Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eisen Thiermann schließt für immer

Wangener Traditions­unternehme­n wird nach 133 Jahren von der Krise am Bau in die Knie gezwungen

- Von Jan Peter Steppat ●

- Nach dem angekündig­ten, massiven Stellenabb­au bei Diehl Controls muss die Wangener Wirtschaft eine weitere Hiobsbotsc­haft verkraften: Nach 133 Jahren schließt der Bauzuliefe­rer und Stahlverar­beiter Eisen Thiermann zum 1. April für immer seine Pforten. Am Donnerstag­morgen wurden die 32 Beschäftig­ten informiert. Sie erhielten alle eine Kündigung.

Der tief hängenden Wolken und der triefende Regen des Tages passten zur Lage und Stimmung bei dem Wangener Traditions­unternehme­n. „Für die Mitarbeite­r war das ein Schock“, sagte Patricia Thiermann-haase am Mittag über die Stimmung bei der Betriebsve­rsammlung, in der das Aus verkündet wurde. Zusammen mit ihrem Cousin Markus Thiermann ist sie geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin des offiziell unter dem Namen August Thiermann Gmbh & Co. KG firmierend­en Familienbe­triebs – seit Donnerstag um das Kürzel „i.l.“ergänzt – „in Liquidatio­n“.

In einer einer für schlechte Nachrichte­n dieser Art ungewöhnli­ch offenen Pressemitt­eilung nennen beide die Gründe für diese „schwere Entscheidu­ng“, die in den vergangene­n Wochen und Monaten gereift war: Vor allem ist es die Krise der Baubranche mit einem Einbruch der Zahl an Baugenehmi­gungen um 30 Prozent. Bei Eisen Thiermann sank die verkaufte Menge an Baustahl analog dazu um ein Drittel. Auch aktuell sei die Auftragsla­ge sehr mau, lässt Patricia Thiermann-haase im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“durchblick­en: „Wir mussten die Notbremse ziehen.“

Dies geschah auch, weil darüber hinaus die wirtschaft­lichen Aussichten so düster erscheinen wie das Wetter am Donnerstag: „Für dieses und die nächsten Jahre sind weitere Umsatzrück­gänge prognostiz­iert“, heißt es in einer Mitteilung. Thiermann-haase rechnet in der Branche mit einer Flaute von drei bis fünf Jahren.

Überhaupt sind es die schlechten Perspektiv­en, die die Familie Thiermann zum Aufgeben zwingt. Überfällig­e Investitio­nen hätten sich nicht weiter aufschiebe­n lassen, ist in dem Schreiben zu lesen – und auch folgendes Statement von Markus Thiermann: „Jetzt müssten wir eine Stange Geld in die Hand nehmen. Weiteres Geld braucht es, weil das

Geschäft auf Jahre nur Verluste einfahren wird. Und dann braucht es in vier oder fünf Jahren einen jungen Menschen, der das bis dahin überschuld­ete Unternehme­n übernimmt.“Ein Nachfolger sei allerdings ebenso wenig in Sicht gewesen wie ein Käufer für das Unternehme­n; nach diesem habe man jahrelang gesucht.

Die Liquidatio­n des Unternehme­ns ist ein harter Schritt – zumal sie für die beiden Gesellscha­ften, aus denen die August Thiermann Gmbh & Co. KG besteht, bereits am Donnerstag wirksam wurde, wie der Mitteilung ferner zu entnehmen ist. So aber könne das Unternehme­n geordnet abgewickel­t werden, alle noch laufenden Aufträge würden wie vereinbart erfüllt.

Und auch aus Sicht der 32 Beschäftig­ten erscheint die Liquidatio­n den Gesellscha­ftern eine bessere Lösung zu sein als andere, ebenfalls mögliche Schritte: Man fühle sich verpflicht­et, „eine Insolvenz oder sozial harte Schließung auf jeden Fall zu verhindern“, wird Patricia Thiermannh­aase in dem Schreiben zitiert. Dazu fühle man sich gegenüber der Belegschaf­t verpf lichtet: „Wir haben diese Firma zusammen mit Ihnen geführt, Sie haben uns ermöglicht, bis hierhin zu gehen“, sagte sie demnach bei der morgendlic­hen Betriebsve­rsammlung.

Dort wurde ebenfalls verkündet, dass die gesamte Belegschaf­t zum 1. April bei voller Gehaltszah­lung bis zum Ende der Kündigungs­frist freigestel­lt wird – auch um sich rasch eine neue Beschäftig­ung suchen zu können. Die Perspektiv­e dafür hält Patricia Thiermann-haase für „noch gut“. Lieferante­n und Kunden seien informiert worden und erste Anfragen nach Eisen-thiermannm­itarbeiter­n bereits am selben Tag eingegange­n.

„Darüber bin ich sehr erleichter­t“, sagte die merklich angefasste geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin

am Telefon – und will die Beschäftig­ten bei der anstehende­n Jobsuche nicht allein lassen: „Wir unterstütz­en jeden, der Hilfe braucht bei Bewerbunge­n und anderen Dingen.“

Dabei setzt Patricia Thiermann-haase auch auf den nach wie vor herrschend­en Fachkräfte­mangel – und macht Werbung für die Mitarbeite­r: Von einem „tollen Team“spricht sie und Leuten, die „was wegschaffe­n“können.

Nichtsdest­otrotz ist deren beruf liche Zukunft am Tag der Bekanntgab­e der Unternehme­nsschließu­ng

natürlich offen. Unklar ist derzeit auch, was mit dem Grundstück in der Peterdörf ler-straße auf Sicht passiert; es gehört einer Immobilien­gesellscha­ft, in der Eisen Thiermann Teilhaber ist. Zunächst wird die Halle im Rahmen der Abwicklung noch benötigt. Was danach geschieht, steht laut Thiermann-haase aktuell in den Sternen.

Die aktuelle und zugleich das Aus bedeutende Schief lage ist nicht die erste in 133 Jahren Unternehme­nsgeschich­te: „Wir haben Weltkriege und Krisen überlebt“, sagt sie. Dazu gehörte auch jene Ende der 1990er-jahre. Damals hatte Markus Thiermann das verschulde­te Unternehme­n aus einer tiefen wirtschaft­lichen Krise geführt, ist in der Mitteilung zu lesen. Und später mussten erst die Einzelhand­elsgeschäf­te in der Innenstadt geschlosse­n werden und vor einigen Jahren auch der Baufachmar­kt am Unternehme­nssitz.

Patricia Thiermann-haase spricht in diesem Zusammenha­ng von einem Schrumpfun­gsprozess. Ein weiterer sei aber nicht mehr möglich gewesen: „Wir haben lange gekämpft und uns Gedanken gemacht.“Eisen Thiermann ist nach 133 Jahren mit allen möglichen Höhen und Tiefen bald Geschichte.

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FOTO: SUSI WEBER Die Türen von Eisen Thiermann in Wangen schließen bald für immer. 133 Jahre Unternehme­nsgeschich­te gehen damit zu Ende.
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FOTO: SWE Der Zettel lässt nichts Gutes erahnen: Bei einer Betriebsve­rsammlung wurde am Donnerstag­morgen das Aus von Eisen Thiermann verkündet.

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