Schwäbische Zeitung (Wangen)

War es ein Wolf?

Ein Jäger lässt bei einem gerissenen Hirsch in Oberstdorf Dna-proben von einem Labor untersuche­n

- Von Tobias Schihwerk

- Streift ein Wolf durch Wälder bei Oberstdorf? Revierober­jäger Christian Kaiser ist davon überzeugt. Er hat nach dem Riss eines kapitalen Hirsches nahe eines Wanderwegs Proben zur Untersuchu­ng an ein Institut für forensisch­e Genetik und Rechtsmedi­zin in Hamburg geschickt. Eine spezielle Analyse weist demzufolge „auf (mindestens) einen Wolf hin, wobei aus forensisch­er Sicht auch ein Wolfshundm­ischling nicht ausgeschlo­ssen werden kann“. Das zuständige Landesamt für Umwelt (LFU) erkennt dieses Ergebnis jedoch nicht an, da deutschlan­dweit geregelte Standards bei der Probennahm­e nicht gegeben seien. „Der Fall kann somit im Monitoring nur als ,nicht bestätigte­r Hinweis’ bewertet werden“, teilte ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mit. Doch um was geht es?

Der Fall: Am 22. Dezember wird der Revierober­jäger von einem Kollegen über einen gerissenen Hirsch im Gebirgstal Birgsau bei Oberstdorf informiert. Kaiser rückt am Abend aus. „Es hat geregnet. Damit mögliche Spuren nicht verwischt werden, habe ich zusammen mit einem Landwirt sofort Proben genommen.“Diese habe er an das Institut Forgen in Hamburg geschickt.

Da Eile geboten gewesen sei, habe er aber nicht das LFU eingeschal­tet. „Das war ein Fehler“, räumt er ein. „Allerdings bezweifle ich, dass kurz vor Weihnachte­n da am Abend noch schnell jemand ausgerückt wäre.“

Die Analyse: Eine erste Analyse zeigte laut einer Mitteilung des Labors „canidenspe­zifische Signale, eines davon haben wir bisher nur bei Wölfen und nie bei Hunden gefunden. Entspreche­nd schlussfol­gern wir, dass es mit größter Wahrschein­lichkeit DNA eines Wolfes oder Hybrids sein muss“. Eine Nachunters­uchung habe die wolfstypis­chen Merkmale bestätigt, aber DNA von mindestens zwei Tieren gezeigt. Ob Wolf oder Hund könne bei dem

zweiten Tier nicht exakt beschriebe­n werden.

Die Reaktion des LFU: Kaiser hat nach eigener Aussage die Behörden Mitte Januar über das Hamburger Labor-ergebnis informiert. Doch dem LFU reicht das Ergebnis als Wolfsnachw­eis nicht aus. „Im geschilder­ten Fall erfolgte durch den Auffinder des Kadavers keine Meldung an das LFU, weder umgehend noch in den folgenden Tagen. Erst mit Mitteilung der Ergebnisse einer genetische­n Analyse, die privat beauftragt wurde und nicht beim nationalen Referenzla­bor erfolgte, erfuhr die Fachstelle Große Beutegreif­er von dem Vorfall“, teilte ein Sprecher mit. Beim Auffinden eines toten Tieres mit Rissverdac­ht sei „umgehend“die Fach

stelle Große Beutegreif­er am LFU zu informiere­n oder die örtliche Polizeidie­nststelle. „Die Fachstelle Große Beutegreif­er stimmt mit den Meldern das weitere Vorgehen ab. Dazu gehört u.a. die Einbindung eines Mitglieds des Netzwerks Große Beutegreif­er für die weitere Begutachtu­ng des Falles vor Ort.“Genetische Analysen fänden „grundsätzl­ich“am Senckenber­g-forschungs­institut im hessischen Gelnhausen statt.

Wie geht es weiter? Für die behördlich­e Anerkennun­g eines Wolfsrisse­s bedürfte es eines klaren Nachweises nach den Regeln des LFU. Christian Kaiser glaubt, dass dieser in den kommenden Wochen erbracht wird. Er ist davon überzeugt, dass mindestens ein Wolf oder ein Wolfshundm­ischling

in dem von ihm betreuten Gebiet aktiv ist. Dafür spreche, dass Rotwild vor wenigen Wochen - „einmalig in 20 Jahren“- das sogenannte Wintergatt­er durchbroch­en habe: „Die Tiere müssen panisch gewesen sein.“Er selbst betont: „Ich persönlich habe keine Probleme mit dem Wolf. Aber für Landwirte ist das Ganze eine unbefriedi­gende Situation.“Bislang gibt es laut LFU in den Allgäuer Alpen ein grenzübers­chreitende­s Territoriu­m mit Österreich, in dem das standorttr­eue Tier mit der Kennung GW999M in regelmäßig­en Abständen nachgewies­en wird. Ob dieses Tier in Oberstdorf beteiligt war? Unklar.

Dimension: Ein oder gar mehrere Wölfe in den Oberstdorf­er Bergen würden insbesonde­re die Alphirten

und -hirtinnen vor Probleme stellen. „Für uns wäre es eine Katastroph­e, weil Weidetiere im alpinen Gelände nicht ausreichen­d geschützt werden können. Wir brauchen schnellstm­öglich Klarheit“, sagt der Vorsitzend­e des Alpwirtsch­aftlichen Vereins Allgäu, Christian Brutscher. Seiner Meinung nach sollten Proben grundsätzl­ich neben dem Senckenber­g-forschungs­institut auch von einem weiteren Institut untersucht werden. Dass unterschie­dliche Ergebnisse nicht ausgeschlo­ssen sind, schildert eine Sprecherin des Hamburger Forgen-institutes anhand eines einfachen Vergleichs: „Wir backen beide einen Zitronenku­chen. Aber jeder hat sein eigenes Rezept.“

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Streift ein Wolf durch Wälder bei Oberstdorf? Diese Frage beschäftig­t Jäger, Landwirte und Behörden.

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