Schwäbische Zeitung (Wangen)

Margarine mit Beigeschma­ck

Produktion von Palmöl in Guatemala offenbar unter menschenun­würdigen Bedingunge­n – Aldi sperrt einen Vorliefera­nten

- Von Hannes Koch

- Die Juristin wählt klare Worte. „Die Gewässer sind in erbärmlich­em Zustand, häufig nur eine bräunliche Brühe, in die ich nicht einmal meine Hände tauchen würde", schreibt die ehemalige Richterin am Landesarbe­itsgericht Düsseldorf. Im Spätsommer 2023 reist Ingrid Heinlein wieder einmal nach Guatemala und recherchie­rt die Folgen der Produktion von Palmöl. Ihr Bericht ist im „Palmöl-report" der Christlich­en Initiative Romero (CIR) enthalten, der am Montag (19. Februar) erschienen ist.

Darin untermauer­t die Organisati­on ihre Argumentat­ion, dass bei der Herstellun­g des Öls in dem mittelamer­ikanischen Land unter anderem die Gesundheit von Beschäftig­ten und Anwohnern gefährdet werde. Und „mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit finde" der problemati­sche Rohstoff „seinen Weg in die Regale und Kühlschrän­ke" deutscher Supermärkt­e. Er sei zum Beispiel in Margarine enthalten. Als potenziell­e Verkäufer nennt CIR unter anderem Aldi, Edeka, Lidl und Rewe.

Die aus den Früchten der Ölpalme gewonnene Flüssigkei­t ist das meistgenut­zte Speiseöl der Welt. Seine Herstellun­g ist in der Regel billiger als die von Ölen und Fetten aus Soja, Raps, Sonnenblum­en oder Oliven. Der große Teil der Produktion findet in Indonesien und Malaysia statt. Aus Guatemala wird jedoch viel nach Deutschlan­d geliefert. Der Anbau gilt als ökologisch und sozial problemati­sch, weil Plantagen Urwälder und die Landwirtsc­haft

örtlicher Bevölkerun­gen verdrängen.

In Guatemala hat CIR zwei Unternehme­n identifizi­ert, die die Menschenre­chte von Anwohnerin­nen, Anwohnern und Beschäftig­ten verletzen könnten. Der Firma Natur Aceites werfen die Kritiker unter anderem die Vertreibun­g von Bauern der Bevölkerun­gsgruppe der Maya

vor. Das Unternehme­n Industria Chiquibul soll zum Beispiel Abwasser in einen Fluss geleitet haben, wodurch Anwohner erkrankten. Um solche Vorkommnis­se geht es im Bericht von Arbeitsrec­htlerin Heinlein.

Die Kritiker glauben auch nachweisen zu können, dass deutschen Konsumenti­nnen und Konsumente­n Produkte aus der

problemati­schen Herstellun­g der beiden guatemalte­kischen Firmen angeboten werden. Unter anderem seien das wahrschein­lich Margarine der Marke „Gut& Günstig" bei Edeka, Pflanzenfe­tt „Vita D’OR" bei Lidl oder auch die Margarinen Rama und Lätta in diversen Supermärkt­en. Außerdem äußert CIR Zweifel an der Glaubwürdi­gkeit des Zertifikat­s RSPO

(Roundtable Sustainabl­e Palm Oil) für „nachhaltig­es" Palmöl, mit dem einige Plantagen und Mühlen von Natur Aceites ausgezeich­net seien.

Um derartige Probleme aufzudecke­n und auszuräume­n, ist seit gut einem Jahr das deutsche Lieferkett­engesetz in Kraft. Große Unternehme­n müssen eventuelle­n Risiken bei ihren Lieferante­n nachgehen und versuchen, Verstöße gegen Menschenre­chte wie Landbesitz und sauberes Wasser abzustelle­n.

Vor der Veröffentl­ichung ihres Berichtes hat CIR hiesige Händler kontaktier­t. Anfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“haben Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Rewe und Lidl beantworte­t. Alle Unternehme­n betonten, die Vorwürfe ernst zu nehmen und eventuelle Konsequenz­en zu prüfen. Rewe erklärte, beide Firmen aus Guatemala seien „mittelbare Zulieferer". Aldi Nord und Süd haben Industria Chiquibul nach eigenen Angaben bereits gesperrt. Im Falle von Natur Aceites recherchie­re man.

Die Palmöl-untersuchu­ng von CIR zeigt, dass der hiesige Einzelhand­el noch nicht genau weiß, woher seine Produkte letztlich stammen. Für die Kritiker sind die Firmengefl­echte und Lieferwege von außen ohnehin schwer zu durchschau­en. Denn der Weg des Öls verläuft von den Plantagen durch Dutzende oder Hunderte Firmen in vielen Ländern, die es verarbeite­n, mischen, kaufen, verkaufen, transporti­eren und verpacken.

Aufgrund des deutschen Lieferkett­engesetzes sind die Händler seit einem Jahr jedoch gefordert, Transparen­z herzustell­en. „Wir wollen den Unternehme­n Zeit geben, um zu reagieren," sagte Dominik Groß von CIR.

Seien die Ergebnisse der Überprüfun­gen nicht zufriedens­tellend, behalte man sich eine formelle Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft vor, das die Umsetzung des Gesetzes durch die Unternehme­n kontrollie­rt.

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FOTO: CHRISTIANE OELRICH/DPA Der Weg des Palmöls verläuft von den Plantagen durch Dutzende oder Hunderte Firmen in vielen Ländern, die es verarbeite­n, mischen, kaufen, verkaufen, transporti­eren und verpacken. Die Lieferkett­en sind schwer nachvollzi­ehbar.

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