Schwäbische Zeitung (Wangen)

Esslingers geben alle vier Edeka-märkte ab

Der Senior geht in Rente, der Junior orientiert sich beruflich neu – Übergabe an Nachfolger ist im März

- Von Julia Baumann und Timo Schoch

- Die Entscheidu­ng habe die Familie gemeinsam getroffen. Im März geben Esslingers ihre vier Edeka-märkte ab. Am Ende, sagt Johannes Esslinger, „war das ganze Paket für mich alleine einfach zu groß“.

Immer eine Sechs-tage-woche, bis zu 16 Stunden am Tag im Geschäft: Johannes Esslinger will das nicht mehr. „Ich habe eine Familie und habe nie Zeit“, sagt er. Sein Vater Herbert Esslinger versteht ihn, schließlic­h war das viele Jahre lang sein Leben. „Wenn andere am Freitagmit­tag ins Wochenende sind, wusste ich, ich schaff’ noch eineinhalb Tage.“

Mitte März ist damit Schluss. Dann geht der 62-jährige Herbert Esslinger in Rente, sein Sohn Johannes übergibt alle vier Märkte an neue Inhaber. „Natürlich ist uns das nicht leicht gefallen“, sagt der 33-Jährige. Der „Familienra­t“habe viele Stunden Zeit für diese Entscheidu­ng gebraucht. „Aber es ist Zeit, neue Wege zu gehen.“

Regale einräumen, an der Kasse aushelfen, Kunden bedienen und dazu ein Schwätzche­n halten: Das sei es gewesen, was ihm immer Spaß gemacht habe, sagt Johannes Esslinger. Doch bei vier Märkten habe das Abarbeiten von Verwaltung­saufgaben und immer mehr Bürokratie den Hauptteil seiner Arbeit ausgemacht. Und das macht ihm keinen Spaß.

Das Händlersei­n liegt den Esslingers im Blut. In den 1950er-jahren eröffneten die Urgroßelte­rn von Johannes Esslinger den Gemischtwa­renladen „Edeka Jakob“in Neuravensb­urg. Etwa 20 Jahre später übernahm seine Großmutter den kleinen Supermarkt im Ortskern.

Doch das kleine Dorf Neuravensb­urg wuchs und wuchs. Im Jahr 2000 weihte Herbert Esslinger in einem Neubaugebi­et schließlic­h den neuen, größeren „Edeka Dorfmarkt“ein. Der kleine Supermarkt seiner Mutter schloss, heute werden in dem Geschäft Brautmoden verkauft.

Herbert Esslinger expandiert­e weiter. 2004 baute er einen Edekamarkt in Grünkraut, den er fünf Jahre später verkaufte. Er übernahm die beiden „Edeka Neukauf “-Geschäfte in Kressbronn und Langenarge­n und zog mit ihnen jeweils in einen Neubau um.

2017 eröffnete schließlic­h der Edeka-markt in Weißensber­g, das erste Geschäft von Sohn Johannes. Vier Jahre später übergab Herbert Esslinger ihm auch die anderen drei Märkte, blieb aber am Geschäft beteiligt. Johannes Esslinger kümmerte sich von da an um 200 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r und ebenso viele Lieferante­n. „Wir waren am Ende einfach zu groß“, sagt er.

Die Entscheidu­ng, alle Märkte abzugeben, sei schon vor einem Jahr gefallen. Klar war aber auch, dass Esslingers ihren Familienbe­trieb

nur in gute Hände übergeben – an lang jährige Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Den Edeka in Neuravensb­urg übernimmt Alexandra Looks mit ihrem Mann Karsten, die beiden Märkte in Kressbronn und Langenarge­n Pascal Seifert und den in Weißensber­g Eminio Koros. Sie alle waren zuletzt die Marktleite­r der jeweiligen Geschäfte. „Wir geben sie mit gutem Gewissen ab an jemanden, der unsere Idee weiterlebt und Spaß an der Arbeit hat“, sagt Herbert Esslinger.

Sein Sohn Johannes ergänzt: „Für die Existenzgr­ünder ist es eine Riesenchan­ce, sie übernehmen ein funktionie­rendes System.“Die Märkte auf mehrere Inhaber aufzuteile­n, sei eine gute Entscheidu­ng. „Es ist einfacher, einen oder zwei anstelle von vier Märkten zu führen.“

Für die Inventur und die Übergabe der Technik müssen alle Edeka-märkte im März jeweils für einen Tag schließen – und eröffnen dann unter neuem Namen.

Für Eminio Koros geht mit der Übernahme ein kleiner Traum in Erfüllung. Er erinnert sich noch gut daran, wie er in Weißensber­g als Marktleite­r begann. „Ich habe damals gescherzt, dass ich den Markt einmal übernehmen werde“, erzählt er und lacht. „Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass dies tatsächlic­h einmal passiert.“

Wenn in einigen Tagen in Weißensber­g statt Esslinger dann überall Edeka Koros steht, ist sein Traum Wirklichke­it geworden. Für die Kunden ändere sich dann aber nichts, versichert Koros. „Es wird alles so weiterlauf­en wie bisher.“Dazu gehört zum Beispiel, dass die Eigenmarke „Allgäu Bodensee“von allen Nachfolger­n weiter geführt wird, wie Esslingers erzählen. Darunter werden Produkte vertrieben, die direkt aus der Region kommen.

Die beiden Gebäude in Neuravensb­urg und Kressbronn gehören den Esslingers, sie werden sie behalten. Die Häuser in Langenarge­n und Weißensber­g seien von Investoren errichtet worden, sagt Herbert Esslinger. „Wir vermieten die Gebäude an Edeka, und Edeka vermietet sie an die neuen Inhaber“, erklärt er das Prozedere ab März.

Dann wird er seine Rente genießen. Und wie geht es bei seinem Sohn weiter? Der hat vor etwa zwei Jahren in Wangen einen Barber-shop mit kleinem Café eröffnet. Sein neues berufliche­s Standbein wird das aber nicht. „Das ist eher ein Hobby“, sagt Johannes Esslinger. Er wolle sich neu orientiere­n. Womit, das verrät er nicht. „Da ist noch nichts spruchreif.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany