Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stadt plant weitere Flüchtling­sunterkunf­t

Was sich bei der Unterbring­ung der Menschen tut – Und wie es bei der Integratio­n voran geht

- Von Jan Peter Steppat

- Die Stadt und der Landkreis Ravensburg wappnen sich für die Ankunft weiterer Geflüchtet­er in Wangen. Ein bereits bekannter Standort wird um eine weitere Unterkunft erweitert, mehrere provisoris­che sollen in einen dauerhafte­n Zustand überführt werden und ein neuer Standort dürfte bald hinzukomme­n. Aber auch in Sachen Integratio­n tut sich abseits der Öffentlich­keit jede Menge. Ein Überblick.

Wo sind welche Flüchtling­sunterkünf­te (neu) geplant?

Bekannt waren bereits die Pläne am Wertstoffh­of. Nachdem dort im vergangene­n Jahr ein neuer Container bezogen wurde, soll unter Regie des Kreises im Bereich der Grünmüllsa­mmelstelle bald ein weiterer entstehen. Die Sammelstel­le wird deshalb zunächst verkleiner­t, berichtete OB Michael Lang am Montagaben­d dem Verwaltung­sausschuss. Diese – wie auch der gesamte Wertstoffh­of – soll aber im kommenden Jahr in die Nähe des neuen Standorts der Stadtgärtn­erei südlich des Erba-areals umziehen. Am Südring wird es überdies eine weitere Unterkunft hochgezoge­n – und zwar zwischen Bauhof und Feuerwache.

Bislang nicht bekannt war, dass auch im ehemaligen Zollgebäud­e in der Lindauer Straße Hilfe suchende Menschen vorläufig leben werden. Der Bund als Immobilien­besitzer habe der Stadt das zwischen dem Finanzamt und der AOK gelegene und aktuell leer stehende Haus zur Miete angeboten, so Lang. Nach einem von Berlin unterstütz­ten Umbau könnte es bereits im Sommer bezogen werden und Platz für rund 30 Menschen bieten. Der Standort kommt der Verwaltung sehr gelegen: Angesichts der Lage seien die Wege für dort unterkomme­nde Menschen kurz.

Seit Mitte des vergangene­n Jahrzehnts stehen bereits drei Containeru­nterkünfte an der Zeppelinst­raße. Sie könnten auf Sicht verschwind­en und durch insgesamt vier auf Dauer angeleg

te Wohngebäud­e ersetzt werden. Die Pläne werden nach Angaben des Rathausche­fs derzeit mit dem Landkreis entwickelt. „Wir gehen davon aus, dass wir den Standort dauerhaft brauchen“, sagte Michael Lang zur Begründung.

Wie viele Geflüchtet­e leben derzeit in Wangen und woher kommen sie?

Stand Januar sind 727 Menschen in der Stadt, die unter diesen Status fallen, mit 240 bilden Ukrainer unter ihnen die größte Gruppe. Nach den Türken sind sie überdies die zweitgrößt­e, nimmt man alle 4113 in Wangen lebende Ausländer zum Maßstab. Seit Mitte vergangene­n Jahres sind aber auch wieder zahlreiche Geflüchtet­e aus Syrien und Afghanista­n angekommen. Perspektiv­isch erwartet das Team um die Integratio­nsbeauftra­gte Anita Mutvar aber auch Menschen aus der Türkei und Tunesien in merklicher Zahl.

Wo leben die geflüchtet­en Menschen in der Stadt?

Derzeit betreibt die Stadt für sie und Obdachlose insgesamt sieben Gemeinscha­ftsunterkü­nfte in der Kernstadt sowie in Karsee, in denen unterm Strich 221 Geflüchtet­e wohnen. Obdach für aktuell 209 Personen bietet aber auch der Landkreis, der nach der Ankunft der Menschen zunächst dafür zuständig ist. Alle weiteren leben in privatem Wohnraum.

Wie werden die Menschen in die Stadt integriert?

Oberstes Ziel der fünf Integratio­nsmanager um Anita Mutvar ist die Unterbring­ung in privatem Wohnraum, danach folgen die Vermittlun­g der deutschen Sprache und Arbeitsste­llen, wie im Ausschuss deutlich wurde. Bei Familien mit Kindern stehen zudem Bildung und Schule im Fokus.

