„Die Natur wird siegen“
Unterwegs im Rotmoos bei Isny mit dem Biberbeauftragten Erhard Bolender
- Der Biber breitet sich auch auf Isnyer Gemarkung immer weiter aus. Für den Biberbeauftragen Erhard Bolender heißt das zwar viel Arbeit, von Abschüssen wie jüngst im Alb-donau-kreis hält er aber nicht viel. „Die Natur wird siegen“, ist er sich sicher.
Plötzlich geht es nicht mehr trockenen Fußes weiter. Als Erhard Bolender den Feldweg im Rotmoos entlang geht, ist schon aus der Ferne zu sehen, dass dort eine Stelle kommt, die überflutet ist. Unaufgeregt nähert sich der Biberbeauftragte – einer von mehreren im Landkreis Ravensburg – dem Bereich, der für Fußgänger ein echtes Hindernis darstellt. Da helfen auch ein paar dickere Äste nicht viel, die in die vom Wasser bedeckten Stellen gelegt worden sind, um sie womöglich auch ohne Gummistiefel überwinden zu können. Wer hier mit normalen Schuhwerk durch will, bekommt vermutlich nasse Füße.
Erhard Bolender kennt das – den Einfluss, den der hochgradig geschützte Biber hat. Schon lange und nur zu gut. Seit 15 Jahren macht er das als Biberbeauftragter schon, vielleicht sind es auch schon 20 Jahre, so genau weiß er das gerade gar nicht. Jedenfalls schon lange genug, um einen sehr guten Überblick darüber zu haben, wie sich der Biber immer weiter ausgebreitet hat. Als er anfing, erzählt Bolender, habe es im Landkreis zwei Biber gegeben. Eingewandert vermutlich aus Bayern, nachdem er hier zuvor lange ausgestorben war. Heute gebe es vermutlich etwa 1800 Tiere in 400 Revieren im ganzen Landkreis Ravensburg, sagt Bolender. Weil das gar nicht anders gehen würde, teilt er sich die Aufgabe als Biberbeauftragter mit einigen anderen Experten. Bolenders Gebiet geht ungefähr bis Vogt.
Nach und nach hätten sich die Biber ihre Reviere erschlossen, erzählt er. Überall dort, wo es Wasser gibt, hätten sich die Tiere niedergelassen. Mit der ansteigenden Population hätten die Einflüsse auf – und damit der Ärger für – den Menschen immer mehr zugenommen. Besonders beeinf lusst seien die Landwirtschaft – den Bauern überschwemme der Biber die Nutzflächen – und die Forstwirtschaft. Wo der Untergrund sumpfig ist, kann nur schwer oder gar nicht gearbeitet werden. Ebenfalls betroffen sei der Tourismus. Wenn die Naherholung an einem überf luteten Feldweg ende, sei Ärger programmiert – und der Anruf bei jemandem, der verantwortlich ist, also auch beim Biberbeauftragten Bolender, nicht weit.
Auf Isnyer Gemarkung leben im Moment etwa 90 Biber in 15 Revieren, schätzt der Biberbeauftragte. Genau sagen kann er es zwar nicht, aber jedem Revier werden standardmäßig sechs Tiere zugeordnet. Zuerst habe es Spuren im Taufach- und Fetzachmoos beziehungsweise den Urseen gegeben, danach am Badsee, im Rotmoos, an der Ach in Isny, am Springerweiher, im Kurpark und am Baggersee in Burkwang. „Der Biber sitzt in allen Gewässern
drin“, sagt Bolender. Gesehen hat er natürlich auch schon ein paar der dämmerungs- und nachtaktiven Exemplare. Wenn nicht live vor Ort, dann über Kameras, die er hier und dort mal aufgestellt hat.
Je mehr Tiere es waren, desto größer wurden nicht nur in Isny die Konf likte mit dem Lebensraum der Menschen. Aber richtig aufzuhalten waren die Biber nicht. Gejagt werden durften sie – wegen des europaweit ausgesprochenen Schutzes – grundsätzlich nicht, aber immerhin in ihrem Wirkungsfeld eingeschränkt. Immer wieder etwa wurden Dämme rund um Isny zurückgebaut, auf eine Höhe, die den Abfluss des Wassers noch möglich machten, aber den Lebensraum der Tiere nicht zerstörten. Oder es wurden Biberbauten so manipuliert, dass der Durchfluss dauerhaft garantiert war – mit Plastikrohren, die durch den Damm führen. Der Aufwand sei aber sehr groß, sagt Bolender. Dazu brauche es viel Zeit und helfende Hände.
Von letalen Entnahmen, also Abschüssen, von denen es jüngst auch die ersten zwei in Badenwürttemberg gegeben hat, hält Bolender trotz der Zumutungen nur bedingt etwas. Das sei sowieso eine Frage, die übergeordnete Behörden klären müssten. Zudem nutze die einmalige Jagd auf einen Biber wenig. Das Revier würde zügig von einem anderen Tier besetzt werden, ist sich Bolender
sicher. Und dann ginge das Problem von vorne los. Abschüsse müssten also, wenn überhaupt, dauerhaft in einem bestimmten Gebiet erfolgen.
Der Biberbeauftragte aus Isny verweist lieber auf den Wert eines jeden einzelnen Tieres für das Ökosystem. Zudem rät er zu „mehr Gelassenheit“und zu kreativen Ideen. Wo etwa ein Feldweg überf lutet sei, könnte ein kleiner
Steg abhelfen. Das dürfte in touristischer Hinsicht sogar reizvoll sein, glaubt Bolender. Noch einfacher wäre, die betroffenen Stellen mit Kies aufzufüllen. Und bei Bäumen, die vor dem Biberbiss geschützt werden sollten, helfe eine Drahtrolle, wie etwa im Bremerweiher im Kurpark praktiziert. Dort sind die betreffenden Stämme im unteren Bereich umwickelt.