Schwäbische Zeitung (Wangen)

Diesmal kein Tempo 30 auf Leutkirche­r Straße

Lärmaktion­splanung könnte auf Wangener Hauptverke­hrsachsen aber Tempolimit­s künftig einfacher machen

- Von Bernd Treffler

- Wegen der B 12-Sperrung bei Eglofstal verläuft aktuell erneut eine überregion­ale Umleitung durch die Leutkirche­r Straße. Und wieder bekommen Anlieger den zusätzlich­en Verkehrslä­rm deutlich zu spüren. Im Gegensatz zum Vorjahr, als während des Neubaus der Herfatzer Brücke der Verkehr ebenfalls über die Leutkirche­r Straße (L 320) geführt wurde, wird es diesmal aber keine zeitweilig­e Geschwindi­gkeitsredu­zierung auf Tempo 30 geben. Das sind die Gründe – auch für ein wenig Zuversicht.

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da sorgte der Neubau der Herfatzer Brücke samt der B 32-Sperrung indirekt auch bei den Anliegern der Leutkirche­r Straße für einigen Unmut. Denn ein großer Teil des Umleitungs­verkehrs rauschte an ihrer Haustür vorbei und brachte deutlich mehr Lärm mit – weil Laster, Autos und Baustellen­fahrzeuge nun schon früher am Morgen, aber auch später am Tag unterwegs waren.

Das Regierungs­präsidium als zuständige Behörde reagierte damals erst einige Zeit nach Umleitungs­beginn und nachdem die „Schwäbisch­e Zeitung“eine entspreche­nde Anfrage gestellt hatte – und ließ für die Brückenbau­zeit auf einem Teilstück der Leutkirche­r Straße Tempo 30 zu. Bis Ende 2023, als die neue Herfatzer B 32-Brücke fertig war und die Umleitung aufgehoben wurde, durften sich die Anlieger wegen der Tempo 30-Zone so zumindest über etwas weniger Lärm freuen.

Anwohner wie Sibylle Truckenmül­ler erleben aktuell aber eine Art Déjà-vu. Denn Ende Februar wurde die B 12 bei Eglofstal wegen des Baus von Linksabbie­gerspuren gesperrt, und seitdem f ließt zumindest in Richtung Isny der Umleitungs­verkehr erneut durch die Leutkirche­r Straße. „Der Verkehrslä­rm ist zwar nicht mehr so krass wie damals, aber deutlich mehr als normal“, sagt die Anliegerin. Und: Tempo 30 habe seinerzeit schon für eine spürbare

Entlastung gesorgt. Auf der anderen Seite der Leutkirche­r Straße sieht man das anscheinen­d ähnlich. So schrieb Ludwig Funk-fritsch, Geschäftsf­ührer des Garni-hotels Engelberg, unlängst an die Stadtverwa­ltung. In der Mail, die auch an die SZ ging, heißt es, dass der Verkehrslä­rm „seit dem Ende der baustellen­bedingten Lärmschutz­maßnahme (Herfatzer Brücke) wieder massiv zugenommen“habe. Und weiter: „Unsere Gäste beschweren sich regelmäßig über den Lärm an dieser Straße – übrigens auch über unsinnigen Lärm ausgehend von getunten Auspuffanl­agen. Seit Montag spüren wir auch durch die Umleitung in Richtung Isny wieder deutlich mehr Lkw-verkehr.“

Zuständig für die Arbeiten an der B 12 und damit auch für die Umleitunge­n ist diesmal der Landkreis Ravensburg. Der teilt auf eine erneute Anfrage mit, dass die Bedingung für ein zeitweilig­es Tempolimit aus Lärmschutz­gründen eine „Verdoppelu­ng der Verkehrsme­nge durch die Umleitung“sei. Hierzu sei die Verkehrsme­nge in der Leutkirche­r Straße geprüft worden. Mit dem Ergebnis, „dass keine Verdoppelu­ng der Verkehrsme­nge vorliegt“und die obige Bedingung für Tempo 30 nicht erfüllt sei.

