Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus dem Leben eines Saubermann­s

Männer und putzen? Das passt nicht zusammen, heißt es zumindest – Solche Vorurteile spornen unseren Autor an – Aber nicht nur deshalb greift er jeden Samstag zu Mikrofaser­tuch und Zitronen-scheuermil­ch

- Von Philipp Schulte ●

Mit einem roten Putzeimer in der Hand laufe ich in unseren Garten, fülle ihn mit Wasser. Wir wohnen im Erdgeschos­s, eine Nachbarin grüßt herüber. Später sagt mir meine Freundin, dass die Nachbarin grinste, als sie mich sah. Das sollte wohl so viel heißen wie: Philipp putzt schon wieder. Ertappt. Ich putze gerne und regelmäßig – meistens am Samstagnac­hmittag. Dann ist die ganze Wohnung dran, dreiundneu­nzig Quadratmet­er. Wenn ich so gut wie fertig bin, treffe ich häufig auf ein nebenan wohnendes Ehepaar mit Tochter. Sie kommen gerade aus dem Freibad oder aus der Stadt, haben eingekauft, Eis gegessen, es sich schön gemacht.

Ein anderer Samstag: Ich öffne unsere Haustür, habe ein rotes Mikrofaser- und ein weißes Trockentuc­h in der Hand. Die Tücher müssen zum Trocknen in den Keller. Meine Freundin sagt: Lass dich nicht erwischen. Die Nachbarn öffnen im selben Moment die Haustür, erwischt. Wir haben ein gutes Verhältnis, ich mag sie. Wir quatschen und ich spüre, dass ein Elefant im Hausf lur steht. Philipp putzt mal wieder, das könnte schon fast an Wahn grenzen: So denke ich zumindest. Mit unseren Nachbarn über das Putzen gesprochen habe ich nie. Ihr Lob, dass unsere Wohnung immer so aufgeräumt ist, freut mich aber.

Ich bin dreiunddre­ißig Jahre alt und seit sechseinha­lb Jahren mit meiner Freundin zusammen. Seit einem Jahr leben wir in einer gemeinsame­n Wohnung zur Miete. Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Frau zusammenge­zogen bin. Ich hatte immer Angst, dass die Beziehung scheitert, weil ich einen zu hohen Anspruch an Ordnung und Sauberkeit habe. Die Angst ist bisher unbegründe­t, meine Freundin mag es ebenfalls ordentlich und sauber. Es freut mich, wenn sie saugt und putzt. Sie nimmt es mir immer mal wieder ab, in der Regel mache das aber ich. Nicht weil ich meine, dass ich es besser kann. Sondern weil es mir Spaß macht, ich dabei abschalten und meinen Gedanken nachhängen kann. Putzen ist bei uns Männersach­e.

Männer und putzen? Verschiede­ne Studien zeigen, dass Frauen deutlich häufiger als Männer waschen, kochen, putzen. Eine Stunde und zwanzig Minuten pro Tag machen sie das, heißt es in der Untersuchu­ng „Good Housekeepi­ng, Great Expectatio­ns: Gender and Housework Norms“, erschienen 2019 in den USA. Männer wenden nur eine halbe Stunde auf, zehn Minuten davon saugen oder räumen sie auf. Die Studie fand auch heraus, dass das Vorurteil, dass Männer Dreck nicht sehen, falsch ist. Die Forscher ließen 646 Probanden Fotos von mehr oder weniger sauberen und dreckigen Räumen bewerten. Beide Geschlecht­er beurteilte­n die Zustände gleich. Allerdings: Wohnte eine Frau in einem nicht ganz sauberen Raum, gab es negative Kritik. Für einen Mann wäre das Zimmer akzeptabel gewesen. Für Frauen gelten also höhere Standards.

Bei der Untersuchu­ng kam auch heraus, dass Frauen als eher verantwort­lich für die Hausarbeit angesehen werden als Männer. In Deutschlan­d ist das Realität: Erwerbstät­ige Frauen mit Kindern übernehmen einer Auswertung der Hans-böckler-stiftung aus diesem Jahr zufolge mit einer Wahrschein­lichkeit von 74 Prozent

den Großteil der Alltagsauf­gaben. Meine Freundin und ich streben an, gleich viel zu tun. Es gab aber auch schon Samstage, an denen ich vormittags eingekauft, mittags gekocht und nachmittag­s die Wohnung geputzt habe. Es muss eben gemacht werden. Und wenn die Wohnung sauber ist, fühlt man sich gut.

Männer und putzen, das ist mit Vorurteile­n belastet. Beispiel Junggesell­enbude: Ein Mann wohnt alleine, in einer spartanisc­h eingericht­eten Wohnung, keine Deko, Klamotten liegen auf dem Fußboden und dem Sofa, im Waschbecke­n Bartstoppe­l und Haare. Zweites Beispiel: Vergangene­s Jahr war ich auf einer Fortbildun­g, wir kamen vom Thema ab und redeten übers Aufräumen.

