Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Die Natur wird siegen“

Unterwegs im Rotmoos bei Isny mit dem Biberbeauf­tragten Erhard Bolender

- Von Michael Panzram

- Der Biber breitet sich auch auf Isnyer Gemarkung immer weiter aus. Für den Biberbeauf­tragen Erhard Bolender heißt das zwar viel Arbeit, von Abschüssen wie jüngst im Alb-donau-kreis hält er aber nicht viel. „Die Natur wird siegen“, ist er sich sicher.

Plötzlich geht es nicht mehr trockenen Fußes weiter. Als Erhard Bolender den Feldweg im Rotmoos entlang geht, ist schon aus der Ferne zu sehen, dass dort eine Stelle kommt, die überflutet ist. Unaufgereg­t nähert sich der Biberbeauf­tragte – einer von mehreren im Landkreis Ravensburg – dem Bereich, der für Fußgänger ein echtes Hindernis darstellt. Da helfen auch ein paar dickere Äste nicht viel, die in die vom Wasser bedeckten Stellen gelegt worden sind, um sie womöglich auch ohne Gummistief­el überwinden zu können. Wer hier mit normalen Schuhwerk durch will, bekommt vermutlich nasse Füße.

Erhard Bolender kennt das – den Einfluss, den der hochgradig geschützte Biber hat. Schon lange und nur zu gut. Seit 15 Jahren macht er das als Biberbeauf­tragter schon, vielleicht sind es auch schon 20 Jahre, so genau weiß er das gerade gar nicht. Jedenfalls schon lange genug, um einen sehr guten Überblick darüber zu haben, wie sich der Biber immer weiter ausgebreit­et hat. Als er anfing, erzählt Bolender, habe es im Landkreis zwei Biber gegeben. Eingewande­rt vermutlich aus Bayern, nachdem er hier zuvor lange ausgestorb­en war. Heute gebe es vermutlich etwa 1800 Tiere in 400 Revieren im ganzen Landkreis Ravensburg, sagt Bolender. Weil das gar nicht anders gehen würde, teilt er sich die Aufgabe als Biberbeauf­tragter mit einigen anderen Experten. Bolenders Gebiet geht ungefähr bis Vogt.

Nach und nach hätten sich die Biber ihre Reviere erschlosse­n, erzählt er. Überall dort, wo es Wasser gibt, hätten sich die Tiere niedergela­ssen. Mit der ansteigend­en Population hätten die Einflüsse auf – und damit der Ärger für – den Menschen immer mehr zugenommen. Besonders beeinf lusst seien die Landwirtsc­haft – den Bauern überschwem­me der Biber die Nutzfläche­n – und die Forstwirts­chaft. Wo der Untergrund sumpfig ist, kann nur schwer oder gar nicht gearbeitet werden. Ebenfalls betroffen sei der Tourismus. Wenn die Naherholun­g an einem überf luteten Feldweg ende, sei Ärger programmie­rt – und der Anruf bei jemandem, der verantwort­lich ist, also auch beim Biberbeauf­tragten Bolender, nicht weit.

Auf Isnyer Gemarkung leben im Moment etwa 90 Biber in 15 Revieren, schätzt der Biberbeauf­tragte. Genau sagen kann er es zwar nicht, aber jedem Revier werden standardmä­ßig sechs Tiere zugeordnet. Zuerst habe es Spuren im Taufach- und Fetzachmoo­s beziehungs­weise den Urseen gegeben, danach am Badsee, im Rotmoos, an der Ach in Isny, am Springerwe­iher, im Kurpark und am Baggersee in Burkwang. „Der Biber sitzt in allen Gewässern

drin“, sagt Bolender. Gesehen hat er natürlich auch schon ein paar der dämmerungs- und nachtaktiv­en Exemplare. Wenn nicht live vor Ort, dann über Kameras, die er hier und dort mal aufgestell­t hat.

Je mehr Tiere es waren, desto größer wurden nicht nur in Isny die Konf likte mit dem Lebensraum der Menschen. Aber richtig aufzuhalte­n waren die Biber nicht. Gejagt werden durften sie – wegen des europaweit ausgesproc­henen Schutzes – grundsätzl­ich nicht, aber immerhin in ihrem Wirkungsfe­ld eingeschrä­nkt. Immer wieder etwa wurden Dämme rund um Isny zurückgeba­ut, auf eine Höhe, die den Abfluss des Wassers noch möglich machten, aber den Lebensraum der Tiere nicht zerstörten. Oder es wurden Biberbaute­n so manipulier­t, dass der Durchfluss dauerhaft garantiert war – mit Plastikroh­ren, die durch den Damm führen. Der Aufwand sei aber sehr groß, sagt Bolender. Dazu brauche es viel Zeit und helfende Hände.

Von letalen Entnahmen, also Abschüssen, von denen es jüngst auch die ersten zwei in Badenwürtt­emberg gegeben hat, hält Bolender trotz der Zumutungen nur bedingt etwas. Das sei sowieso eine Frage, die übergeordn­ete Behörden klären müssten. Zudem nutze die einmalige Jagd auf einen Biber wenig. Das Revier würde zügig von einem anderen Tier besetzt werden, ist sich Bolender

sicher. Und dann ginge das Problem von vorne los. Abschüsse müssten also, wenn überhaupt, dauerhaft in einem bestimmten Gebiet erfolgen.

Der Biberbeauf­tragte aus Isny verweist lieber auf den Wert eines jeden einzelnen Tieres für das Ökosystem. Zudem rät er zu „mehr Gelassenhe­it“und zu kreativen Ideen. Wo etwa ein Feldweg überf lutet sei, könnte ein kleiner

Steg abhelfen. Das dürfte in touristisc­her Hinsicht sogar reizvoll sein, glaubt Bolender. Noch einfacher wäre, die betroffene­n Stellen mit Kies aufzufülle­n. Und bei Bäumen, die vor dem Biberbiss geschützt werden sollten, helfe eine Drahtrolle, wie etwa im Bremerweih­er im Kurpark praktizier­t. Dort sind die betreffend­en Stämme im unteren Bereich umwickelt.

 ?? FOTO: MICHAEL PANZRAM ?? Erhard Bolender betrachtet im Rotmoos, wo der Biber überall seine Spuren hinterlass­en hat. Der kleine Bach vor ihm führt zu einem Damm im Unterholz. Der Weg und die Wiese im Hintergrun­d sind durch das aufgestaut­e Wasser teilweise überspült.
FOTO: MICHAEL PANZRAM Erhard Bolender betrachtet im Rotmoos, wo der Biber überall seine Spuren hinterlass­en hat. Der kleine Bach vor ihm führt zu einem Damm im Unterholz. Der Weg und die Wiese im Hintergrun­d sind durch das aufgestaut­e Wasser teilweise überspült.
 ?? FOTO: MICHAEL PANZRAM ?? Erhard Bolender kontrollie­rt einen sogenannte­n manipulier­ten Biberdamm, in den ein Abflussroh­r eingebaut worden ist.
FOTO: MICHAEL PANZRAM Erhard Bolender kontrollie­rt einen sogenannte­n manipulier­ten Biberdamm, in den ein Abflussroh­r eingebaut worden ist.

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