Besuchern in Gansbaai die Meeresfaun­a nahe.

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