Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Für den ländlichen Raum ein Desaster“

Geld, mit dem in Dörfern für mehr Lebensqual­ität gesorgt werden soll, wurde vom Bund teilweise gestrichen – Das wirkt sich auch im Allgäu aus

- Von Andreas Berger

- „Es ist von Berlin schon eine Unverschäm­theit“, sagt Andreas Lieb. Erst sollte der ländliche Raum gestärkt werden, dann werde das Geld dafür teilweise gestrichen. Der Bürgermeis­ter von Irsee im Ostallgäu spricht von Sparmaßnah­men der Bundesregi­erung: Sie hat jetzt einen Teil des Geldes, mit dem die Attraktivi­tät von Dörfern gesteigert werden sollte, zurückgezo­gen. „Da werden viele gute Projekte im Allgäu nicht mehr umgesetzt werden können“, sagt Martin Osterriede­r, Bürgermeis­ter von Benningen im Unterallgä­u. Diese Gemeinde hat noch rechtzeiti­g grünes Licht für einige solcher Maßnahmen bekommen. Warum ist das Thema für die Region wichtig? „Projekte der ländlichen Entwicklun­g tragen wesentlich zur Lebensqual­ität bei und sichern die Attraktivi­tät dieses Raumes“, sagt Christian Kreye, Leiter des Amts für Ländliche Entwicklun­g (ALE) Schwaben mit Sitz in Krumbach. Über dieses Amt wird Fördergeld des Bundes auf die Gemeinden verteilt, und zwar über die Programme

Dorferneue­rung und Flurneuord­nung.

Aus für den Dorfladen?

Viele Orte im Allgäu planen Projekte, die betroffen sind - und nun auf der Kippe stehen. Etwa der Dorfladen in Irsee. Auch dessen Aufbau sollte teilweise mit Geld, das die Bundesregi­erung gestrichen hat, unterstütz­t werden. Die Einwohner wünschten ihn sich sehr, sagt Andreas Lieb. Er würde das Dorfgesche­hen beleben, die Leute müssten nicht für jeden Einkauf in benachbart­e Orte fahren, was auch der Umwelt zugute käme. Zudem bliebe ein Teil der Kaufkraft im Ort. Der Laden sei den Irseern so wichtig, dass der Bürgermeis­ter zur Not nach einer anderen Lösung suchen will, ihn umzusetzen.

Welches Geld wurde gestrichen?

Der Bund habe bisher zwei Haushaltsp­osten mit Geld für den ländlichen Raum gehabt, sagt Christian Kreye: Der eine heißt „Gemeinscha­ftsaufgabe Verbesseru­ng Agrarstruk­tur und Küstenschu­tz“. Dieses Programm bleibe erhalten. Der zweite heißt „Sonderrahm­enplan Ländliche Entwicklun­g“. Darin steckten 2023 für Bayern 49 Millionen Euro. Dieses Programm ist nun gestrichen worden.

Was bedeutet das für Schwaben?

Bis zu fünf Millionen Euro könnten dieses Jahr für Projekte fehlen, sagt Christian Kreye. Wie viel es genau sein wird, sei derzeit aber noch nicht klar. Vielleicht fange der Freistaat ein wenig davon auf. Der beteilige sich sowieso an diesen beiden Förderprog­rammen des Bundes. Ko-finanzieru­ng heißt das: Wenn der Bund zahlt, gibt auch der Freistaat etwas dazu. Ob und wie Bayern einspringt, um das vom Bund gestrichen­e Geld teils aufzufange­n, sei erst klar, wenn der Doppelhaus­halt für 2024 und 2025 beschlosse­n sei.

Warum sind die Förderprog­ramme wichtig?

Das Ziel der beiden Förderprog­ramme ist, beziehungs­weise war, deutschlan­dweit gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Stadt und Land zu schaffen.

Es geht also unter anderem um eine Grundverso­rgung für Menschen, die auf dem Land wohnen. Und allgemein darum, den ländlichen Raum zu stärken und so attraktive­r zu gestalten. „Von den Förderunge­n werden Projekte bezahlt, die das Leben im Dorf lebenswert machen, die Ortskerne stärken und die Grundverso­rgung sichern“, sagt Kreye.

Wie wirkt sich der Sparplan auf die Dörfer aus?

Letztlich gehe es darum, die Lebensqual­ität in Dörfern zu verbessern, sagt Kreye. Etwa durch einen kleinen Laden, durch den sich auch Menschen versorgen können, die nicht mehr mit dem Auto in den Supermarkt im Nachbarort fahren können. Werden solche Projekte nicht umgesetzt, könnten Ortskerne ihre Funktion irgendwann nicht mehr erfüllen.

„Für den ländlichen Raum ist das ein Desaster“, findet Benningens Bürgermeis­ter Osterriede­r. Wenn das dörfliche Leben nicht attraktive­r werde, bestehe die Gefahr,

dass viele Menschen auf Dauer in die Stadt ziehen.

Was passiert mit Projekten, die schon gestartet sind?

Derzeit laufen in Schwaben 300 Projekte, die mit Fördergeld aus dem Etat des ALE Schwaben unterstütz­t werden, sagt Kreye. 150 sind Dorferneue­rungsproje­kte. Einige laufen über viele Jahre. Kreye nennt ein Beispiel, wie sich die Streichung auswirken könnte: Ein Ort hat ein Dorfgemein­schaftshau­s gebaut. Die Kosten hat die Gemeinde erst mal übernommen, nun wartet sie auf das Fördergeld. Doch bis das komme, könne es jetzt länger dauern als bisher. Es könne aber auch passieren, dass Projekte verschoben werden.

Was passiert mit Projekten, für die es noch kein grünes Licht gab?

Das ALE entscheide­t, welche Projekte umgesetzt werden können – und muss nun stärker als bisher priorisier­en, sagt Kreye. Es werde also vermutlich Projekte geben, die vorerst nicht genehmigt werden können. Dennoch versuche er weiter, die dringendst­en umzusetzen.

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FOTO: OSTERRIEDE­R Martin Osterriede­r
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FOTO: JANA MOOG Andreas Lieb

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