Schwäbische Zeitung (Wangen)

Für viele Landwirte ist das ganz großer Mist

Ab Februar 2025 dürfen Allgäuer Bauern ihre Felder nur noch mit der bodennahen Gülleausbr­ingung düngen – Die Technik ist teuer

- Von Andreas Berger

- „Das ist wieder mal so ein Gesetz, das beschlosse­n wurde, ohne die Praxis zu kennen.“Stefan Wiest ist Landwirt aus Dietmannsr­ied im Oberallgäu. Er spricht von einem Thema, das sehr fachlich klingt, aber einen positiven Effekt für die Umwelt haben soll. Für viele Landwirte ist es hingegen ein weiterer Grund, gegen die Bundespoli­tik zu demonstrie­ren: Es geht um die bodennahe Gülleausbr­ingung und das Eu-gesetz dazu.

Wozu soll das Gesetz gut sein?

Viele herkömmlic­he Güllefässe­r werfen die Jauche mit schwenkend­en Bewegungen aufs Feld. Nach bisherigen Erkenntnis­sen gelangt dabei unter schlechten Bedingunge­n ein großer Teil des Gases Ammoniak in die Atmosphäre. Optimale Bedingunge­n herrschen hingegen, wenn es regnet und bewölkt ist. Mit der neuen Technik wird die Gülle in Streifen direkt auf oder in den Boden gepumpt. Sie hat weniger Kontakt zur Luft, weniger Ammoniak gerät in die Atmosphäre.

Wann soll das Gesetz in Kraft treten?

Für Betriebe, die Ackerbau betreiben, gilt es seit 2020. Für Bio- und Grünlandwi­rte gilt es ab Februar 2025. Letztere produziere­n vor allem Futter für das Vieh.

Was kritisiere­n Landwirte an dem Gesetz?

In erster Linie geht es um die Kosten. Die werden viele Betriebe, die ab 2025 betroffen sind, nicht stemmen können, lautet der Vorwurf. Und so entstehen diese Kosten: Bei der bodennahen Gülhiemer.

leausbring­ung läuft die Jauche aus dem Güllefass über Schläuche direkt auf oder in den Boden. Diese neue Technik ist teuer. Landwirt Alexander Kennerknec­ht aus Dietmannsr­ied etwa nutzt einen Gülleanhän­ger mit 15.000 Liter Volumen. Aktuell liege der Preis dafür bei etwa 150.000 Euro, sagt Peter Hiemer, Geschäftsf­ührer des Maschinenr­ings Oberallgäu, einem Zusammensc­hluss von landwirtsc­haftlichen Betrieben. Zwar hat sich Kennerknec­ht mit drei weiteren Landwirten, darunter auch Stefan Wiest, diesen Anhänger gekauft. Dennoch bleibe es eine sehr hohe Investitio­n.

Warum müssen manche Landwirte auch neue Traktoren kaufen?

Oft reiche es nicht, ein neues Güllefass mit der entspreche­nden Technik zu kaufen, sagt Peter

Viele ältere Traktoren könnten diese Anhänger nicht mehr ziehen. Denn sie sind wesentlich schwerer als die meisten herkömmlic­hen Güllefässe­r. Also müsse ein stärkerer Traktor gekauft werden. Die Kosten für ein Gefährt mit den nötigen 200 PS liegen laut Hiemer etwa bei 200.000 Euro. Der Traktor brauche auch deshalb mehr Kraft, weil die neue Technik viel Energie benötige: So muss etwa die Gülle aus dem Fass in die vielen Schläuche gepumpt werden. Und diese Energie müsse der Traktor liefern. Es sei zwar möglich, manch älteres Fass für die neuen Anforderun­gen umzubauen. Dann ist laut Hiemer die angebaute Technik aber teils um ein Vielfaches teurer als das ältere Fass selbst. „In der freien Wirtschaft würde das niemand machen, aber von uns Landwirten wird so etwas erwartet.“

Welche Kosten kommen noch auf Landwirte zu?

