Lebensmittelretter sind jetzt auch in Wangen aktiv
Foodsharing-raum an der Talanderschule eröffnet – Verschwendung von Nahrungsmitteln soll reduziert werden
- Die Zahlen, die die Welthungerhilfe nennt, sind erschreckend: 931 Millionen Tonnen Nahrungsmittel landen Jahr für Jahr auf dem Müll. Rund 17 Prozent von dem, was weltweit produziert wird, geht verloren, weil es bei der Herstellung oder beim Transport beschädigt wurde oder in Lagern, Läden und Haushalten verdirbt. Allein in Deutschland werden laut Welthungerhilfe jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet – macht 78 Kilogramm Essen pro Kopf und Jahr. Foodsharing spricht sogar von 30 Prozent Lebensmittel, die im Müll landen. Die umwelt- und bildungspolitische Bewegung, die sich gegen den achtlosen Umgang mit Ressourcen und für ein nachhaltiges Ernährungssystem einsetzt, hat nun auch in Wangen eine Räumlichkeit, in der alle etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun können.
Fairteiler nennt sich das kleine Räumchen an der Talanderschule, in dem früher Fahrräder standen und nun Regale und Kühlgeräte
eingezogen sind. Sie sind gut gefüllt mit Obst und Gemüse, Milchprodukten und vielem mehr. Eine Kasse sucht man vergebens. Denn im Fairteiler wird weder verlangt noch bezahlt. „Kommen kann hier jeder, egal, ob mit dem Klapprad oder mit dem Porsche“, sagt Initiatorin Nadja Valasek. Und meint damit: Der Fairteiler hat nichts mit dem Geldbeutel, sondern viel mehr mit persönlicher Einstellung zu tun. Wer zu viel eingekauft hat,
kann hier noch gute Waren abgeben oder einstellen. Wer noch einen Salat für den Abend sucht, kann ihn hier abholen. „Jeder kann so viel nehmen, wie er braucht“, betont Valasek. Wichtig ist: Mit Foodsharing soll, wird und darf kein Geld verdient werden. Alles ist kostenfrei und auch frei von jeglicher politischer, religiöser, gesellschaftlicher oder sonstiger Botschaft.
Angst, dass bereits Verdorbenes im Räumchen liegt, braucht niemand zu haben: Die gespendeten Waren, die auch aus Betrieben stammen, werden regelmäßig geprüft und gegebenenfalls aussortiert. Die entsprechenden Helfer sind verpf lichtet, sich erst einmal Wissen zu Hygiene und Recht anzueignen, das via „Quiz“, einer Art Prüfung, abgefragt wird. Dennoch werden auch die Abholenden gebeten, die Waren – vor allem jene, in die nicht „hineingeschaut“werden kann – vor dem Verbrauch mit allen Sinnen zu testen. Valasek: „Selbstverständlich kann auch einmal ein Joghurt, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, schimmlig sein.“Wichtig ist ihr, mitzuteilen, dass die Waren von den geprüften Foodsharern nicht aus Mülltonnen geholt werden und sie sich auch an Kühlketten halten.
Nadja Valasek hat vier Jahre Erfahrung als Foodsharerin hinter sich. Sie hat den Kißlegger Fairteiler gemeinsam mit Beate Högerle und Mella Lüll-schmitt mitaufgebaut, der nach wie vor und mittlerweile im Grünen Haus existiert: „Dort müssen wir zwar bis zum Jahresende raus, aber Bürgermeister
Krattenmacher ist sehr engagiert und bemüht, für uns nach einem neuen Platz zu suchen.“Sie zieht eine positive Bilanz: „Es läuft gut dort.“
In Wangen war es wesentlich schwieriger, einen geeigneten Standort zu finden. Der Zufall wollte es, dass es an der Talanderschule zwei Lehrerinnen gibt, die bereits Foodsharer sind. „Die Idee, so etwas auch hier zu machen, ist langsam gewachsen“, erzählt Anke Ahner. Sie hat mit Valasek Kontakt aufgenommen. Derzeit wird der Wangener Fairteiler von Privatpersonen und fünf Betrieben aus der Region, teilweise auch bewusst von Betrieben außerhalb Wangens, bestückt.
Bewusst auch deshalb, weil der Wangener Fairteiler keinesfalls eine Konkurrenz zur Tafel werden möchte. „Ich gehe dennoch davon aus, dass noch Betriebe hinzukommen“, sagt Valasek. Rein rechtlich brauchen sich Zulieferer, egal ob privat oder gewerblich, laut der Initiatorin keine Sorgen zu machen: „Sie sind durch einen Haftungsausschluss raus aus der Verantwortung.“
Das Wangener Foodsharingteam besteht derzeit aus 15 Helfern, könnte aber darüber hinaus Zuwachs gebrauchen, um Waren aus Betrieben abzuholen. Valasek: „Jede und jeder kann selbst entscheiden, wie oft er oder sie kann. Einzige Voraussetzung: Man muss sich online unter https://foodsharing.de/ registrieren und kann sich auch mit mir per Mail unter foodsharing.wangen@gmx.de in Verbindung setzen.“
In der Talanderschule jedenfalls wurde Anfang März mit den Schülern Eröffnung gefeiert. „Wir hoffen, dass ganz viele Leute hierherkommen“, sagte Anke Ahner. Auch die Schule wolle dazu beitragen, dass sich die Erde weiterdrehe, Ressourcen geschont werden. Gemeinsam erklang noch ein Lied: „Essen retten, das woll’n wir. Ich teil mit dir und du mit mir.“
Beim Wangener Fairteiler können montags bis freitags von 12.30 bis 18 Uhr und samstags von 12 bis 14 Uhr Lebensmittel abgegeben oder geholt werden.