Vor diesem Gesetz graut es Allgäuer Firmen
Unternehmen sollen Eu-weit ihre Lieferketten überprüfen – Doch das würde jeglichen Rahmen sprengen
- Können Allgäuer Unternehmen ausreichend überprüfen, ob ihre Zulieferer aus dem Ausland umweltschädlich oder menschenverachtend produzieren? Ob ihre Lieferanten etwa bei der Abfallentsorgung von Kinderoder Zwangsarbeit profitieren? Das Unterallgäuer Unternehmen Magnet-schultz hat dazu eine klare Meinung: Für Mittelständler und viele größere Unternehmen sei ein strengeres Überprüfen der weltweiten Wertschöpfungskette „seriös schlicht nicht darstellbar“, kritisiert Geschäftsführer Albert Schultz.
Damit ist das Unternehmen derselben Meinung wie der Großteil der Betriebe in der Region, heißt es von der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK). Es geht bei dieser Diskussion um das Eu-lieferkettengesetz. Derzeit wird es innerhalb der Europäischen Union verhandelt. Es stand bereits kurz vor der Ziellinie. Doch dann hat sich unter anderem Deutschland kürzlich bei einer Abstimmung enthalten – auf Drängen der FDP (wir berichteten).
Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung, dass Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspf lichten umsetzen. Also etwa negative Einflüsse ihrer Geschäfte auf Menschenrechte und Umwelt selbst erkennen – entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dann sollen die Unternehmen Präventionsund Abhilfemaßnahmen ergreifen und auch dokumentieren. Doch genau deshalb hatte die FDP Bedenken geäußert. Das Lieferkettengesetz sei in dieser Form alles andere als unbürokratisch und mittelstandsfreundlich, kritisiert Stephan Thomae. Er ist Allgäuer Fdp-bundestagsabgeordneter. Wie solle ein Mittelständler prüfen, ob Zulieferer im Ausland die geforderten Standards
umsetzen, fragt Thomae. Und ob Menschenrechte eingehalten werden, könne nicht Sache der Allgäuer Unternehmen sein, sagt er. Vieles sei „denkbar kompliziert“.
Nicht alle Unternehmen wären gleichermaßen von einem solchen Eu-gesetz betroffen. Der Ostallgäuer Maschinenbauer Bihler hatte für dieses Thema einmal ein Projektteam gebildet. Doch weil der Betrieb weniger als 1000 Mitarbeiter in der EU habe, sei Bihler nicht direkt betroffen, sagt Sprecherin Sylvia Einsle. Viele Sorgfaltspflichten würden ohnehin standardmäßig gefordert und das Unternehmen sichere sich bei Lieferanten ab.
Nach dem aktuellen Entwurf der EU wären in Bayerisch-schwaben
etwa 400 Unternehmen von einem Lieferkettengesetz betroffen, sagt Björn Athmer, Allgäuer Regionalgeschäftsführer der IHK. Doch er glaubt, dass es anders kommen wird: Am Ende werde wohl jedes Unternehmen betroffen sein. Denn größere Betriebe würden ein Teil der Nachweispflichten an kleinere Lieferanten weitergeben.
Für Athmer ist klar: „Wir ruinieren unsere Wirtschaft damit.“Die Ziele des Gesetzes seien aus Sicht der IHK zwar durchaus sinnvoll, betont Athmer. Doch mit dem jetzt vorliegenden Entwurf seien sie nicht zu realisieren. Gerade in dieser konjunkturell schwächeren Phase sei eine weitere Belastung für die Betriebe der falsche Weg, kritisiert er.
In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz. Es verursache schon heute „einen hohen administrativen Aufwand“, moniert Albert Schultz. Das Unternehmen habe über 2000 Lieferanten, die vielfach außerhalb Deutschlands tätig seien. Viele kleinere Zulieferer würde es überfordern, wenn sie selbst ihre Unterlieferanten überprüfen müssten, sagt Schultz. Bei Partnern außerhalb der EU werde das Prozedere noch komplizierter. Schultz sieht darin schon heute einen globalen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Unternehmen, die weniger strenge Regularien haben. Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei ohnehin unter Druck, sagt auch Athmer. Firmen bräuchten zudem eigens für das
Gesetz zuständige Fachleute, die sie teilweise erst noch einstellen müssten.
Zustimmung zu dem Gesetz kam beispielsweise von der gewerkschaftsnahen Hans-böcklerstiftung. Dort heißt es, gut zwei Drittel der größeren Unternehmen würden schon heute den Großteil der Forderungen erfüllen. Auf die Frage nach Befürwortern des Eu-gesetzes in der Region antwortet der Ihk-regionalgeschäftsführer Björn Athmer, dass ihm diese noch nicht begegnet seien. Laut Fdp-politiker Thomae ist es noch offen, wann bei dem Gesetz nachgebessert wird. Kurzfristig werde das wohl nicht gelingen. Aus Thomaes Sicht wäre es besser, nach der Europawahl im Juni einen neuen Versuch zu starten.