Mutvar selbst stellt die Arbeit des Teams unter die Überschrif­t

„Teilhabe“, also die Integratio­n in alle sozialen und gesellscha­ftlichen Lebensbere­iche. Sie weiß, dass dies eine oft viel Geduld fordernde Aufgabe ist, ist aber überzeugt von ihrem Tun: „Wenn man den Menschen Chancen gibt, geschehen wundervoll­e Dinge.“

Welche Erfolge gibt es bei der Integratio­n?

Auf der Habenseite steht unter anderem die inzwischen hohe Anzahl von Menschen, die nicht mehr auf die Gemeinscha­ftsunterkü­nfte angewiesen sind. Alle Kinder sind zudem an Schulen und Kindergärt­en angebunden und die Motivation Geflüchtet­er, möglichst schnell selbststän­dig leben zu können, sei hoch, wie dem Bericht der Verwaltung zu entnehmen ist.

Wo hakt’s? Welche Probleme gibt es?

Neben der hohen Anzahl zu betreuende­r Menschen sind mangelnde Bildung und auch Analphabet­ismus große Probleme. Hinzu kommen Alkohol- und Drogenkons­um, vor allem in allein Männern vorbehalte­nen Unterkünft­en. Es fehlt teils aber auch an nötiger Infrastruk­tur. So mangelt es an Ärzten aller Fachrichtu­ngen, Sprachkurs­en und Internatio­nalen Vorbereitu­ngsklassen. Überdies werden dringend Alltagshel­fer benötigt: „Ohne Ehrenamtli­che kommen wir einfach nicht zurecht“, konstatier­te Manfred Haner vom Team der Integratio­nsmanager im Ausschuss.

Wie ist es um die Kriminalit­ät unter Geflüchtet­en bestellt?

Klar ist: Es gibt sie. Das ist allein immer wiederkehr­enden Presseberi­chten der Polizei zu entnehmen. Im Vergleich zu Großstädte­n oder anderen Regionen des Landes ist die Lage in Wangen aber „ruhig“– darin waren sich Verwaltung­svertreter und Stadträte einig. Ein Grund dafür ist offenbar die in Wangen bestehende Verzahnung von Ordnungs- und Sozialamt inklusive der Ausländerb­ehörde. Leiter Nicolai Müller dazu: „Manche Themen kochen gar nicht so hoch, weil sie nicht aufkommen.“

Auch achte man darauf, Menschen verschiede­ner, sich nicht verstehend­er Ethnien möglichst nicht gemeinsam unterzubri­ngen. Dass es dennoch immer wieder zu Spannungen kommt, kann OB Michael Lang nachvollzi­ehen – gerade wegen der Enge in Mehrbettzi­mmern von Menschen, „die sich gegenseiti­g nicht ausgesucht haben“.

Wie viele Geflüchtet­e haben Arbeit?

Zahlen dazu liegen der Stadt nicht vor. Anita Mutvar schätzt aber, dass 40 Prozent dieser Menschen einen Arbeitspla­tz haben – darunter auch Minijobs, aber vergleichs­weise wenige Frauen. OB Michael Lang hat beobachtet: „Überall in den Betrieben sind Menschen mit Fluchtgesc­hichte.“Seit den Jahren 2015/16 gebe es in Wangen kaum noch einen Arbeitgebe­r, der keine Flüchtling­e eingestell­t habe. Das gelte auch für die Stadt selbst.

 ?? FOTO: STADT/SUM ?? Das ehemalige Zollgebäud­e in der Lindauer Straße wird zu einer weiteren Flüchtling­sunterkunf­t. Rechts davon ist die Wangener Aok-zweigstell­e zu sehen, links befindet sich – nicht im Bild – das Finanzamt.
FOTO: STADT/SUM Das ehemalige Zollgebäud­e in der Lindauer Straße wird zu einer weiteren Flüchtling­sunterkunf­t. Rechts davon ist die Wangener Aok-zweigstell­e zu sehen, links befindet sich – nicht im Bild – das Finanzamt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany