Ein Großer der Schiri-gruppe Wangen nimmt seinen Hut
Thomas Miller verabschiedet sich nach 21 Jahren im Schiedsrichter-ausschuss und wird zum Ehrenmitglied ernannt
- 1995 hat Thomas Miller vom FC Lindenberg seine Schiedsrichterprüfung abgelegt. 2003 wurde er von Obmann Josef Ringer in den Ausschuss der Schiedsrichtergruppe berufen. 18 Jahre lang war Miller auch stellvertretender Obmann – nun tritt er aus beruf lichen und familiären Gründen ab. Was sich in den knapp 30 Jahren als Schiedsrichter sonst noch verändert hat, erzählt er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Eine Woche, nachdem Thomas Miller seine Prüfung bestanden hatte, kamen die heutigen Bayernund Nationalspieler Leon Goretzka und Joshua Kimmich zur Welt. Borussia Dortmund holte sich mit einem Punkt Vorsprung vor Werder Bremen die Meisterschaft. Berti Vogts trainierte die deutsche Fußball-nationalmannschaft. Und Lutz Wagner, noch heute Leitender Koordinator des DFB für Regelauslegung und Dfblehrwart, feierte in der Saison 94/ 95 sein Schiedsrichter-debüt in der Ersten Fußball-bundesliga. Jener Lutz Wagner war auch im November 2021 mit dabei, als die Schiedsrichtergruppe Wangen ihr 75-jähriges Bestehen feierte. Damals erhielt Thomas Miller die Schiedsrichter-verbandsehrennadel in Silber. 26 Jahre nach Beginn seiner Schiedsrichterlaufbahn.
2020 hat Miller sein letztes Spiel gepfiffen. Beim Württembergischen Fußballverband (wfv) hat er weitergemacht. Öffentlichkeitsarbeit, Protokollführer, Organisation und Durchführung der Schiedsrichterneulingskurse, Leiter der Jungschiedsrichtergruppe, hauptverantwortlich für
das Beantragen der wfv-ehrungen, stellvertretender Obmann, Mitglied im Bezirksschiedsrichterausschuss – es sind viele Funktionen, die Miller im Laufe der Jahre ausgeübt hat. „Es war immer Spaß und Freude dabei“, sagt der heute 46-Jährige. Dennoch: Als Event-koordinator ist der Lindenberger beruflich gefordert. Und dann ist da noch die siebenjährige Tochter, mit der Miller mehr Zeit verbringen möchte.
Hat sich denn das Schiedsrichterwesen geändert? „Getränkebecher und Steine sind mir schon im ersten Drittel meiner Laufbahn nachgeflogen, aber getroffen haben sie mich nie“, sagt Miller. Seiner Meinung nach war auch früher schon ein gewisses Gewaltpotenzial vorhanden, gab es üble
Zurufe und Beleidigungen: „Allerdings sinkt heute die Hemmschwelle, es wird es schlimmer und aggressiver.“Dabei bewege man sich hierzulande noch auf einer „Insel der Glückseligen“: „Viel, viel schlimmer ist es in manchen anderen Landesverbänden.“Hauptsächlich seien es meist Eltern, die abgehalten werden müssen, aber auch auf den Bänken hat sich manches verändert: „Es gibt immer mehr Betreuer anstelle von Trainern an den Seitenlinien. Spezielle Schulungen will heute kaum noch jemand machen und Zeit für die Ausbildung aufwenden.“
Viele Vereine seien froh, wenn sie für dieses Ehrenamt überhaupt noch geeignete Personen finden. Hinzu komme, dass sich
Millers Meinung nach auch die Menschen verändert haben – nicht nur im Fußball. Schwieriger geworden sei es auch, Nachwuchs zu generieren: „Es gibt heute ein Überangebot an Freizeitaktivitäten, andere Schulzeiten und vom Musikverein bis zur Feuerwehr mehr Gruppierungen, die sich um die jungen Menschen bemühen. So etwas wie Straßenfußballer gibt es praktisch gar nicht mehr – auch, weil immer weniger öffentliche Bolzplätze vorhanden sind.“
Reagiert hat auch der wfv bei der Ausbildung der Jungschiedsrichter. Miller: „Früher wurde ein neu ausgebildeter Schiedsrichter oft ins kalte Wasser geworfen und ihm gesagt: Schwimm!“Heute gebe es Patenschaften mit erfahreneren Unparteiischen, intensivere Beziehungen und es laufen mehr Spiele in „betreuter Form“: „Wir als betreuende Schiedsrichter sind auch für die äußeren Einf lüsse zuständig, nehmen auch mal die Trainer auf die Seite und führen beschwichtigende Gespräche. Da kann und will man vonseiten des wfv auch noch viel mehr machen.“Vermieden werden soll in jedem Fall, dass Jungschiris in den ersten paar Spielen „verheizt“werden und gleich wieder auf hören: „Bedenken müssen auch immer alle, dass die Schiedsrichterei ein Hobby ist und der Anreiz Spaß heißt.“
Für Thomas Miller stand das Positive immer im Vordergrund. „Vorgeschädigt“war und ist er durch seinen Bruder Markus, dem einstigen Torhüter des VFB Stuttgart und KSC und heutigen Torwarttrainer des Karlsruher SC und der deutschen U15-nationalmannschaft: „Er hatte seinen, ich meinen Bereich.“Im Westallgäu gebe es keinen Sportplatz, den er nicht gesehen habe und kenne: „Ich bin aber auch überall nett und freundlich empfangen worden, bin nie im Bösen irgendwo weggegangen.“
829 Spiele hat Miller auf seinem Konto, davon mehr als 350 als Schiedsrichter-assistent. Rund 250 Jungschiedsrichter hat er ausgebildet. Ihnen hat Miller vermutlich auch mitgegeben, was er in seiner Karriere gelernt hat: „Mit einem Lächeln kann man manches überspielen.“Dass es nun doch schon ein paar Jährchen sind, die Miller miterlebt hat, machte er bei seiner Erklärung nach der Ehrenmitgliedschaft deutlich: „Ich kenne noch die Spieleeinteilung per Postkarte.“