Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ohne Druck und Drohkuliss­e“

Verbot der Anbindehal­tung von Rindern soll kommen – Landwirte sehen Existenz bedroht

- Von Andreas Berger

- Die Anbindehal­tung von Rindern soll verboten werden. So plant es die Bundesregi­erung. Es ist eines von mehreren Vorhaben der Ampelkoali­tion, die den Unmut vieler Landwirte wachsen lässt. Unter all den Kritikpunk­ten an der Politik gehöre dieses Thema „zu den großen Brocken“, sagt Jürgen Hummel aus Obergünzbu­rg (Kreis Ostallgäu). Er ist Landwirt und nimmt an aktuellen Protesten gegen die Bundesregi­erung teil. Das geplante Verbot der Anbindehal­tung werde „ein Massenster­ben in der Landwirtsc­haft“verursache­n, befürchtet Hummel. Denn Betriebe müssten viel Geld investiere­n, um Höfe und Ställe umzubauen. Dass Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne) in der derzeitige­n, aufgeheizt­en Stimmung weiter an dem Vorhaben festhalte, „finde ich unverantwo­rtlich“, sagt Hummel. Schließlic­h fürchteten gerade jetzt viele Landwirte um ihre Existenz.

Schon jetzt verschwind­en jedes Jahr etwa 1300 Milchviehb­etriebe in Bayern. Das sagt Dr. Bernhard Haidn von der Landesanst­alt für Landwirtsc­haft (LFL). Zahlen allein für das Allgäu liegen der Behörde nicht vor. Aktuell gebe es etwas mehr als 24.000 Milchviehb­etriebe im Freistaat. Davon knapp 6300 mit ganzjährig­er Anbindehal­tung und knapp 3100 mit Kombihaltu­ng. Um diese beiden Haltungsfo­rmen geht es auch bei den Plänen der Bundesregi­erung: Die ganzjährig­e Anbindehal­tung soll verboten werden. In fünf Jahren soll die Vorgabe in Kraft treten. Auch die Kombihaltu­ng soll dann teilweise untersagt werden.

Bei einer Kombihaltu­ng haben Rinder einen Teil des Jahres Auslauf. So lassen zum Beispiel einige Betriebe ihre Tiere im Sommer auf der Weide und binden sie über die Wintermona­te im Stall an. Höfen mit mehr als 50 Rindern soll es künftig untersagt werden, Rinder im Stall anzubinden. Die Landwirte müssten also umbauen

und erweitern, damit sich die Tiere frei bewegen können. Landwirten mit bis zu 50 Rindern soll die Kombihaltu­ng weiter gestattet werden. Unter der Bedingung, dass sich die Tiere mindestens 120 Tage im Jahr frei bewegen können – etwa auf der Weide oder dem Laufhof.

Dass Cem Özdemir an diesen Plänen festhält, kann Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverb­ands Deutscher Milchviehh­alter (BDM), aus Sicht eines Politikers nachvollzi­ehen. Wenn Politiker immer dann, wenn es Protest gibt, einen Rückzieher machten, käme das Land gar nicht mehr voran, sagt Foldenauer. Aber aus Sicht eines Landwirts hat er für die Gesetzesvo­rlage kein Verständni­s. Beispielsw­eise gebe es immer weniger Betriebe mit ganzjährig­er Anbindehal­tung.

Viele, die heute einen Hof übernähmen, stellten dann auch die Haltungsfo­rm um. In einigen Jahren habe sich die ganzjährig­e Anbindehal­tung also von allein erledigt: „Ohne Druck und Drohkuliss­e.“Dieses Ziel aber nun innerhalb von fünf Jahren erzwingen zu wollen, bedeute das Aus für viele Betriebe, sagt Landwirt Jürgen Hummel. In so kurzer Zeit den Um- oder Neubau eines Stalls zu planen, die Finanzieru­ng zu klären, die nächste Generation einzubinde­n, die den Hof vielleicht übernehmen will, sei kaum zu machen.

Eine längere Frist, nämlich von zehn Jahren, stehe sogar im Koalitions­vertrag der Bundesregi­erung, sagt Hans Foldenauer vom BDM. In einem jüngeren Referenten-entwurf des Tierschutz­gesetzes

soll hingegen von fünf Jahren die Rede sein. Wenn sich Cem Özdemir zumindest wieder auf die zehn Jahre Übergangsz­eit besinnen würde, könnte er laut Foldenauer etwas Druck aus der angespannt­en Situation nehmen und den Landwirten zeigen, dass er ihre Sorgen ernst nehme.

„Eine große Unverschäm­theit“nennt er es, dass die Kombihaltu­ng überhaupt Teil des Gesetzes werden soll. Das sei zunächst gar nicht vorgesehen gewesen. Der Obergünzbu­rger Landwirt Jürgen Hummel stört sich zudem an der Grenze von 50 Rindern - bei mehr als 50 Tieren soll die Kombihaltu­ng untersagt werden. Dieses Verbot an einer bestimmten Zahl festzumach­en, sei nicht akzeptabel. Auch in einem Betrieb mit zehn Kühen könne es den Tieren

schlecht gehen, in einem mit 1000 hingegen prächtig. Also müssten solche Entscheidu­ngen individuel­l getroffen werden.

Landwirte hätten heute nur noch eine geringe Planungssi­cherheit, sagt Bernhard Haidn von der LFL. Das sei einer der Gründe, weshalb jedes Jahr in Bayern hunderte Milchviehb­etriebe schließen. Er nennt ein Beispiel: Wer heute in seinen Hof investiere, um neuen Tierschutz­und Umweltaufl­agen gerecht zu werden, könne nicht sicher sein, ob es nicht schon bald neue Auflagen gibt, die umgesetzt werden müssen. Er kenne viele Betriebe im Allgäu, die bereits aufgegeben haben oder sich das überlegen, sagt Landwirt Jürgen Hummel. „Ein Hof, der aufgehört hat, fängt nie wieder an.“

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Die ganzjährig­e Anbindehal­tung von Rindern soll komplett und die Kombihaltu­ng der Tiere teilweise abgeschaff­t werden. So plant es die Bundesregi­erung.

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