„Dethleffs steht stabil da“
Geschäftsführer Kibler über die Marktlage und das Ende der Produktion in Aichstetten
- Die ganz große Boomzeit hat der Reisemobil- und Caravanhersteller Dethleffs hinter sich. Nach überdurchschnittlichen Absatzzahlen in der Coronapandemie ist der mit Abstand größte Arbeitgeber in Isny gerade dabei, sich auf die neue Marktlage einzustellen. Dazu gehört unter anderem, dass die Produktion in einer erst im Jahr 2021 angemieteten Werkshalle in Aichstetten eingestellt und die dort etwa 100 Mitarbeiter an den Hauptstandort abgezogen werden. Wie Dethleffs-geschäftsführer Bernhard Kibler (Foto: Martin Forster/dethleffs) seine bisher knapp zwei Jahre an der Spitze des Unternehmens erlebt hat, wie er die jüngsten Streiks von Mitarbeitern am Rande des Werksgeländes einschätzt und wie er die kommenden Jahre für die Branche und für die Firma sieht, erklärt der 50-Jährige im Interview.
Herr Kibler, wie fällt Ihre Zwischenbilanz seit Ihrem Wechsel im Juli 2022 von der Erwin Hymer Gruppe (EHG) in Bad Waldsee an die Spitze von Dethleffs aus?
Kibler: Es waren zwei turbulente Jahre! Es ist richtig viel passiert. Im Markt, in der Produktion – und die Liefersituation war auch nicht einfach. Wir haben glücklicherweise sehr engagierte und angenehme Mitarbeiter und ein Team, das sich mit der Marke und den Produkten identifiziert. Da habe ich schon sehr viel Positives erlebt. Aber es sind turbulente Zeiten: Ich bin zu einem Peak, am Gipfel des Marktes eingestiegen. Seither gab es vor allem hohe Zinsen, Preissteigerungen und Lieferschwierigkeiten – all diese Themen mussten bearbeitet und gelöst werden. Wir haben mit einem rückläufigen Markt zu kämpfen und müssen uns dem anpassen. Das sind wir bei Dethleffs aber gewohnt. Dass es nur nach oben geht, gab es noch nie. Deswegen kommen wir auch damit klar. Es wird sich jetzt wieder auf einem normalen, kleineren Niveau einpendeln. Aber es soll kein falscher Eindruck entstehen. Das Allgäu ist wunderschön und ich fühle mich hier bei Dethleffs als Mann aus dem Unterland wirklich sehr wohl.
Was war besonders schwierig in den zurückliegenden knapp zwei Jahren?
Die Lieferschwierigkeiten waren schwer zu akzeptieren und den Kunden zu vermitteln, weil wir gleichzeitig immer noch einen Nachfrageboom hatten. Und
dann mussten wir auf Kurzarbeit zurückgreifen. Das war eine große Herausforderung und hat uns an unsere Belastungsgrenze gebracht. Wir haben so oft unsere Planung anpassen müssen aufgrund äußerer Einflüsse, dass das für unsere Mitarbeiter oft nicht mehr nachvollziehbar war. Ich bin da immer noch sehr dankbar dafür, dass alle in dieser Phase mitgezogen haben und mit uns den Weg gegangen sind.
Nicht zuletzt wegen der Lieferschwierigkeiten hat Dethleffs eine große Stellplatzfläche für Chassis gebaut, auch gegen Widerstände aus dem nahen Kleinhaslach. Hat diese Fläche bis hierher ihren Zweck erfüllt?
Das hat die Fläche getan. Das war ein sehr guter Schritt für uns, weil die Lieferversorgung immer noch nicht so ist, wie wir das von früher kennen. Es ist deutlich besser so. Der Platz ist mittlerweile voll. Wir haben dort 500 Chassis stehen.
Glauben Sie, dass Sie den Platz dauerhaft brauchen werden?
Ja, das glaube ich, da wir so flexibler auf Lieferschwankungen reagieren können. Außerdem fallen unnötige Transportwege weg und angemietete Zwischenlagerflächen konnten reduziert werden.