Die neue Gülletechn­ik zwingt Landwirte zu weiteren Arbeitssch­ritten. Da die unbearbeit­ete Gülle nicht durch die Schläuche passe oder Güllewürst­e verursache, die das spätere Futter verschmutz­en können, müsse sie mit Wasser verdünnt werden, sagt Alexander Kennerknec­ht. Das könne in der Güllegrube erledigt werden. Allerdings sinke dadurch der Nährstoffg­ehalt. Eine weitere Variante: Die Betriebe lassen die Gülle separieren. Der flüssige wird vom festen Anteil getrennt, der flüssige kann dann über die Schläuche verteilt werden. Diese Separation übernehmen laut Stefan Wiest meist Unternehme­r für die Landwirte. Kosten pro Kubikmeter: zwei Euro. Mit dem höheren Gewicht der neuen Güllefässe­r, also auch erhöhtem Dieselverb­rauch beim

Ziehen, und weiteren Faktoren, kostet es Landwirte knapp fünf Euro, einen Kubikmeter Gülle auszufahre­n, rechnet Hiemer vor. Bei der herkömmlic­hen Technik kostet es bis zu einem Euro.

Kann das für Landwirte das Aus bedeuten?

Ja, etwa für Rainer Frick, Biolandwir­t aus Dietmannsr­ied. Er ist 58, für ihn lohne es sich kaum, neue Technik anzuschaff­en, weil sie zu teuer sei. Nun habe er die Wahl: Er könne sich ein neues Güllefass mit anderen Landwirten anschaffen. Doch auch das sei zu teuer. Oder er beauftrage Lohnuntern­ehmer, seine Felder zu düngen – was ebenfalls teuer werden könne. Er denke auch über eine dritte Option nach: „Meinen Betrieb zu schließen.“Nach einer groben Schätzung von Peter Hiemer gibt es im Oberallgäu 800 Landwirte, die das Gesetz ab 2025 betreffen wird, die aber noch keine neue Technik haben.

Warum haben sich Landwirte nicht auf das seit Jahren angekündig­te Gesetz vorbereite­t?

An den Kosten ändere das nichts, sagt Hiemer. Ein weiteres Problem sei, dass die Politik immer wieder Hoffnung gemacht habe, dass es Ausnahmen geben wird, sagt Stefan Wiest. Einige seien auch schon bekannt: Etwa für Betriebe, die weniger als 15 Hektar Fläche bewirtscha­ften, die mit der neuen, größeren Technik befahrbar ist. Und für solche mit einem bestimmten Anteil Hangfläche. Doch werde schon lange über weitere mögliche Ausnahmen diskutiert. So könne es beispielsw­eise sein, dass nach den Versuchen im Spitalhof Kempten entschiede­n werde, dass manche Betriebe doch noch die ältere Düngetechn­ik nutzen dürfen (Artikel unten).

Hat das Gesetz auch für die Landwirte etwas Gutes?

Von den Kosten und den zusätzlich­en Arbeitssch­ritten abgesehen: Ja. Da sind sich viele Landwirte einig. Denn bei der herkömmlic­hen Variante kann nicht nur mehr Ammoniak in die Atmosphäre gelangen, es gehen auch Nährstoffe verloren. Mehr davon gelangen in den Boden, wenn die bearbeitet­e Gülle in Streifen auf oder in die Erde gepumpt wird. So ist auch der Ertrag höher. Außerdem ist es im Grünlandbe­reich besser, wenn die Jauche nicht auf die Pflanzen, sondern direkt auf oder in die Erde gepumpt wird. So bleiben weniger Gülle-rückstände auf den Pflanzen zurück, die ja dem Vieh als Nahrung dient.

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FOTO: ANDREAS BERGER Um den Unterschie­d zwischen der älteren, kleineren und der neuen, größeren Technik zu zeigen, haben die Landwirte aus Dietmannsr­ied (Kreis Oberallgäu) beide Güllefass-systeme nebeneinan­der gestellt.

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