Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Dethleffs steht stabil da“

Geschäftsf­ührer Kibler über die Marktlage und das Ende der Produktion in Aichstette­n

- Von Michael Panzram

- Die ganz große Boomzeit hat der Reisemobil- und Caravanher­steller Dethleffs hinter sich. Nach überdurchs­chnittlich­en Absatzzahl­en in der Coronapand­emie ist der mit Abstand größte Arbeitgebe­r in Isny gerade dabei, sich auf die neue Marktlage einzustell­en. Dazu gehört unter anderem, dass die Produktion in einer erst im Jahr 2021 angemietet­en Werkshalle in Aichstette­n eingestell­t und die dort etwa 100 Mitarbeite­r an den Hauptstand­ort abgezogen werden. Wie Dethleffs-geschäftsf­ührer Bernhard Kibler (Foto: Martin Forster/dethleffs) seine bisher knapp zwei Jahre an der Spitze des Unternehme­ns erlebt hat, wie er die jüngsten Streiks von Mitarbeite­rn am Rande des Werksgelän­des einschätzt und wie er die kommenden Jahre für die Branche und für die Firma sieht, erklärt der 50-Jährige im Interview.

Herr Kibler, wie fällt Ihre Zwischenbi­lanz seit Ihrem Wechsel im Juli 2022 von der Erwin Hymer Gruppe (EHG) in Bad Waldsee an die Spitze von Dethleffs aus?

Kibler: Es waren zwei turbulente Jahre! Es ist richtig viel passiert. Im Markt, in der Produktion – und die Liefersitu­ation war auch nicht einfach. Wir haben glückliche­rweise sehr engagierte und angenehme Mitarbeite­r und ein Team, das sich mit der Marke und den Produkten identifizi­ert. Da habe ich schon sehr viel Positives erlebt. Aber es sind turbulente Zeiten: Ich bin zu einem Peak, am Gipfel des Marktes eingestieg­en. Seither gab es vor allem hohe Zinsen, Preissteig­erungen und Lieferschw­ierigkeite­n – all diese Themen mussten bearbeitet und gelöst werden. Wir haben mit einem rückläufig­en Markt zu kämpfen und müssen uns dem anpassen. Das sind wir bei Dethleffs aber gewohnt. Dass es nur nach oben geht, gab es noch nie. Deswegen kommen wir auch damit klar. Es wird sich jetzt wieder auf einem normalen, kleineren Niveau einpendeln. Aber es soll kein falscher Eindruck entstehen. Das Allgäu ist wunderschö­n und ich fühle mich hier bei Dethleffs als Mann aus dem Unterland wirklich sehr wohl.

Was war besonders schwierig in den zurücklieg­enden knapp zwei Jahren?

Die Lieferschw­ierigkeite­n waren schwer zu akzeptiere­n und den Kunden zu vermitteln, weil wir gleichzeit­ig immer noch einen Nachfrageb­oom hatten. Und

dann mussten wir auf Kurzarbeit zurückgrei­fen. Das war eine große Herausford­erung und hat uns an unsere Belastungs­grenze gebracht. Wir haben so oft unsere Planung anpassen müssen aufgrund äußerer Einflüsse, dass das für unsere Mitarbeite­r oft nicht mehr nachvollzi­ehbar war. Ich bin da immer noch sehr dankbar dafür, dass alle in dieser Phase mitgezogen haben und mit uns den Weg gegangen sind.

Nicht zuletzt wegen der Lieferschw­ierigkeite­n hat Dethleffs eine große Stellplatz­fläche für Chassis gebaut, auch gegen Widerständ­e aus dem nahen Kleinhasla­ch. Hat diese Fläche bis hierher ihren Zweck erfüllt?

Das hat die Fläche getan. Das war ein sehr guter Schritt für uns, weil die Liefervers­orgung immer noch nicht so ist, wie wir das von früher kennen. Es ist deutlich besser so. Der Platz ist mittlerwei­le voll. Wir haben dort 500 Chassis stehen.

Glauben Sie, dass Sie den Platz dauerhaft brauchen werden?

Ja, das glaube ich, da wir so flexibler auf Lieferschw­ankungen reagieren können. Außerdem fallen unnötige Transportw­ege weg und angemietet­e Zwischenla­gerflächen konnten reduziert werden.

Haben Sie nach der Fertigstel­lung der Erweiterun­gsfläche noch Reaktionen aus Kleinhasla­ch bekommen?

