Schwäbische Zeitung (Wangen)

Staunen über kuriose Dachbodenf­unde

Die neuen Besitzer des Bräuhauses in Roßberg tauchen tief in die Geschichte ein

- Von Katrin Neef

- Inflations­geld, Feldpost aus dem Krieg und sogar ein altes Fahrrad: Die neuen Besitzer des Bräuhauses in Roßberg bei Wolfegg haben auf dem Dachboden viele alte Sachen gefunden, die einen historisch­en Wert haben. Ein paar davon sind bereits in Vitrinen ausgestell­t, weitere sollen folgen. Immer wieder erkennen Gäste in den Dokumenten und auf Fotos ein Stück der Familienod­er Dorfgeschi­chte.

„Dass wir solche Schätze finden, hätten wir nicht gedacht“, sagt Anna Sonntag. Zusammen mit ihrem Mann Stefan hat sie den mehr als 400 Jahre alten „Gasthof zum Bräuhaus“in Roßberg gekauft, renoviert und wiedereröf­fnet. Zuvor stand das Gebäude einige Jahre leer, nachdem der letzte Pächter gegangen war.

Zu dem Gasthof gehört auch ein zweistöcki­ger Dachboden. Steigt man über eine ausklappba­re, schmale Treppe hinauf, stößt man in der Dunkelheit zwischen massiven Holzbalken immer noch auf Kisten, Kartons und Stapel mit allerlei Zeugnissen der Vergangenh­eit.

Viele dieser „Schätze“hat Anna Sonntag bereits geborgen, gereinigt und hinunterge­bracht in die Gaststube oder den Hausflur, wo bereits viele Fotos, Briefe und Urkunden aufgehängt oder in Vitrinen ausgestell­t sind. „Immer wieder gibt es Reaktionen von Gästen, die auf den alten Fotos jemanden erkennen oder sich an Anekdoten aus der damaligen Zeit erinnern“, berichtet sie.

Die Geschichte des Bräuhauses in Roßberg reicht weit zurück. Und so erzählen auch die Dachboden-funde aus längst vergangene­n Zeiten. So findet sich zum Beispiel ein Schreiben der „deutschen Edelbrannt­weinstelle“aus dem Jahr 1938, das eine Konzession für den Alkoholaus­schank beinhaltet. Im „Fremdenbuc­h“ist festgehalt­en, wer in den Gästezimme­rn des Gasthofs nächtigte – in akkurater Handschrif­t sind alle Reisenden aufgeliste­t, die Eintragung­en im „Fremdenbuc­h“reichen zurück bis ins Jahr 1910.

In weiteren Dokumenten sind die Bierliefer­ungen der einstigen Roßberger Brauerei verzeichne­t,

viele Lieferunge­n gingen demnach an das „Depot“in Wangen. Außerdem geht aus den historisch­en Papieren hervor, dass die damalige Brauerei einen 6000-Litersudke­ssel besaß. „Ziemlich groß“, wie der Heimatfors­cher Paul Sägmüller aus Bergatreut­e sagt, der die Dokumente gesichtet hat. Gasthäuser hätten damals normalerwe­ise Sudkessel von 1500 bis 2000 Litern Fassungsve­rmögen besessen. Die Brauerei in Roßberg wurde im Jahr 1922 aufgegeben.

Viele persönlich­e Erinnerung­en verbindet Sieglinde Nold mit den Dachbodenf­unden. Die 86Jährige ist die vorige Besitzerin des Gasthofs, wohnt in unmittelba­rer Nachbarsch­aft und ist regelmäßig zu Besuch im Bräuhaus. Wenn Anna Sonntag eine

Frage zur Geschichte hat, bittet sie Sieglinde Nold um Unterstütz­ung. Und so sitzen die beiden Frauen an einem Tisch in der Gaststube und rollen zusammen ein Bündel aus, das Anna Sonntag in einer der vielen Kisten gefunden hat.

Das Bündel ist innen mit weichem Stoff bezogen, in kleinen Stofftasch­en stecken Messer und Gabeln. Außen ist die Rolle bestickt, unter anderem mit den Initialen „RN“. Diese Buchstaben stehen für den Namen Rosa Nold, erklärt Sieglinde Nold. Rosa Nold war ihre Schwiegerm­utter. In solchen Bündeln – Besteckrol­len genannt – habe man einst das Besteck des Gasthofs aufbewahrt, sagt Sieglinde Nold. Auf den Messern und Gabeln ist der Name der

Firma Rach aus Waldsee eingravier­t. „Dort hat man damals eingekauft“, erinnert sich Sieglinde Nold.

Und auch den Inhalt eines kleinen Beutels kann die 86-Jährige erklären: In dem Beutel befinden sich verschiede­ne Marken, die aussehen wie Geldstücke, aber aus leichterem Material bestehen. Mit diesen Pfandmarke­n hätten die Bedienunge­n früher die Getränkebe­stellungen der Gäste an das Thekenpers­onal weitergege­ben, sagt Sieglinde Nold, die selbst viele Jahre im Gasthof gearbeitet hat. Vier in Farbe und Form unterschie­dliche Marken standen für verschiede­ne Getränke, wie zum Beispiel Bier oder Schorle. „Später hat man die Bestellung­en dann aufgeschri­eben und hat

diese Marken nicht mehr benutzt.“Einer der ungewöhnli­chsten Dachbodenf­unde ist eine Tischkegel­bahn aus Holz. Mittels Federn lassen sich kleine Metallkuge­ln abschießen, die auf kleine Holzkegel zurollen und diese im Idealfall umkegeln. Durch ein Loch fallen die Kugeln nach unten und werden über eine schräge Holzbahn wieder zurück ans andere Ende der Tischkegel­bahn befördert.

„Ob das ein Spielzeug für Kinder war, oder ob es auch die Erwachsene­n gespielt haben, konnten wir noch nicht herausfind­en“, sagt Anna Sonntag. „Aber wir wollen die Tischkegel­bahn auf jeden Fall nachbauen und unseren Gästen zum Spielen zur Verfügung stellen.“

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FOTOS: KATRIN NEEF Auf dem Dachboden des Bräuhauses lagern viele alte Schätze. Die 86-jährige Sieglinde Nold, vorige Besitzerin des Gasthofs, erklärt Anna Sonntag, was es mit der „Besteckrol­le“auf sich hatte.

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