„Ohne Druck und Drohkulisse“
Verbot der Anbindehaltung von Rindern soll kommen – Landwirte sehen Existenz bedroht
- Die Anbindehaltung von Rindern soll verboten werden. So plant es die Bundesregierung. Es ist eines von mehreren Vorhaben der Ampelkoalition, die den Unmut vieler Landwirte wachsen lässt. Unter all den Kritikpunkten an der Politik gehöre dieses Thema „zu den großen Brocken“, sagt Jürgen Hummel aus Obergünzburg (Kreis Ostallgäu). Er ist Landwirt und nimmt an aktuellen Protesten gegen die Bundesregierung teil. Das geplante Verbot der Anbindehaltung werde „ein Massensterben in der Landwirtschaft“verursachen, befürchtet Hummel. Denn Betriebe müssten viel Geld investieren, um Höfe und Ställe umzubauen. Dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in der derzeitigen, aufgeheizten Stimmung weiter an dem Vorhaben festhalte, „finde ich unverantwortlich“, sagt Hummel. Schließlich fürchteten gerade jetzt viele Landwirte um ihre Existenz.
Schon jetzt verschwinden jedes Jahr etwa 1300 Milchviehbetriebe in Bayern. Das sagt Dr. Bernhard Haidn von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL). Zahlen allein für das Allgäu liegen der Behörde nicht vor. Aktuell gebe es etwas mehr als 24.000 Milchviehbetriebe im Freistaat. Davon knapp 6300 mit ganzjähriger Anbindehaltung und knapp 3100 mit Kombihaltung. Um diese beiden Haltungsformen geht es auch bei den Plänen der Bundesregierung: Die ganzjährige Anbindehaltung soll verboten werden. In fünf Jahren soll die Vorgabe in Kraft treten. Auch die Kombihaltung soll dann teilweise untersagt werden.
Bei einer Kombihaltung haben Rinder einen Teil des Jahres Auslauf. So lassen zum Beispiel einige Betriebe ihre Tiere im Sommer auf der Weide und binden sie über die Wintermonate im Stall an. Höfen mit mehr als 50 Rindern soll es künftig untersagt werden, Rinder im Stall anzubinden. Die Landwirte müssten also umbauen
und erweitern, damit sich die Tiere frei bewegen können. Landwirten mit bis zu 50 Rindern soll die Kombihaltung weiter gestattet werden. Unter der Bedingung, dass sich die Tiere mindestens 120 Tage im Jahr frei bewegen können – etwa auf der Weide oder dem Laufhof.
Dass Cem Özdemir an diesen Plänen festhält, kann Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), aus Sicht eines Politikers nachvollziehen. Wenn Politiker immer dann, wenn es Protest gibt, einen Rückzieher machten, käme das Land gar nicht mehr voran, sagt Foldenauer. Aber aus Sicht eines Landwirts hat er für die Gesetzesvorlage kein Verständnis. Beispielsweise gebe es immer weniger Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung.
Viele, die heute einen Hof übernähmen, stellten dann auch die Haltungsform um. In einigen Jahren habe sich die ganzjährige Anbindehaltung also von allein erledigt: „Ohne Druck und Drohkulisse.“Dieses Ziel aber nun innerhalb von fünf Jahren erzwingen zu wollen, bedeute das Aus für viele Betriebe, sagt Landwirt Jürgen Hummel. In so kurzer Zeit den Um- oder Neubau eines Stalls zu planen, die Finanzierung zu klären, die nächste Generation einzubinden, die den Hof vielleicht übernehmen will, sei kaum zu machen.
Eine längere Frist, nämlich von zehn Jahren, stehe sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, sagt Hans Foldenauer vom BDM. In einem jüngeren Referenten-entwurf des Tierschutzgesetzes
soll hingegen von fünf Jahren die Rede sein. Wenn sich Cem Özdemir zumindest wieder auf die zehn Jahre Übergangszeit besinnen würde, könnte er laut Foldenauer etwas Druck aus der angespannten Situation nehmen und den Landwirten zeigen, dass er ihre Sorgen ernst nehme.
„Eine große Unverschämtheit“nennt er es, dass die Kombihaltung überhaupt Teil des Gesetzes werden soll. Das sei zunächst gar nicht vorgesehen gewesen. Der Obergünzburger Landwirt Jürgen Hummel stört sich zudem an der Grenze von 50 Rindern - bei mehr als 50 Tieren soll die Kombihaltung untersagt werden. Dieses Verbot an einer bestimmten Zahl festzumachen, sei nicht akzeptabel. Auch in einem Betrieb mit zehn Kühen könne es den Tieren
schlecht gehen, in einem mit 1000 hingegen prächtig. Also müssten solche Entscheidungen individuell getroffen werden.
Landwirte hätten heute nur noch eine geringe Planungssicherheit, sagt Bernhard Haidn von der LFL. Das sei einer der Gründe, weshalb jedes Jahr in Bayern hunderte Milchviehbetriebe schließen. Er nennt ein Beispiel: Wer heute in seinen Hof investiere, um neuen Tierschutzund Umweltauflagen gerecht zu werden, könne nicht sicher sein, ob es nicht schon bald neue Auflagen gibt, die umgesetzt werden müssen. Er kenne viele Betriebe im Allgäu, die bereits aufgegeben haben oder sich das überlegen, sagt Landwirt Jürgen Hummel. „Ein Hof, der aufgehört hat, fängt nie wieder an.“