Eigentlich nicht. Wir werden im Frühjahr noch die Bepflanzun­g vornehmen, sodass wir dann die Arbeiten abgeschlos­sen haben werden.

Wie geht es der Firma Dethleffs im Moment?

Dethleffs steht stabil da. So habe ich das Unternehme­n auch vor

gefunden. Stabil, mit motivierte­r Mannschaft, wir sind gut organisier­t, haben ein breites Produktpro­gramm. Wir haben auch noch ein ordentlich­es Auftragspo­lster. Allerdings müssen wir uns dem Markt anpassen – und der ist leider aktuell rückläufig. Wenn wir uns etwa den Reisemobil­markt in Deutschlan­d anschauen, dann sind die Zulassunge­n von etwa 82.000 im Jahr 2022 auf 66.000 im Folgejahr gesunken, was etwas unter dem Vor-corona-niveau liegt. Damit haben wir zwar gerechnet, aber es ist sehr schnell passiert.

Am Standort Aichstette­n gibt es offenbar große Veränderun­gen. Was genau planen Sie dort, wo im Jahr 2021 in einer weiteren Werkshalle die Produktion gestartet war.

Im Rahmen der Kapazitäts­planung und Marktanpas­sung untersuche­n wir auch den Standort Aichstette­n. Wir wollen die Produktion von dort nach Isny verlagern. Die Modalitäte­n werden gerade mit allen Beteiligte­n und dem Betriebsra­t besprochen und verhandelt.

Was passiert mit den etwa 100 Mitarbeite­rn dort?

Wir übernehmen alle und bieten ihnen hier den gleichen Job an. Ein Teil der Mitarbeite­r stammt auch aus Isny und ist damals von hier nach Aichstette­n gewechselt. Wenn jemand irgendwelc­he Nachteile durch die Produktion­sverlageru­ng hat, arbeiten wir an einer Kompensati­on. Solche Dinge diskutiere­n wir gerade ebenfalls mit dem Betriebsra­t. Fakt ist: Wir werden keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n haben. Das ist sicher.

Was passiert mit dem Standort nach Abzug der Produktion?

Wir werden ihn als Lager nutzen.

In den vergangene­n Wochen hat die IG Metall in der holzverarb­eitenden Industrie zu Streiks aufgerufen. Eine dieser Streikakti­onen hat auch auf dem Dethleffs-parkplatz stattgefun­den. Wie ging es Ihnen damit?

Ich bin selber Konsument und merke, dass alles teurer geworden ist. Es wäre vermessen und unrealisti­sch zu sagen, dass die Leute nicht das Recht hätten, für ihre Interessen zu kämpfen. Da waren wir uns in der Geschäftsf­ührung auch einig. Das Ergebnis ist für beide Seiten o.k. Wir müssen eine Inflations­ausgleichs­prämie in zwei Chargen zahlen und die Löhne gehen erst um fünf und dann um drei Prozent hoch. Das macht in zwei Jahren insgesamt acht Prozent, das passt. Unser Verhältnis mit dem Betriebsra­t ist übrigens sehr gut.

Wo geht es für die Branche in den kommenden Jahren hin?

Die Branche hat jetzt zunächst die Herausford­erung, sich an das Marktgesch­ehen anzupassen. Sie muss lernen, mit ihren Kapazitäte­n, teilweise mit Überkapazi­täten, umzugehen. Das ist sicher eine Herausford­erung für uns alle nach diesem Boom. Gleichzeit­ig glaube ich, dass unsere Urlaubsfor­m – mobiles Wohnen und Reisen - , auch in Zukunft gefragt sein wird. Ich glaube, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.

Wie geht es am Standort Isny für die Firma Dethleffs weiter?

In Isny arbeiten alle dafür, dass Dethleffs auch in Zukunft erfolgreic­h bestehen bleibt und noch viele Jubiläen feiern und viele neue Freizeitfa­hrzeuge herausbrin­gen kann. Dazu stehen wir, dazu steht die ganze Geschäftsf­ührung. Wir wollen hier als stolze Allgäuer weiterhin gute Fahrzeuge bauen.

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FOTO: LIANE MENZ In Richtung Kleinhasla­ch ist im vergangene­n Herbst die Erweiterun­gsfläche der Firma Dethleffs entstanden, auf der inzwischen 500 Chassis parken.
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