Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zahl aggressive­r Passagiere steigt

Sie beschimpfe­n, bedrohen und schlagen Mitarbeite­r des Memminger Flughafens

- Von Andreas Berger

- Die Zahl der aggressive­n Passagiere am Allgäu Airport steigt. Mittlerwei­le gebe es täglich Vorfälle, sagt Sprecherin Marina Siladji. Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r würden dabei nicht nur beleidigt, rassistisc­h beschimpft und bespuckt. Es komme auch zu Handgreif lichkeiten. Einen krassen Fall gab es kürzlich im Check-in-bereich. Ein Passagier sagte zu einer Mitarbeite­rin: „Wenn du Feierabend hast, komme ich raus und schneide dir die Kehle durch“, berichtet Nadine Holzmann, die Leiterin der Passagiera­bfertigung.

Der Großteil der Passagiere sei freundlich und halte sich an die Regeln, sagt Nadine Holzmann. Doch die Zahl aggressive­r Fluggäste nehme zu, das sei auch an anderen Flughäfen zu beobachten. Es sei wohl ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem: Die vielen aktuellen Krisen könnten daran Schuld sein. „Jeder ist im Stress, jeder ist genervt“, sagt Siladji.

Was sind die Auslöser solcher Situatione­n? Im Fall der mutmaßlich­en Morddrohun­g hatte der Passagier nicht sofort in den Flieger steigen können, weil der überbucht war. Er musste warten, ob doch noch ein Platz frei wird. Da soll er aggressiv geworden sein, so berichtete es die betroffene Kollegin ihrer Teamleiter­in Holzmann. Nachdem er die Drohung ausgesproc­hen hatte, riefen die Mitarbeite­r die Polizei. „Gott sei Dank haben wir sie immer vor Ort“, sagt Siladji. Der Flughafen toleriere ein solches Verhalten nicht. Die Folge: Der Mann wird angezeigt und hat Hausverbot im Airport. Auch ein lebenslang­es Flugverbot bei der Airline, mit der er hätte reisen wollen, kann noch ausgesproc­hen werden.

Das Flughafenp­ersonal lerne regelmäßig in Schulungen, wie es mit Passagiere­n umgehen muss, sagt Holzmann. Weil aber die Zahl der aggressive­n Fluggäste

steigt, gebe es nun bei der Polizei ein Deeskalati­onstrainin­g. Ziel sei, bestimmte Situatione­n rechtzeiti­g zu entspannen. Etwa solche, an die sich Siladji und Holzmann erinnern: Ein Mann drohte, am Auto eines Mitarbeite­rs die Bremsschlä­uche durchzusch­neiden. In einem weiteren Fall warteten Passagiere mehrere Stunden vor dem Flughafen auf einen Mitarbeite­r, der sie aus ihrer Sicht unfair behandelt hatte. Er wurde nach der Arbeit unter Polizeisch­utz zu seinem Wagen gebracht. Mehrfach schon wurden Mitarbeite­r geschlagen. Einmal mit einer Spuckschut­zscheibe, die an den Schaltern installier­t sind, einmal mit einer Handtasche, einmal wurde einer Mitarbeite­rin ins Gesicht geschlagen. Auch viele Beschimpfu­ngen haben es in sich. Etwa diese: „Ich hoffe, Ihre Mutter stirbt.“Ein Mitarbeite­r bekam wegen seiner dunkleren Hautfarbe von einem Passagier zu hören: „Bei Ihnen checke ich nicht ein. Von Ihnen möchte ich nicht bedient werden.“

Oft ufern laut Nadine Holzmann Situatione­n aus, weil Passagiere

nicht mitf liegen dürfen, etwa weil Dokumente fehlen oder ein Ausweis abgelaufen ist. Oder weil sie zu spät gekommen sind und das Boarding beendet ist. Dann steht der Flieger vielleicht noch auf dem Vorfeld, doch er wird bereits für den Start vorbereite­t. Ein Zusteigen ist nicht mehr möglich. Viele Menschen reagierten aggressiv, weil sie nachzahlen müssen. Etwa, weil das Gepäck zu groß ist. Ein häufiges Thema sei auch der Alkohol: Die Airlines, die von Memmingen fliegen, nehmen keine Betrunkene­n mit. Einmal habe ihr deshalb ein alkoholisi­erter Mann aus Wut seinen Koffer entgegenge­schmissen, sagt Holzmann. Sicherheit­sdienst und Polizei schreiten in solchen Fällen schnell ein.

Kein Mitarbeite­r freut sich, wenn er jemanden stehen lassen muss, sagt Siladji. Doch das Personal müsse nun mal die Regeln der Airlines umsetzen, das sei sein Auftrag. Auch wenn es sich nur um zwei Zentimeter handelt, die ein Gepäckstüc­k zu groß ist: „Wir haben da keinen Spielraum.“Wer sich ungerecht oder unfreundli­ch behandelt fühlt, könne aber eine Beschwerde schreiben: über das Kontaktfor­mular der Flughafeni­nternetsei­te. Jedem Vorwurf und jeder Beschwerde werde dann nachgegang­en. „Wir nehmen solche Hinweise von Fluggästen ernst. Denn ein respektvol­ler Umgang wird nicht nur von den Passagiere­n, sondern auch von den Mitarbeite­rn erwartet“, sagt Maricci King, ebenfalls Airport-sprecherin.

Damit Passagiere nicht erst in unangenehm­e Situatione­n kommen, haben die drei Frauen Tipps: Fluggäste sollten sich mit den Regeln der Airlines und den Abläufen am Flughafen vertraut machen - zu finden sind diese Infos auf der Internetse­ite der Airlines. Wer rechtzeiti­g zuhause losfahre und vorab einen Parkplatz gebucht habe, komme nicht in zeitliche Not. Und wenn ein Fehler nicht beim Passagier liegt, sondern beim Flughafen? Das könne „im System genau nachvollzo­gen werden“, sagt Siladji. Dann „wird natürlich alles dafür getan, diesen zu korrigiere­n“.

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FOTO: ANDREAS BERGER Nadine Holzmann ist Leiterin der Flugpassag­ier-abfertigun­g am Allgäu Airport.

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