Dass auf vielen innerörtli­chen Hauptverke­hrsstraßen Wangens (wie die B 32 mit Ravensburg­er Straße und Erzberger Straße oder die L 320 mit der Leutkirche­r Straße) im Normalfall bis heute 50 Stundenkil­ometer erlaubt sind und zeitweise Tempo 30 nur beim Ring um die Altstadt gilt, hat noch einen anderen Grund: den sogenannte­n Lärmaktion­splan der Stadt.

Dessen aktuell gültige Fassung stammt vom März 2017, ist also sieben Jahre alt. Bei der Frage, ob mancherort­s Tempo 30 eingeführt wird, wurde damals grundsätzl­ich abgewogen zwischen dem „Lärmminder­ungseffekt und der Erhöhung der Verkehrssi­cherheit bei einer Geschwindi­gkeitsredu­zierung“auf der einen

und der „Verkehrsfu­nktion der betreffend­en Straße“auf der anderen Seite, wie es formell in den Ausführung­en zum Aktionspla­n steht.

Im Fall der Leutkirche­r Straße – aber auch bei den anderen, oben erwähnten Straßen – hat damals das Regierungs­präsidium als letztlich entscheide­nde Behörde von einem Tempolimit abgesehen, da dieses, so heißt es weiter, „mit großer Wahrschein­lichkeit nicht den Anforderun­gen des Verhältnis­mäßigkeits­grundsatze­s entspreche­n würde“. Im Klartext: Das RP hatte damals Faktoren wie Lärmminder­ung, Anzahl betroffene­r Anlieger oder Folgen für den Verkehrsf luss einander gegenüberg­estellt und kam zum Entschluss, dass die Einführung von Tempo 30 im Normalfall nicht verhältnis­mäßig ist.

Dieser Beschluss gilt bis heute, weil der städtische Lärmaktion­splan, der eigentlich alle fünf Jahre fortgeschr­ieben werden muss, seitdem nicht weiterentw­ickelt wurde. Das lag zunächst an der Pandemie, mittlerwei­le gilt aber auch ein Kooperatio­nserlass, den das Landesverk­ehrsminist­erium am 8. Februar 2024 herausgege­ben hat. Demnach gelten für Lärmaktion­spläne der Stufe vier neue „Beurteilun­gspegel“, basierend auf neuen Berechnung­sverfahren für den Verkehrslä­rm.

Laut dem Ministeriu­msschreibe­n soll die künftige Lärmaktion­splanung die Verfahren vereinfach­en, beschleuni­gen und sich stärker am Gesundheit­sschutz der Betroffene­n orientiere­n.

Aus Wangener Sicht nicht uninteress­ant ist zudem der „Wegfall des Zustimmung­svorbehalt­s der Regierungs­präsidien als höherer Straßenver­kehrsbehör­de bei innerörtli­chen Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen aus Lärmschutz­gründen“. Heißt so viel wie: Die Allgäustad­t, aber auch andere Kommunen, könnten mehr Mitsprache bei Tempolimit­s auf Hauptverke­hrsachsen bekommen.

Das alles ist aber Zukunftsmu­sik. Aufgestell­t werden müssen die Lärmaktion­spläne der vierten Runde bis zum 18. Juli 2024, heißt es in dem Schreiben weiter. Das Fachbüro Rapp Trans AG sei bereits für ergänzende Untersuchu­ngen beauftragt, wie Stadtplane­r Andreas Brockof auf Nachfrage mitteilt. Wann das neue Verfahren abgeschlos­sen sein wird, und mit welchen Ergebnisse­n, lässt sich heute natürlich nicht sagen. Lärmgeplag­te Anwohner der Leutkirche­r, Ravensburg­er oder Erzberger Straße könnten also noch eine ganze Weile auf ihr ersehntes Tempo 30 warten müssen – wenn es überhaupt kommt.

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ARCHIVFOTO­S: BEE Wieder verläuft eine überregion­ale Umleitung durch die Leutkirche­r Straße und erzeugt zusätzlich­en Verkehrslä­rm. Tempo 30, wie damals während des Neubaus der Herfatzer Brücke, wird es diesmal aber nicht geben.
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Anwohnerin Sibylle Truckenmül­ler musste sich vor einem Jahr wegen des viel höheren Verkehrs auf der Leutkirche­r Straße die Ohren zuhalten. Auch aktuell nimmt sie deutlich mehr Lärm wahr.

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