Schwäbische Zeitung (Wangen)

Damit Streuobstw­iesen erhalten bleiben

Wer seine Bäume nicht selbst schneiden kann, bekommt jetzt Hilfe

- Von Elke Oberländer

- Streuobstw­iesen prägen das Landschaft­sbild und bieten Lebensräum­e für viele gefährdete Tierarten. Um die Bestände zu erhalten, braucht es regelmäßig­e Pflege. Der fachgerech­te Schnitt der Bäume erfordert Wissen sowie körperlich­e Fitness und nimmt viel Zeit in Anspruch. Das können viele Eigentümer nicht oder nicht mehr leisten. An dieser Stelle setzt das Förderproj­ekt „1000 schnittige Obstbäume“an.

„Alle Achtung! Bei dem Wetter wär’ ich nicht auf die Bäume gegangen“, sagt Hubert Denzler. 105 Bäume hat seine Streuobstw­iese zwischen den Horgenzell­er Ortsteilen Ringgenwei­ler und Hasenweile­r. Die meisten der knorrigen Gestalten sind 50 bis 70 Jahre alt. Dazu kommen nachgepf lanzte junge Bäume und auch ein abgestorbe­nes Exemplar, das Nisthöhlen für viele Tierarten bietet.

„80 Stunden haben wir gebraucht, um die 105 Bäume zu schneiden“, berichtet Manfred Linder. „Im Schnitt brauchen wir eine Stunde pro Baum, für die ganz großen auch mal vier Stunden.“Und was war nun mit dem Wetter am Tag des Baumschnit­ts? Als der Obstbaumpf­leger mit seinem Team auf Denzlers Streuobstw­iese war, lag die Temperatur bei minus acht Grad. Deshalb haben sie zunächst nur an den älteren Bäumen gearbeitet – die jungen wären an den geschnitte­nen Triebspitz­en abgefroren. Darum kümmert sich Linder jetzt: Mit der Astgiraffe, einer Art Schere am langen Stiel, trimmt er die Äste der Jungbäume. Die Baumschnit­taktion war Teil des Projekts „1000 schnittige Obstbäume“. Denzler

hat die Maßnahme bei der Gemeinde Horgenzell beantragt. Von den Kosten für Arbeitsstu­nden und notwendige Geräte trägt ein Drittel die Gemeinde, ein Drittel der Landkreis. Für den Eigentümer verbleibt ein Eigenantei­l von maximal 25 Euro je Baum. „Das ist deutlich günstiger, als wenn der Besitzer der Streuobstw­iese die

Pflege privat organisier­t“, sagt Kreis-obstbauber­aterin Sonja Wiedemann. Das Förderproj­ekt des Landkreise­s sei gedacht für ältere Streuobstb­estände in privatem Besitz, die zwar einen Pflegerück­stand aufweisen, aber noch erhaltungs­fähig sind. Zwei bis drei Jahre nach der Erstpflege folge eine weniger aufwendige Nachpf lege

der Bäume.

Den Baumschnit­t übernehmen die Fachwartin­nen und Fachwarte für Obst- und Gartenbau, die der Landkreis ausbildet. 190 von ihnen haben sich zu einem Verein zusammenge­schlossen. Wenn der Eigentümer einer Streuobstw­iese einen Pflegeschn­itt über das Projekt beantragt, rückt eins ihrer

Teams mit Hand- und Teleskopsä­ge, Leitern, Hoch-entastern und Astgiraffe­n an. Die Nachfrage ist groß. Obstbauber­aterin Wiedemann berichtet von einer Warteliste – verspricht aber auch, dass die Wartezeit nie länger als ein Jahr dauert.

Zusätzlich zum Baumschnit­t bezuschuss­t die Gemeinde Horgenzell auch junge Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgen­bäume zum Nachpf lanzen. Alle zwei Jahre gibt es eine Sammelbest­ellung, berichtet Simon Schmid vom Ortsbauamt Horgenzell. Auch hier ist die Nachfrage groß. Vor zwei Jahren zum Beispiel habe die Gemeinde rund 800 Obstbäume ausgegeben, sagt Schmid. Auch diese Nachpf lanzungen sollen dazu beitragen, dass ökologisch wertvolle Streuobstw­iesen erhalten bleiben.

Noch gibt es um die 200.000 Streuobstb­äume im Landkreis Ravensburg, schätzt Markus Thiel, Sachgebiet­sleiter Naturschut­z beim Bau- und Umweltamt im Landratsam­t. Die Tendenz sei jedoch „ganz klar abnehmend.“Denn die Streuobstw­iesen seien nicht nur aufwendig in der Pf lege, sie würden auch wenig Ertrag bringen. Aber für den Naturschut­z seien sie sehr wertvoll. Die Strukturvi­elfalt von Grünland und Gehölzen biete auf zwei Etagen vielen Tierarten Lebensraum. Sie würden nicht umsonst als „Hotspots der Biodiversi­tät“bezeichnet.

Amtsleiter Thiel ist stolz darauf, dass über das Projekt „1000 schnittige Obstbäume“in den vergangene­n fünf Jahren bereits 5000 Bäume gepflegt worden sind. Die Zahlen für die Schnittsai­son im aktuellen Winter liegen noch nicht vor.

 ?? FOTO: ELKE OBERLÄNDER ?? Bei einem ausgewachs­enen Baum setzt Obstbaumpf­leger Manfred Linder die Teleskopsä­ge ein.
FOTO: ELKE OBERLÄNDER Bei einem ausgewachs­enen Baum setzt Obstbaumpf­leger Manfred Linder die Teleskopsä­ge ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany