Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erst Tourist, dann mutmaßlich­er Mörder

Forensiker zeichnen den Tag nach, an dem sich bei Schloss Neuschwans­tein ein Todesdrama abspielte

- Von Benedikt Siegert

- Der zweite Tag im Prozess gegen den mutmaßlich­en „Neuschwans­tein-mörder“Troy B. hat neue erschütter­nde Details zu Tage gefördert. Demnach hatte der 31-Jährige kurz nach der Tat sogar behauptet, er selbst sei von den beiden Frauen angegriffe­n worden. Das sagte der Ermittlung­srichter aus, vor dem der Usamerikan­er im Juni 2023 kurz nach der Tat erschien. Troy B. habe dabei völlig unauffälli­g gewirkt, nicht einmal aufgeregt sei er gewesen. Dabei war er es, der seine beiden Opfer, 21 und 22 Jahre alt, nur wenige Stunden zuvor oberhalb der Marienbrüc­ke bei Schloss Neuschwans­tein überfallen hatte. Die jüngere der beiden starb später an den Folgen einer Strangulat­ion. Ihre Begleiteri­n überlebte die Attacke. Bereits am ersten Verhandlun­gstag hatte Troy B. dies in einer schriftlic­hen Erklärung vor dem Landgerich­t Kempten gestanden.

Selbst sprechen will der Angeklagte nicht. Er verneint lediglich kopfschütt­elnd, wenn es darum geht, ob er zu Zeugenauss­agen noch Fragen habe. Troy B. verfolgt ansonsten alles in gebeugter Haltung. Er trägt einen Kopfhörer, über diesen wird ihm das Prozessges­chehen simultan übersetzt. Die Hände hat er zwischen seinen Knien verschränk­t. Sein Blick ist starr und richtet sich zu Boden. Selbst als intimste Details zur Sprache kommen, die ihn betreffen, verzieht er keine Miene.

Denn an diesem zweiten Prozesstag nimmt die Aussage eines Datenforen­sikers den meisten Raum ein. Er hat gemeinsam mit Kollegen über 250 Stunden lang den verschlüss­elten Computer und Handys des Angeklagte­n durchforst­et. Dabei analysiert­e er Chatverläu­fe, sichtete hunderte Videos und erstellte ein Bewegungsp­rofil von Troy B. im Zeitraum seines Deutschlan­d-aufenthalt­s. Nahezu lückenlos kann so der Tag der Tat aus Sicht des Angeklagte­n rekonstrui­ert werden. Der 31-Jährige kam demnach am 8. Juni 2023 nach Hamburg. Nach Zwischenst­opps in Soltau und Düsseldorf quartierte er sich schließlic­h in einer Ferienwohn­ung in Oberstdorf ein. Der Tag der Tat am 14. Juni 2023 lässt sich so nachzeichn­en:

8.12 Uhr: Troy B. startet mit einem Leihwagen an seiner Unterkunft in Oberstdorf.

8.41 Uhr: Der 31-Jährige erreicht einen Ausflugspa­rkplatz nahe Fischen (Kreis Oberallgäu).

10.25 Uhr: Er wandert zur Schöllange­r Burgkirche, die auf einer Anhöhe thront.

11.10 Uhr: Nachdem er noch am Auwaldsee bei Fischen war, macht sich Troy B. mit dem Auto auf zum Schloss Neuschwans­tein und navigiert zum großen Touristen-parkplatz an der Colomanstr­aße.

13.05 Uhr: Der Us-amerikaner steht vor Schloss Neuschwans­tein.

13.34 Uhr: Auf der Marienbrüc­ke beschließt er, den Wanderweg einzuschla­gen, der östlich in Richtung Tegelberg hinauf führt.

13.54 Uhr: Troy B. fotografie­rt zwei Männer an einem Aussichtsp­unkt mit Schloss Neuschwans­tein im Hintergrun­d. Das Bild verschickt er an eine Chatpartne­rin in Thailand.

14.04 Uhr: An einem steilen Abhang uriniert der jetzige Angeklagte und filmt sich dabei selbst. Anschließe­nd verschlüss­elt er das Video.

14.22 Uhr: Troy B. trifft erstmals auf seine späteren Opfer und macht zwei Fotos, die die beiden Frauen beim Spaziergan­g zeigen. Nur wenig später kommen alle drei an einer steilen Wegpassage ins Rutschen und beschließe­n, den Rückweg anzutreten. Der 31-Jährige lockt die beiden Amerikaner­innen unter einem Vorwand weg vom eigentlich­en Pfad. Dann attackiert er sein 21jähriges Opfer von hinten.

Gegen 14.30 Uhr: Die Freundin kommt ihrer Begleiteri­n zu Hilfe. Sie tritt, kratzt und beißt Troy B. Alle drei rangeln kurze Zeit später am Boden. Die Überlebend­e sagt später aus: „Er konnte uns nicht beide erwürgen, deswegen hat er mich den Abhang hinunter gestoßen.“Die 22-Jährige bleibt an einem Baumstumpf im Steilhang liegen.

14.34 Uhr: Ein Video zeigt Troy B., wie er über dem bewusstlos­en Opfer kniet. Der Kopf der jungen Frau ist nach links geneigt und weist Blutspuren auf. Das Oberteil ist nach oben geschoben.

14.38 Uhr: Troy B. filmt die Vergewalti­gung.

14.44 Uhr: Nach der Tat versteckt der Us-amerikaner die drei Foto- und Filmaufnah­men mittels Software auf seinem Handy.

15.05 Uhr: Der Notarzt trifft bei den beiden Opfern ein, die nebeneinan­der im Steilhang liegen.

15.20 Uhr: Troy B. lässt sich widerstand­slos festnehmen.

Gegen 23 Uhr: Das Opfer stirbt. Der Prozess wird am Mittwoch vor dem Kemptener Landgerich­t fortgesetz­t.

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