Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von der Wachtel wachgeküss­t

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Meersburg gehört zu den Orten, die im Sommer vor lauter Touristen beinahe ihr Gesicht verlieren. Wie wunderbar verlassen ist dagegen die kleine Altstadt an einem nebligen Wintertag, wenn die Menschenle­ere den Eindruck entstehen lässt, Meersburg sei eine verlassene Filmkuliss­e. Und der Streifen, der hier gedreht wurde, längst aus den Kinos verschwund­en.

Was aber fängt man mit seinem Hunger an angesichts der vielen Schilder an den Türen, die auf den März vertrösten, wenn die Saison langsam wieder erwacht? Zum Glück ragt wie eine gastronomi­sche Burg das Hotel Wilder Mann am Seeufer empor – und es hat geöffnet. Der Gastraum ist ein modern sanierter Ballsaal mit blauen Stühlen auf Fischgrätp­arkett. Kugellampe­n hängen wie überdimens­ionierte Karamellbo­nbons von der Decke. Ein junger Mann im Service – Typ Ski- oder Surflehrer – weist mit lässiger Eleganz einen Tisch am Fenster zu.

Was beim Studium des Menüs auffällt, ist die Kalkulatio­n. Kässpätzle für unter 15 Euro am Logenplatz eines Touristeno­rtes – das ist fair. Das Angebot prägen bodenständ­ige und regionalty­pische Gerichte. Auf der Tageskarte weht dann aber auch ein Hauch von Eleganz. Bei der getrüffelt­en Steinpilzc­remesuppe kommt das Trüffelaro­ma zwar nur von einem Öl. Doch die Suppe hat einen derart konzentrie­rten Pilzgeschm­ack, dass sie ohne Weiteres als Soße durchgehen könnte. Löffel für Löffel kernig abgeschmec­ktes Vergnügen. Mit sehr guten Noten in Geschmack und Aussehen empfehlen sich auch die Maultasche­n, die farblich und aromatisch Lachs und

Zander deutlich erkennen lassen. Die Maultasche­n sind gebettet auf einen üppig moussierte­n Rieslingsc­haum, der in luftigen Tiefen würzigen Spinat verbirgt. Ganz obenauf thront eine glasig gebratene Garnele und zeigt einmal mehr, dass die Küche ihre Teller gern effektvoll arrangiert.

Hübsch anzusehen ist dann auch die gefüllte Wachtel, die allerdings in vorgegarte­m und dann im Ofen aufgeknusp­erten Zustand an den Tisch kommt. Diese Technik funktionie­rt bei manchen Speisen gut – so ein zartes Vögelchen wie die Wachtel wird dabei allerdings weitgehend trocken wie auch im konkreten Fall. Daran ändert auch die Pilzfüllun­g – wiederum mit Mut abgeschmec­kt – nicht allzu viel.

Schön gelungen ist dafür die aromatisch­e Soße mit Trauben, die gut zum scheibenwe­ise gerösteten Kartoffelk­nödel passen.

Den Abschluss des insgesamt sehr gepflegten Menüs gestaltet der Desserttel­ler. Auf ihm finden sich die üblichen Verdächtig­en – ein wenig künstlich schmeckend­e Crème brûlée, Schokokuch­en mit f lüssigem Kern – aber auch eine sehr gelungene Nocke vom Rotweineis.

Insgesamt überzeugt das Haus mit dem Anspruch, alles andere als eine Touristenf­alle zu sein – und das mutmaßlich nicht nur im Winter.

 ?? FOTO: NYFFENEGGE­R ?? Hübsch anzusehen: die Wachtel, die in einer aromatisch­en Soße mit Trauben und Kartoffelk­nödelschei­ben serviert wird.
FOTO: NYFFENEGGE­R Hübsch anzusehen: die Wachtel, die in einer aromatisch­en Soße mit Trauben und Kartoffelk­nödelschei­ben serviert wird.
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Von Erich Nyffenegge­r

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