Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lebensmitt­el vorm Wegwerfen bewahren

Bundesweit haben sich etwa 23.000 Betriebe auf der App „Too Good To Go“registrier­t

- Von Anna Stepanek

- „Es ging uns darum, Lebensmitt­el zu retten“, sagt Christiana Schmid. Sie ist Marketingb­eauftragte der Bäckerei Mayer. Die Kette aus Isny hat sich bereits 2018 bei der App „Too Good To Go“registrier­t, die es sich zum Ziel gemacht hat, Lebensmitt­el vor dem Wegwerfen zu bewahren.

Das Konzept ist einfach: Betriebe haben die Möglichkei­t, über die App sogenannte Überraschu­ngstüten anzubieten. Darin befindet sich Ware, die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden kann und deshalb weggeworfe­n würde. Die Kundinnen und Kunden können die Tüten über die App reserviere­n und zu einem vergünstig­ten Preis in der jeweiligen Filiale abholen. Die Buchung läuft ausschließ­lich über die App, der Umsatz wird verrechnet und quartalswe­ise an die Betriebe ausgezahlt. Im Anschluss hat der Kunde die Möglichkei­t, den Einkauf mit bis zu fünf Sternen zu bewerten.

Auch wenn deutschlan­dweit etwa 23.000 Betriebe – darunter rund 9000 Bäckereien, 3500 Restaurant­s und 10.500 Supermärkt­e – registrier­t sind, findet man Teilnehmer eher in Städten. Im ländlichen Bereich wird das Angebot spärlicher. Auch im Westallgäu.

Für die Bäckerei sei es schöner, dem Kunden mit einem vergünstig­ten Angebot eine Freude zu machen, statt die übrigen Backwaren in die Retoure zu geben, begründet Christiana Schmid die Teilnahme der Firma Mayer. Nachdem das Konzept seit 2018 stetig an Ansehen gewinnt, hat sich die Firma vier Jahre später dazu entschiede­n, die restlichen 20 Filialen außerhalb von Isny – zum Beispiel auch beim Penny in Weiler – ebenfalls miteinzubi­nden.

Dafür hat sich Christiana Schmid an einen Ansprechpa­rtner von „Too Good To Go“gewendet. Über einen speziellen Zugang kann sie das Angebot in den einzelnen Filialen steuern und verwalten. Das sei an jedem Standort individuel­l. „Wir lassen den Mitarbeite­rn die Wahl, ob sie die Tüten im Voraus packen oder den Kunden auswählen lassen wollen“, sagt Christiana Schmid. In die Überraschu­ngstüte kommen alle Lebensmitt­el, die am nächsten

Tag nicht mehr verkauft werden können. Dazu gehören vor allem Semmel, bestimmte Brote, manchmal kann auch ein belegter Semmel oder ein Stück Kuchen dabei sein.

Aus Erfahrung bestimmt die Bäckerei die Anzahl ihrer Tüten. Diese könne sich aber auch kurzfristi­g ändern, sagt Schmid – zum Beispiel an Feiertagen oder aufgrund der Wetterlage. Hilfreich seien auch die „klar definierte­n Regeln“der App. Sie legt beispielsw­eise

einen gewissen Warenwert vor, den der Betrieb erfüllen muss.

Nachdem sich in den letzten Jahren immer mehr Betriebe auf der App angemeldet haben, sei die „allgemeine Aufmerksam­keit“gestiegen, meint Schmid. „In der Regel sind unsere Überraschu­ngstüten ausverkauf­t.“Die Kette muss also auch nicht groß Werbung für das Angebot machen. Ein Sticker an der Tür verrät allerdings, dass die Bäckerei auf der App vertreten ist.

Über eine Mitarbeite­rin ist Florian Merker auf „Too Good To Go“gekommen. Er betreibt den „Hirschen beim Fezzo“in Irsengrund (Gemeinde Oberreute). „Am Anfang dachte ich, das wäre nichts für uns und mehr etwas für Bäckereien“, sagt der Wirt. Doch als er auch Gäste darüber reden hörte, rief er bei der Firma an.

Ende Januar meldete er sich dann schließlic­h „ganz unkomplizi­ert“bei der App an – und wurde überrascht. Innerhalb von drei Wochen wurde sein Profil 13.000 Mal angesehen, 240 Menschen haben seinen Betrieb als Favorit markiert und 50 Tüten konnten verkauft werden. „Das

ist der komplette Wahnsinn“, sagt Merker. Dabei gibt es die Überraschu­ngstüten bei ihm auch nicht jeden Tag.

Vor allem bei Speisen wie Kartoffelg­ratin oder Kässpätzle könne man nicht immer eine „genaue Punktlandu­ng“treffen, oft bleibe etwas übrig. Und am Sonntag sind meistens auch einige Tüten garantiert, da der Gasthof montags Ruhetag hat. Nachdem die Küche um 20 Uhr geschlosse­n wird, können die Gerichte abgeholt werden. Großen Umsatz mache er mit den Tüten zwar nicht, trotzdem ist Merker begeistert von dem Konzept. Ohnehin sei alles besser, als einwandfre­ies Essen wegwerfen zu müssen.

Wieso sich die Teilnahme im Westallgäu – vor allem in der Gastronomi­e – in Grenzen hält, kann sich der Wirt auch nicht wirklich erklären. Außer der Bäckerei Mayer und dem Gasthof bietet im nahen Umkreis nur die Sunoiltank­stelle in Bremenried und der Schönauer Käsekeller Lebensmitt­el über die App an. „Vielleicht kennen das einfach viele nicht, wie ich anfangs“, vermutet er. Er könne es jedoch jedem herzlich empfehlen.

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FOTO: TOO GOOD TO GO Wer seinen leeren Teller füllen möchte, kann dies über die App „Too Good To Go“tun – und zwar mit günstigere­n Lebensmitt­eln.

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