Unter Alkohol und Drogen die Ehefrau angegriffen
Im Rausch gerät der 36-Jährige regelmäßig außer Kontrolle – Fall von häuslicher Gewalt landet vor Amtsgericht Lindau
- Auch wenn die Noch-ehefrau und die Schwester des Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, ist am Ende des Prozesses am Amtsgericht Lindau unstrittig: Im Haus seiner Eltern hat der 36-Jährige vor knapp einem Jahr angetrunken, unter Drogen und in Rage eine gefährliche Körperverletzung begangen. Das alles im Beisein seiner fünfjährigen Tochter. Die Polizei, die der Mann später noch massiv beleidigte, konnte ihn nur durch einen hohen Personaleinsatz festnehmen. „Er war derart aggressiv, dass sich der Rettungsdienst nicht ins Haus getraut hat“, schilderte einer der Beamten im Zeugenstand seine Eindrücke.
Auf der Anklagebank sitzt ein Mensch, der gebrochen wirkt. Verantworten muss sich der 36Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung,
Beleidigung und Bedrohung – wobei letzterer Tatbestand gestrichen wird. Am Aufenthalt im Gefängnis schrammt er letztlich nur haarscharf vorbei. Und das, obwohl ihn laut dem Polizisten auf der Lindauer Wache „jeder kennt“und er einschlägige Vorstrafen hat.
Der Vorfall hat eine Vorgeschichte, die im Prozess nur oberflächlich thematisiert wird. Klar wird aber, dass seine Alkohol- und Drogensucht das Familienleben schon längere Zeit belastet. Er nimmt wegen psychischer Probleme Medikamente, seinen Job hat er verloren, und er hat Schulden in sechsstelliger Höhe. Seine Tochter liebt er aber innig. Das wird auch in der Verhandlung sichtbar. Wann immer es um sie geht, bricht der Mann in Tränen aus.
Seine dunkle Seite kommt, wie Schilderungen im Prozess zeigen, meist im Rausch zum Ausdruck. Vor allem am Samstag, 25. März 2023: Der damals 35-Jährige sitzt zu Hause und ist emotional aufgewühlt. Wie Verteidigerin Dinah Bauer verliest, habe ihm die Frau das endgültige Aus der Ehe verkündet und zudem Geld vom gemeinsamen auf ihr Konto überwiesen. Um dies für sich zu verarbeiten, trinkt er anderthalb Flaschen Schnaps und raucht Cannabis.
Danach geht er zu den Eltern, wo die Tochter ist. Wegen seines Rauschzustands schicken sie ihn weg, er weigert sich, sie rufen die Noch-ehefrau. Als sie eintrifft, rastet der Angeklagte völlig aus. Obwohl seine Schwester noch versucht, dazwischen zu gehen, schubst er die Mutter seiner Tochter gegen den Spiegel, packt sie an den Haaren, schleudert sie gegen einen Tisch, und er tritt ihr gegen die Schläfe.
Sie erleidet eine Gehirnerschütterung, eine Jochbeinprellung, ein blutendes Innenohr und eine Knieschürfung. Bei der erheblichen stumpfen Gewalteinwirkung sei es Zufall gewesen, dass die 35-Jährige keine lebensbedrohlichen Blessuren erlitten habe, zitiert Richterin Sancak aus dem medizinischen Gutachten.
Der Vorfall hat familiäre Folgen. Zu den Eltern, zu denen er laut Verteidigerin seit der Kindheit ein schwieriges Verhältnis hat, gibt es seither keinen Kontakt mehr, sein Kind darf er nur noch in Begleitung sehen. „Die Familie hat Angst vor ihm, aber auch um ihn“, berichtet Amtsgerichtsdirektorin Brigitte Grenzstein, die als damalige Ermittlerin im Zeugenstand saß und insbesondere die Aussagen der Eltern wiedergibt.
Weil der Angeklagte durch die unkontrollierte Gewalt das Leben der Frau hätte gefährden können, sieht Richterin Sancak letztlich den Tatbestand der gefährlichen
Körperverletzung als erfüllt an – und zwar in Tateinheit mit Beleidigung gegen die Beamten.
Sie verurteilt ihn zu einer einjährigen Haftstrafe, die sie bei einer Bewährungszeit von drei Jahren zur Bewährung aussetzt. Die Staatsanwältin hatte zuvor ein Jahr und vier Monate auf Bewährung gefordert, die Verteidigerin sah sieben Monate als ausreichend an.
Alle drei Juristinnen halten dem 36-Jährigen eine günstige Sozialprognose zugute, weil er bald eine Suchttherapie absolvieren und dann wieder Arbeit suchen werde.
Mit dem Ziel, künftig für seine Tochter sorgen zu können, bemühe er sich um Verbesserung. Was er getan habe, sagt der Mann vor der Urteilsverkündung unter Tränen, tue ihm leid. „Ich hoffe, dass ich jetzt den richtigen Weg eingeschlagen habe.“