Aufzüge am Bahnhof seit Monaten defekt
Zugfahrten für Gehbehinderte teilweise unmöglich - Reparatur bis Ostern in Aussicht
- Simon Heinrich schnauft schwer, wenn er jeden Morgen mit seinem Rollator den beschwerlichen Weg von Bad Waldsee zur Arbeit in den Oberschwäbischen Werkstätten für Behinderte (OWB) in Kißlegg geschafft hat. Jeden Morgen mit immer größeren Schmerzen in der Hüfte und den Knien. Denn er muss im Bahnhof Kißlegg die Treppen nehmen, seine Gehhilfe und sich selbst erst runter, dann die Stufen zum Ausgang wieder hoch hieven. Und abends das Ganze zurück. Die beiden Aufzüge, die laut Bahn „mobilitätseingeschränkten Fahrgästen Zugang zum ÖPNV“bieten sollen, sind seit Monaten kaputt. Genauer gesagt: seit ein heftiges Gewitter im Juli 2023 erst den einen, dann den anderen Aufzug zum Stehen brachte. Laut Bahn „weisen die Aufzüge leider einen technischen Defekt unter anderem an der Stromversorgung und an den Antriebsteilen auf“.
Das bringt Menschen mit Behinderung, Eltern mit Kinderwagen, Radfahrer oder Reisende mit schwerem Gepäck in große Schwierigkeiten. Simon Heinrich nimmt mehr Schmerzmittel, um die Belastung beim Treppensteigen überhaupt auszuhalten. Für andere bedeutet es, dass sie in ihrer Mobilität und den Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, deutlich eingeschränkt sind. „Bei uns ist es ja wie bei anderen auch: Wir wollen mal raus und Freunde oder Familie treffen. Das fällt bei mir komplett flach. Seit die Aufzüge defekt sind, kann ich nicht mehr Bahn fahren“, beschreibt Karlheinz Schwarz seine Situation. Er sitzt im Rollstuhl und wohnt nicht weit vom Kißlegger Bahnhof entfernt. Nur mit den Aufzügen wäre eine Zugfahrt für ihn möglich.
„Das ist auf eine Art wieder eine Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung“, findet Elke Herzer vom Sozialdienst der OWB Kißlegg. Auch Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher bedauert, dass „wöchentlich im Rathaus Beschwerden ankommen, die wir nur vertrösten können“. Er betont, dass die Gemeinde vielfach versucht hat, „über den formellen und informellen Weg die Dringlichkeit der Reparatur bei der Bahn zu verdeutlichen“.
Auch Simon Heinrich und seine Eltern sind bereits bei verschiedenen Stellen vorstellig geworden, um eine Instandsetzung der Lifte anzumahnen. Da muss es angesichts des monatelangen Stillstands der Aufzüge für Leidtragende fast zynisch klingen, wenn eine Sprecherin der Bahn auf Anfrage schreibt: „Die Deutsche
Bahn tut alles, dass die technischen Anlagen, die die Stufenfreiheit sicherstellen, auch funktionieren“.
Völlig unverständlich ist dem Sprecher der Mitarbeiter der OWB, Helmut Vogel, warum die Reparatur der Aufzüge auf sich warten lässt. Zumal die DB versichert, dass die Reparatur beauftragt sei. „Nach so langer Zeit bräuchte es mal ’nen Notdienst. Es ist ein Unding, dass wir hier nicht barrierefrei hoch- und runterkommen“.
Die Deutsche Bahn begründet die Verzögerung mit „Lieferengpässen von Ersatzteilen und Schwierigkeiten bei der Abdichtung der Schächte“. Möglich wäre auch, dass die jüngst erfolgte Fusion von DB Netz und DB Station & Service zu einem Zuständigkeitswirrwarr geführt hat. Inzwischen ist die DB Infrago für die Bahnhöfe zuständig und man wird neuerdings von München nach Stuttgart verwiesen, wenn es um den Kißlegger Bahnhof geht.
Unterdessen stecken die beiden Aufzüge unverändert zwischen Unterführung und dem Ausgang oben fest. Selbst der Aufkleber, dass die Anlage außer Betrieb ist, existiert nur noch zur Hälfte: „kt!“steht da und man muss sich das Wort „Defekt“selbst denken.
Auch der Chatbot der Bahn bei www.bahnhof.de mit dem schönen Namen „DB Smile“, der bei Fragen zum jeweiligen Bahnhof helfen soll, gibt keine informative Antwort zu den Aufzügen in Kißlegg. Ihr Status ist dem Chatbot „unbekannt“. Die Bahnsprecherin versucht zu beruhigen: „Wir wissen um die Bedürfnisse unserer Reisenden und haben daher selbst das größte Interesse daran, die Ausfallzeiten der Anlagen so gering wie möglich zu halten.“Sie stellt in Aussicht, dass „voraussichtlich an Ostern“die Aufzüge wieder zur Verfügung stehen. Und fügt hinzu: „Wir bitten die Fahrgäste für die Einschränkungen um Entschuldigung.“
Auch der Hinweis, dass mobilitätseingeschränkte Reisende ihre Fahrt bei der Db-mobilitätsservice-zentrale anmelden können, fehlt in der Antwort der DB nicht. Diese Zentrale helfe bei der Planung barrierefreier Alternativrouten. Andernorts – etwa in Lindau, wo die Aufzüge ebenfalls streiken - haben Reisende damit allerdings keine wirklich zielführenden Erfahrungen gemacht. Und Dieter Krattenmacher befürchtet auch weiterhin: „Gehbehinderte kommen nicht mehr vom Mittelbahnsteig runter und müssen mit einem anderen Zug irgendwohin fahren“. Er hält die Situation für „unzumutbar“.