Ist die Apfelernte am Bodensee in Gefahr?
Milder Winter und eine frühe Blüte bergen Risiken für die Landwirte
- Landesweit blühen die Obstbäume immer früher. Auch die Eperten der Wetterwarte-süd in Bad Schussenried bestätigen: Die Winter sind in den vergangenen 30 Jahren immer wärmer und kürzer geworden. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Landwirtschaft.
„Dieser Februar ist der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland“, bestätigt der Leiter der Wetterwarte, Roland Roth. Ein Blick in die Natur bestätigt das – viele Knospen treiben aktuell aus. Und auch wenn wir den Frühling kaum erwarten können, für die Obstbauern in der Region birgt dies Risiken.
Bis Ende der 2000er blühten Bäume vornehmlich gegen Ende April und Anfang Mai. Inzwischen
geht es Anfang/mitte April los. Das belegen Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes, der mithilfe eines deutschlandweiten Beobachtungsnetzes seit mehr als 60 Jahren die Phänologie verschiedener Früchte aufzeichnet. Phänologie bezeichnet übrigens periodisch wiederkehrende Wachstums- und Entwicklungsserscheinungen.
Doch je früher die Bäume blühen, desto höher ist auch das Risiko, dass die Temperaturen noch einmal unter Null Grad Celsius sinken und Frost ihre Blüte angreift. „Auch wenn der Frühling früher beginnt und mit ihm die wärmeren Temperaturen, wird es weiterhin die späten Frosttage geben“, erklärt Wetterexperte Roth. Denn dieser Effekt ist weniger ausgeprägt als die Blüte.
„Für die Obstblüte kann das fatale Folgen haben“, ergänzt Manfred Büchele, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbaubodensee (KOB). Er schätzt, dass die Apfelbäume heuer bereits um den 15. April in Blüte stehen werden. „Januar und Februar waren in diesem Jahr schon sehr mild. Die Obstbäume werden aktuell bereits wach.“
Vergangenes Jahr sei es um den 20. April soweit gewesen. Und weil es am Bodensee manchmal bis in den Mai hinein Frost gibt, also die Temperatur unter Null Grad Celsius fällt, kann das gefährlich werden. „Wenn die Blüten geöffnet sind, und es starken Frost gibt, drohen Ernteausfälle. Denn die Blüte ist das empfindlichste Organ des Baumes“, erklärt Büchele.
Der Obstfachmann verweist auf das Jahr 2017, als die Bauern in der Region gut zwei Drittel ihrer Ernte verloren haben. In Europa entstand damals, laut einer Studie des Leibniz-zentrums für Argarlandforschung, schätzungsweise ein gesamtwirtschaftlicher Schaden in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.
Weil die Früchte robuster sind als die Blüten, sei es nicht allzu schlimm, wenn es es danach
nochmals kalt werde, erklärt Büchele. „Doch ab Minus 3,5 Grad werde auch ich nervös.“Denn fallen die Temperaturen dann nochmal unter fünf Grad Minus, seien Schäden unvermeidbar.
Droht eine solche Wetterlage, bedienen sich Landwirte unter anderem in Langenargen-oberdorf eines schlauen Tricks: Sie lassen Wasser auf die Blüten regnen – die Flüssigkeit gefriert. Im Eispanzer ist immer eine Temperatur
von etwa Null Grad. „Diese halten die Blüten aus“, erklärte Christian Dillmann vom Wasserverband für Feldberegnung beim letzten Einsatz.
Einen weiteren Lösungsansatz sieht Büchele bei der sogenannten Agri-photovoltaik. Anstatt Hagelschutznetze zu spannen, schützen die Bauern ihre Bäume mit lichtdurchlässigen Solarplatten. Diese können die Bäume vor Extremwetter schützen, und
gleichzeitig erzielen die Landwirte durch die Stromerzeugung einen Gewinn.
„Auch wenn uns der Klimawandel vor Herausforderungen stellt – die Bodenseeregion wird auch in Zukunft eine starke Apfelregion bleiben“, ist sich Büchele sicher.
Aktuell bauen hier rund 1200 Betriebe auf 7.500 Hektar Obst an – zum Großteil Äpfel (etwa 90 Prozent).