Baumstamm auf Sportwagen geworfen
Versicherungsbetrug vor Gericht – Der Oberallgäuer Kunde will von der „ganzen G’schicht“nichts gewusst haben
- Wie fingiert man einen Sturmschaden am Auto, um die Versicherung zu betrügen? Ein Oberallgäuer Werkstattbetreiber fackelt nicht lange: Er fährt einen Sportwagen mit Elektronikproblemen auf eine abgelegene Wiese und wirft dort mit einem Radlader einen abgebrochenen Baumstamm aufs Autodach. Danach ein paar Fotos gemacht und fertig ist der unwetterbedingte Totalschaden. Die Schilderung ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Was dabei herauskommt, sind Strafen für die Beteiligten.
In diesem Fall steht der 65-jährige Fahrzeughalter vor dem Amtsgericht Kempten, der an der „ganzen G’schicht nicht beteiligt“gewesen sein wollte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Oberallgäuer gemeinschaftlichen Betrug mit dem Werkstattbetreiber vor. Die Versicherung sollte den Zeitwert des Autos erstatten, weil die Elektronik nur mit hohem finanziellen Aufwand zu reparieren gewesen wäre.
Tatsächlich erstattete die Versicherung dann 2018 den Restwert von 9300 Euro. Der Fall wäre vielleicht nie aufgeflogen, hätte es nicht Hinweise aus dem Umfeld des Werkstattbetreibers gegeben, der sich wegen Betrugs in mehreren 100 Fällen zu gegebener Zeit vor Gericht verantworten muss. Der angeklagte Fahrzeughalter wirkt wie ein bodenständiger Allgäuer, der das Arbeiten und Anpacken gewohnt ist. Ob er vorher wusste, was der Werkstattbetreiber plante?
Der Beschuldigte verneint: Er habe das Auto nur abgegeben und sei dann nicht dabei gewesen. Der Werkstattchef habe gesagt, er lasse sich was einfallen. „Es war sein Plan.“
Richterin Katrin Eger lässt Zweifel anklingen: Ihr liege unter anderem die Kommunikation per „Whatsapp“(Textnachrichten) zwischen den zwei Beteiligten vor. Darauf räumt die Verteidigerin des 65-Jährigen ein: „Er wusste schon, dass mit der Versicherung was gedeichselt werden sollte.“
Sie folgt nach kurzer Beratung mit ihrem Mandanten dem Rat der Richterin, den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Rechtsfolgen (also die Straf höhe) zu begrenzen. Damit ist der eigentliche Betrug gestanden.
Eine Polizeibeamtin der Kripo schildert wenig später im Zeugenstand ihre Ermittlungen mit Hausdurchsuchungen und der sehr zeitintensiven Durchsicht der Buchhaltung bis zurück ins Jahr 2017. Es ging um den Abgleich von Versicherungsfällen, Werkstattrechnungen und tatsächlich bestellten Ersatzteilen.
Der Angeklagte sei einer der besten Freunde des Werkstattbetreibers gewesen, sagt die Kriminalhauptkommissarin. Die Textnachrichten
ließen auf ein enges Verhältnis schließen.
So kam auch heraus, dass der Angeklagte zwei Jahre nach dem Betrug 2018 einen weiteren mit der Werkstatt gedeichselt haben soll: eine Bremsenreparatur an einem großen SUV, die bei der Versicherung offenbar als defekte Windschutzscheibe abgerechnet wurde. Der Fall wurde allerdings, mit Blick auf den nun verhandelten größeren Betrug, jetzt eingestellt.
Der Staatsanwalt sieht die zwei Vorfälle als Zeichen für die kriminelle Energie und das planmäßige Verhalten des Angeklagten und fordert eine Strafe von 180 Tagessätzen à 40 Euro.
Dagegen weist die Verteidigerin auf die finanzielle Notlage ihres Mandanten hin, der nach eigener Angabe von etwa 1000 Euro im Monat lebt. Er sei von dem Werkstattbetreiber beeinf lusst worden.
Richterin Eger folgt in ihrem Urteil der Einschätzung der Verteidigerin und verhängt als Strafe 90 Tagessätze à a 30 Euro (gesamt 2700 Euro). Dazu kommen die Kosten des Verfahrens.
Auch die Summe von 9300 Euro für den Schaden aus dem Betrug zieht das Gericht ein. Sie gehe davon aus, dass der Angeklagte mitgezogen wurde, sagt Eger. „Aber das befreit nicht von der Verantwortung.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.