Staunen über kuriose Dachbodenfunde
Die neuen Besitzer des Bräuhauses in Roßberg tauchen tief in die Geschichte ein
- Inflationsgeld, Feldpost aus dem Krieg und sogar ein altes Fahrrad: Die neuen Besitzer des Bräuhauses in Roßberg bei Wolfegg haben auf dem Dachboden viele alte Sachen gefunden, die einen historischen Wert haben. Ein paar davon sind bereits in Vitrinen ausgestellt, weitere sollen folgen. Immer wieder erkennen Gäste in den Dokumenten und auf Fotos ein Stück der Familienoder Dorfgeschichte.
„Dass wir solche Schätze finden, hätten wir nicht gedacht“, sagt Anna Sonntag. Zusammen mit ihrem Mann Stefan hat sie den mehr als 400 Jahre alten „Gasthof zum Bräuhaus“in Roßberg gekauft, renoviert und wiedereröffnet. Zuvor stand das Gebäude einige Jahre leer, nachdem der letzte Pächter gegangen war.
Zu dem Gasthof gehört auch ein zweistöckiger Dachboden. Steigt man über eine ausklappbare, schmale Treppe hinauf, stößt man in der Dunkelheit zwischen massiven Holzbalken immer noch auf Kisten, Kartons und Stapel mit allerlei Zeugnissen der Vergangenheit.
Viele dieser „Schätze“hat Anna Sonntag bereits geborgen, gereinigt und hinuntergebracht in die Gaststube oder den Hausflur, wo bereits viele Fotos, Briefe und Urkunden aufgehängt oder in Vitrinen ausgestellt sind. „Immer wieder gibt es Reaktionen von Gästen, die auf den alten Fotos jemanden erkennen oder sich an Anekdoten aus der damaligen Zeit erinnern“, berichtet sie.
Die Geschichte des Bräuhauses in Roßberg reicht weit zurück. Und so erzählen auch die Dachboden-funde aus längst vergangenen Zeiten. So findet sich zum Beispiel ein Schreiben der „deutschen Edelbranntweinstelle“aus dem Jahr 1938, das eine Konzession für den Alkoholausschank beinhaltet. Im „Fremdenbuch“ist festgehalten, wer in den Gästezimmern des Gasthofs nächtigte – in akkurater Handschrift sind alle Reisenden aufgelistet, die Eintragungen im „Fremdenbuch“reichen zurück bis ins Jahr 1910.
In weiteren Dokumenten sind die Bierlieferungen der einstigen Roßberger Brauerei verzeichnet,
viele Lieferungen gingen demnach an das „Depot“in Wangen. Außerdem geht aus den historischen Papieren hervor, dass die damalige Brauerei einen 6000-Litersudkessel besaß. „Ziemlich groß“, wie der Heimatforscher Paul Sägmüller aus Bergatreute sagt, der die Dokumente gesichtet hat. Gasthäuser hätten damals normalerweise Sudkessel von 1500 bis 2000 Litern Fassungsvermögen besessen. Die Brauerei in Roßberg wurde im Jahr 1922 aufgegeben.
Viele persönliche Erinnerungen verbindet Sieglinde Nold mit den Dachbodenfunden. Die 86Jährige ist die vorige Besitzerin des Gasthofs, wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft und ist regelmäßig zu Besuch im Bräuhaus. Wenn Anna Sonntag eine
Frage zur Geschichte hat, bittet sie Sieglinde Nold um Unterstützung. Und so sitzen die beiden Frauen an einem Tisch in der Gaststube und rollen zusammen ein Bündel aus, das Anna Sonntag in einer der vielen Kisten gefunden hat.
Das Bündel ist innen mit weichem Stoff bezogen, in kleinen Stofftaschen stecken Messer und Gabeln. Außen ist die Rolle bestickt, unter anderem mit den Initialen „RN“. Diese Buchstaben stehen für den Namen Rosa Nold, erklärt Sieglinde Nold. Rosa Nold war ihre Schwiegermutter. In solchen Bündeln – Besteckrollen genannt – habe man einst das Besteck des Gasthofs aufbewahrt, sagt Sieglinde Nold. Auf den Messern und Gabeln ist der Name der
Firma Rach aus Waldsee eingraviert. „Dort hat man damals eingekauft“, erinnert sich Sieglinde Nold.
Und auch den Inhalt eines kleinen Beutels kann die 86-Jährige erklären: In dem Beutel befinden sich verschiedene Marken, die aussehen wie Geldstücke, aber aus leichterem Material bestehen. Mit diesen Pfandmarken hätten die Bedienungen früher die Getränkebestellungen der Gäste an das Thekenpersonal weitergegeben, sagt Sieglinde Nold, die selbst viele Jahre im Gasthof gearbeitet hat. Vier in Farbe und Form unterschiedliche Marken standen für verschiedene Getränke, wie zum Beispiel Bier oder Schorle. „Später hat man die Bestellungen dann aufgeschrieben und hat
diese Marken nicht mehr benutzt.“Einer der ungewöhnlichsten Dachbodenfunde ist eine Tischkegelbahn aus Holz. Mittels Federn lassen sich kleine Metallkugeln abschießen, die auf kleine Holzkegel zurollen und diese im Idealfall umkegeln. Durch ein Loch fallen die Kugeln nach unten und werden über eine schräge Holzbahn wieder zurück ans andere Ende der Tischkegelbahn befördert.
„Ob das ein Spielzeug für Kinder war, oder ob es auch die Erwachsenen gespielt haben, konnten wir noch nicht herausfinden“, sagt Anna Sonntag. „Aber wir wollen die Tischkegelbahn auf jeden Fall nachbauen und unseren Gästen zum Spielen zur Verfügung stellen.“