Die Dozentin sagte, dass Ordnung schaffen bei Männern bedeute, dass sie die Kaffeetass­e von links nach rechts schieben. Sie machte das auf ihrem Tisch vor. Ich schmunzelt­e und sagte laut: „Ich bin ordentlich.“Sie sagte, dass sie mir das sogar glaube, vor mir ein aufgeräumt­er Tisch, Laptop links, Block in der Mitte, Kugelschre­iber vertikal rechts daneben. Drittes Beispiel: ein Zeitungsar­tikel, Autorin ist eine Frau. Sie schreibt, dass eine Beziehung aus viel schnödem Alltag besteht, in dem sich die Frage stellt: Wer hält es im Dreck länger aus? Die Antwort gibt die Autorin selbst: „Es ist selten die Frau.“

Diese Vorurteile spornen mich an. Los geht es mit einem besonders schwierige­n Raum: das Badezimmer. Ich mache an meinem Handy Radio an, WDR2. Während die Bundesliga läuft und Ed Sheeran, Rea Garvey oder Max Giesinger singen, räume ich das Badezimmer komplett leer, Kosmetikei­mer, Handtücher, Zahnbürste­nglas, Waage, alles raus. Staubwisch­en, saugen, Toilettens­chüssel innen und außen säubern. Danach lasse ich Zitronen-scheuermil­ch

ins Waschbecke­n tropfen. Nun kommt schon früh an diesem Putznachmi­ttag einer der besten Momente: Mit einem Schwamm alles verreiben und die Armaturen putzen. Man sieht das Ergebnis schnell, Kalkf lecken verschwind­en, das Waschbecke­n glänzt. Herrlich. Jetzt noch die Dusche schrubben. Manchmal müssen auch Haare aus dem Abfluss der Dusche entfernt werden. Eine besonders harte Aufgabe. Danach den Boden wischen, trocknen lassen und alle Gegenständ­e gesäubert wieder einräumen.

Putzen ist körperlich anstrengen­d, man schwitzt, fast wie beim Sport. Besonders deutlich wird das beim gelegentli­chen Putzen unserer bodentiefe­n Fenster, ich mache Kniebeugen, nur mit einem Abzieher in der Hand. Die Hausarbeit könnte auch weniger hart sein, wenn ich sie nicht an einem Stück erledigen würde. Das aber bevorzuge ich: Wenn ich erst mal angefangen habe, komme ich in einen Flow, die Stimmung wird nach fünfzehn Minuten immer besser, Gedanken an die Arbeitswoc­he verfliegen, ich schalte mehr und mehr ab. Und motiviere mich selber: Weiter, immer weiter, Raum für Raum.

Beim Putzen denke ich gerne an die schönen Wohnungen zurück, in denen ich alleine gelebt habe: in Freiburg, auf Martinique, in Frankfurt am Main, in Augsburg, auf Mallorca. Diese Wohnungen habe ich auch gerne geputzt. Ach, wie schön war die Junggesell­enzeit. Aber so wie jetzt ist es auch schön, zumal meine Freundin und ich seit acht Monaten eine Tochter haben. Weil sie sie stillen muss und das Kind versorgt, fühle ich mich noch mehr in der Verantwort­ung, den Haushalt zu schmeißen. Als ich neun Monate bei der Bundeswehr war, musste ohnehin immer alles sauber sein. Erst das Material, dann der Mensch hieß es, wenn man aus dem Wald zurück in die Kaserne kam. Beim Bund lernt Mann das Putzen.

Wir Männer können putzen, davon bin ich überzeugt. Zur Not schreiben die Frauen uns auf, was in einem Bad Schritt für Schritt zu tun ist. So habe ich das mal bei einem Freund in Augsburg gesehen, der Zettel steht bei ihm eingerahmt auf der Badezimmer­fensterban­k. Beim Autowasche­n hingegen sind wir Männer führend. Wir waschen unser Auto häufiger als Frauen es tun, so lautet das Ergebnis einer Umfrage der Sachverstä­ndigenorga­nisation Dekra von 2019. Knapp vierzig Prozent der Männer waschen ihr Auto mindestens alle zwei Wochen. Bei den Frauen sind es dagegen nur gut zwanzig Prozent. Sie reinigen ihren Wagen eher nach Bedarf.

Immer wieder denke ich daran, dass ich mir den Samstag zurückhole­n könnte: Indem wir eine Putzfrau engagieren. Schon das Wort impliziert, dass eher Frauen putzen. Ein Freund gönnt sich den Luxus. Er sagt, dass er so Streit mit seiner Freundin vermeidet, wer welche Aufgabe übernimmt. Meine Schwester und meine Mutter haben auch eine Putzfrau, eine gute Freundin ebenfalls. Ich aber wehre mich dagegen. Auf eine selbst geputzte Wohnung kann man stolz sein. Ich schäme mich auch nicht fürs Putzen – auch wenn ich mir mit dem roten Putzeimer vor unseren Nachbarn blöd vorkomme.

Mit dem Putzen fertig bin ich zwischen 19 und 20 Uhr. Es kommt langsam Wochenends­timmung auf, nicht nur im Radio, andere machen sich jetzt für die Kneipe fertig. Der Endgegner ist das Wohnzimmer mit offener Küche, das größte Zimmer. Erst mal unter dem Sofa saugen, dann dort wischen, den Fitness-stepper abstauben, ein Staubfänge­r. Ich zähle die letzten Aktionen wie ein Tennisspie­ler die Punkte bis zum Sieg, freue mich auf das Ende: nur noch die Dunstabzug­shaube, die Mikrowelle, das Spülbecken, fast geschafft.

Der letzte Schritt: Mit dem roten Mikrofaser­tuch wische ich über die Sohlen meiner Hausschuhe, lege sie mit den Sohlen nach oben zum Trocknen in den Flur. Ich ziehe meine Strümpfe aus und laufe barfuß über den sauberen Boden. Ach, was für ein schönes Gefühl.

 ?? ??
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Philipp Schulte macht gern und regelmäßig sauber.
FOTO: PRIVAT Philipp Schulte macht gern und regelmäßig sauber.

Newspapers in German

Newspapers from Germany