Eu-urgestein hält unterhaltsames Plädoyer für Europa
Was Rainer Wieland beim Cdu-funkenfrühschoppen in Waltershofen zu sagen hat
- Zum Funkensonntagfrühschoppen der Cdu-ortsverbände Kißlegg, Waltershofen und Immenried kam mit Rainer Wieland auch politische Prominenz ins Allgäu. Der Stuttgarter, seit 2009 einer der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, sprach zum Thema „Europa aus der Mitte heraus gestalten“. Zu europäischen Themen redeten auch der hiesige Europa-abgeordnete Norbert Lins und vonseiten des Gastgebers der Kißlegger CDUCHEF und Landtagsabgeordnete Raimund Haser.
Haser war sich sicher: „Wozu Adenauer, Kohl und Merkel ihren Beitrag geleistet haben, das muss aus der Mitte heraus erhalten bleiben.“Es brauche dazu aber auch „eine neue europäische Idee, die gerade für die Jugend richtungsweisend ist“. Dass die CDU seit jeher den landwirtschaftlich geprägten Süden Deutschlands repräsentiere, war von Norbert Lins zu hören. Der Vorsitzende des Euagrar-ausschusses unterstützt nach eigenen Aussagen den Bauernverband Allgäu-oberschwaben in dem Bemühen, dem Bauernstand eine Zukunftsperspektive zu geben.
„Schwätzen und nicht liefern, das akzeptieren die Bauern nicht mehr!“, rief Lins aus. Um dann von einem Beschluss zu sprechen, der „dank unserem Druck“gefasst wurde. Die Europäische Kommission habe demnach die Pflicht, vier Prozent der Fläche für Brachen zu reservieren, nochmals ausgesetzt. Landwirte in der EU müssten 2024 also keine Ackerf lächen stilllegen. Als einen Affront gegen den zuständigen Bundesminister Cem Özdemir sieht es der Cdu-politiker an, dass es gerade Umweltministerin Steffi Lemke gewesen sei, die sich gegen diese Aussetzung ausgesprochen habe.
Mit dem Satz „Man soll zur Sache stehen, wenn man sie für richtig erachtet“eröffnete der 67-jährige Ehrengast Rainer Wieland seine Rede und führte in einprägsamen und teilweise zum Schmunzeln anregenden Beispielen vor Augen, was ihm in den langen Jahren seines politischen Weges begegnet ist. Er habe dabei Menschen getroffen, die sich „in eine schlechte Stimmung hineingesteigert hatten“und denen er sagen musste, „dass es keinen Anlass gibt, nicht zuversichtlich nach vorne zu gehen“.
Denn trotz „mehrerer Krisen gleichzeitig“gibt es für Wieland keine „Zeitenwende“, sondern nur eine „Wende zur Realität“. Und die sieht für ihn schon jetzt „gar nicht so schlecht aus“. Sechs bis acht Prozent mehr Menschen in Deutschland als zuvor halten demnach eine Mitgliedschaft in der EU für wichtig. Und acht Prozent mehr Frauen und Männer wollen am 9. Juni zur Europawahl gehen, freute sich Wieland. Auf den Brexit eingehend wies er darauf hin, dass in den Norden Englands
das meiste Eu-geld fließt, aber gleichzeitig seien dort die meisten Brexit-befürworter zu f inden. Zur Pandemie sagte er: „So schlecht haben wir es nicht gemacht.“Die gute Nachricht sei vor allem, dass von den vier im Umlauf befindlichen Impfstoffen allein drei mit europäischer Beteiligung entwickelt wurden, also „aus der freien Welt kommen“.
Für wichtig hält es der Politiker aus Stuttgart, dass „vom Normalfall her diskutiert wird“. Und dazu zählt er drei Bereiche: Religion, Nation und Recht. Es werde viel zu sehr darüber nachgedacht, ob der Islam tatsächlich zu Deutschland gehöre. Dabei gelte doch: „Ein Christ, der einen redlichen Muslim nicht gewähren lässt, ist kein guter Christ.“Was im umgekehrten Fall ebenso seine Richtigkeit habe. Keine Hymne und keine Fahne beim Einlauf ins Fußballstadion? Rainer Wieland hatte die passende Gegenfrage: „Halte ich mein Land für etwas Besseres oder etwas Besonderes? Seine Antwort: „Wenn ich auf mein Land stolz bin, dann grenze ich mich vom Nationalsozialismus
ab.“Und wie sieht es mit dem Recht aus? Das um alles und gegen jeden gestritten wird, sei hinlänglich bekannt, so Wieland. Dabei würde Recht weder vom Papst, vom Rabbi oder schon gar nicht vom Pflasterstein bestimmt. Die Datenschutzgrundverordnung hält er „für unangemessen“. Was könne man auch davon halten, wenn für unangemessene Aussagen auf dem Trikot diese abgeklebt werden müssten. Und ihn als „Glückwunschbeauftragten“zu bezeichnen, das wolle er schon gar nicht.
Doch dann wird Wieland wieder ernst. „Jedes Land hat sein Blatt im Geschichtsbuch“, weiß er und ist beim „Miteinander reden und erklären“angelangt. Von Bedeutung sei es in diesem Zusammenhang, den mit Angst behafteten Jugendlichen zu sagen, „dass die Welt nicht untergehen wird“. Die Chancen dafür seien besser denn je. Dieses Land, so Rainer Wieland abschließend, „ist nicht schlecht und nicht schwach, sondern es wird nur schlecht und schwach regiert“.