Haben Sie nach der Fertigstellung der Erweiterungsfläche noch Reaktionen aus Kleinhaslach bekommen?
Eigentlich nicht. Wir werden im Frühjahr noch die Bepflanzung vornehmen, sodass wir dann die Arbeiten abgeschlossen haben werden.
Wie geht es der Firma Dethleffs im Moment?
Dethleffs steht stabil da. So habe ich das Unternehmen auch vor
gefunden. Stabil, mit motivierter Mannschaft, wir sind gut organisiert, haben ein breites Produktprogramm. Wir haben auch noch ein ordentliches Auftragspolster. Allerdings müssen wir uns dem Markt anpassen – und der ist leider aktuell rückläufig. Wenn wir uns etwa den Reisemobilmarkt in Deutschland anschauen, dann sind die Zulassungen von etwa 82.000 im Jahr 2022 auf 66.000 im Folgejahr gesunken, was etwas unter dem Vor-corona-niveau liegt. Damit haben wir zwar gerechnet, aber es ist sehr schnell passiert.
Am Standort Aichstetten gibt es offenbar große Veränderungen. Was genau planen Sie dort, wo im Jahr 2021 in einer weiteren Werkshalle die Produktion gestartet war.
Im Rahmen der Kapazitätsplanung und Marktanpassung untersuchen wir auch den Standort Aichstetten. Wir wollen die Produktion von dort nach Isny verlagern. Die Modalitäten werden gerade mit allen Beteiligten und dem Betriebsrat besprochen und verhandelt.
Was passiert mit den etwa 100 Mitarbeitern dort?
Wir übernehmen alle und bieten ihnen hier den gleichen Job an. Ein Teil der Mitarbeiter stammt auch aus Isny und ist damals von hier nach Aichstetten gewechselt. Wenn jemand irgendwelche Nachteile durch die Produktionsverlagerung hat, arbeiten wir an einer Kompensation. Solche Dinge diskutieren wir gerade ebenfalls mit dem Betriebsrat. Fakt ist: Wir werden keine betriebsbedingten Kündigungen haben. Das ist sicher.
Was passiert mit dem Standort nach Abzug der Produktion?
Wir werden ihn als Lager nutzen.
In den vergangenen Wochen hat die IG Metall in der holzverarbeitenden Industrie zu Streiks aufgerufen. Eine dieser Streikaktionen hat auch auf dem Dethleffs-parkplatz stattgefunden. Wie ging es Ihnen damit?
Ich bin selber Konsument und merke, dass alles teurer geworden ist. Es wäre vermessen und unrealistisch zu sagen, dass die Leute nicht das Recht hätten, für ihre Interessen zu kämpfen. Da waren wir uns in der Geschäftsführung auch einig. Das Ergebnis ist für beide Seiten o.k. Wir müssen eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Chargen zahlen und die Löhne gehen erst um fünf und dann um drei Prozent hoch. Das macht in zwei Jahren insgesamt acht Prozent, das passt. Unser Verhältnis mit dem Betriebsrat ist übrigens sehr gut.
Wo geht es für die Branche in den kommenden Jahren hin?
Die Branche hat jetzt zunächst die Herausforderung, sich an das Marktgeschehen anzupassen. Sie muss lernen, mit ihren Kapazitäten, teilweise mit Überkapazitäten, umzugehen. Das ist sicher eine Herausforderung für uns alle nach diesem Boom. Gleichzeitig glaube ich, dass unsere Urlaubsform – mobiles Wohnen und Reisen - , auch in Zukunft gefragt sein wird. Ich glaube, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.
Wie geht es am Standort Isny für die Firma Dethleffs weiter?
In Isny arbeiten alle dafür, dass Dethleffs auch in Zukunft erfolgreich bestehen bleibt und noch viele Jubiläen feiern und viele neue Freizeitfahrzeuge herausbringen kann. Dazu stehen wir, dazu steht die ganze Geschäftsführung. Wir wollen hier als stolze Allgäuer weiterhin gute Fahrzeuge bauen.