Schwäbische Zeitung (Wangen)

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Cocktailtr­inken im Latschenba­d Am 21. März ist der Internatio­nale Tag des Waldes – Bei Waldness spielen die Bäume aber nicht nur an diesem Tag die Hauptrolle – Die europaweit geschützte Marke will Natur, Gesundheit und Urlauber unter einen Hut bringen

- Von Simone Haefele Weitere Informatio­nen unter www.waldness.info

Wald und Wellness – zwei Begriffe, unter denen sich jeder Mensch etwas vorstellen kann. Der eine verknüpft mit „Wald“lange Spaziergän­ge unter Fichten, Buchen, Tannen, der andere den Duft von Harz und feuchtem Waldboden. Und das Wort „Wellness“hat längst Einzug in den Sprachgebr­auch von Erholungss­uchenden und Urlaubern gefunden. Aber was ist Waldness? Was verbirgt sich hinter dieser Wortkombin­ation aus Wald und Wellness?

Lassen wir zuerst einen der drei Waldnesser­finder zu Wort kommen: „Waldness ist eine Auszeit in der Natur, besser gesagt eine gesundmach­ende, immunstärk­ende Auszeit in und rund um den Wald.“Das sagt der Österreich­er Andreas Pangerl, Journalist und Entwickler touristisc­her Projekte. Zusammen mit Hotelier Hermann Hüthmayr sowie Jäger, Oberförste­r, Waldpädago­ge und Österreich­s offizielle­m Waldbotsch­after Fritz Wolf hat er Waldness kreiert und 2018 als europaweit geschützte Marke etabliert. In erster Linie ist Waldness ein touristisc­hes Projekt mit Destinatio­nen und Gastbetrie­ben als Kooperatio­nspartner. Aber hinter dem Konzept steckt mehr, als nur Urlaub im Wald. Das Projekt hat auch Pädagogen und die Forstwirts­chaft mit ins Boot geholt. Keine Selbstvers­tändlichke­it.

Mit Filzhut, Strickwest­e und Wetterflec­k empfängt Fritz Wolf die Familien vor seiner romantisch gelegenen Waldschule im Almtal im Salzkammer­gut. Er stellt sich als Förster und Waldpädago­ge vor und erklärt gleich zu Beginn, dass im alten Griechenla­nd als Pädagogen die Sklaven bezeichnet wurden, die die Knaben ins Gymnasium begleitet haben. Er sehe sich selbst als ein solcher Pädagoge, als Begleiter in den Wald und als Vermittler des Waldes sozusagen. Zuerst darf sich jeder Teilnehmer aus einer kleinen Astscheibe ein Namensschi­ld basteln. Dann führt Wolf tief hinein in den dunklen Tann, lässt die Menschen den Wald riechen, hören, fühlen, sie blind und barfuß über den weichen Boden laufen. Weich? Ab und zu pikst eine Fichtennad­el in die Fußsohle, sorgt ein Tannenzapf­en für kleine Stolperer. Wer die Augen schließt, stärkt seine anderen Sinne. Plötzlich duftet es sehr stark nach Harz und Pilzen. Der Wind, der in den Baumwipfel­n rauscht, und das Pfeifkonze­rt der Vögel werden laut und lauter. Die Fingerspit­zen ertasten auch noch die kleinste Furche in der Buchenrind­e, jede Unregelmäß­igkeit des Eichenlaub­s.

Wolf versteht es aber nicht nur, die Sinne für die Natur zu schärfen. Er klärt auch über Forst-, Jagd- und Waldwirtsc­haft auf. Ihm geht es dabei vor allem um die authentisc­he Vermittlun­g des Waldes und der Forstwirts­chaft. Dabei passt er sein Programm den jeweiligen Teilnehmer­n an. „Mit kleinen Kindern musst du natürlich völlig anders umgehen als mit Akademiker­n oder mit einer Gruppe von Demenzkran­ken“, erklärt er. Für alle hat er das passende Rezept. Wichtig sei, dass jeder etwas aus dem Wald mitnehmen kann, Forstleute und deren Arbeit kennengele­rnt hat, ahnt, dass hier in Generation­en gedacht und gewirtscha­ftet werden muss, sowie die Erfahrung macht, dass die Menschen, die im und mit dem

Wald arbeiten, nicht per se die Bösen sind. Das hat bereits Früchte getragen. „Viele verstehen mittlerwei­le, warum sie manche Waldgebiet­e nicht betreten dürfen und warum es mehr als sinnvoll ist, den Wald auch als Rohstoffqu­elle zu nutzen in ökologisch vertretbar­er Weise.“Sein Credo: Der Wald muss gesund sein, dann kann er auch den Menschen gesund machen. Denn Waldluft sei wie ein Heiltrunk. Und auch für die Seele „ungeheuer heilwirksa­m“.

Probleme, die es schon seit Jahren mit dem Wald und dem Klima gibt, spart Wolf nicht aus. Dabei monologisi­ert er aber nicht dröge. Stattdesse­n lehnt er sich an den Stamm eines Baumes, bittet seine Gäste, sich ebenfalls auf den Boden zu setzen und drückt einem von ihnen einen dünnen Ast in die Hand. Als Mikrofon. Jetzt schlüpft Wolf in die Rolle des Baumes und steht zum Interview bereit, beantworte­t Fragen wie „Geht es dir gut?“, „Warum stehst du genau an dieser Stelle?“, „Wer wohnt bei dir?“.

Waldpädago­gik wie sie Wolf leibt und lebt ist das wichtigste Standbein von Waldness. Das zweite heißt: Respekt vor dem Wald vermitteln. Aber hinter dem Begriff Waldness steckt noch viel mehr. Das reicht vom Waldwyda (das Yoga der alten Kelten) an wildromant­ischen Plätzen, Waldkneipp­en in glasklaren Bächen,

Wald-massagen und -saunen, Wald schmecken, zum Beispiel durch das Sammeln und Verarbeite­n von Kräutern, sogar Wald-jodeln, Latschenbä­der und natürlich das inzwischen auch in Europa bestens bekannte Waldbaden, das bei Waldness oft Waldluftba­den heißt. In Japan kennt man dieses intensive Eintauchen in die Waldatmosp­häre schon seit mehr als 20 Jahren. Dort wird ein Waldbad sogar auf Rezept verschrieb­en, weil viele Studien inzwischen nachgewies­en haben: Der Aufenthalt im Wald stärkt das Immunsyste­m, baut Stress ab und verbessert die Schlafqual­ität. Verantwort­lich dafür sind die sogenannte­n Terpene, die der Mensch über die Atmung und die Haut aufnimmt. Der Biologe und Buchautor Clemens Arvay („Der Biophilia-effekt. Heilung aus dem Wald“) bezeichnet Waldluft deshalb auch als „hochwirksa­men medizinisc­hen Cocktail“.

Um die Waldness-erfinder Pangerl, Hüthmayr und Wolf hat sich ein Team gebildet aus Wanderführ­ern, Waldpädago­gen, Naturund Landschaft­svermittle­rinnen, Kräuterexp­ertinnen, Yogatraine­rn, Rangern, Jägern, Forstwarte­n und Waldbauern. Sie alle stehen bereit, um mit Hotelgäste­n und Einheimisc­hen, mit Schulklass­en und Rentnergru­ppen, mit behinderte­n Menschen und Wanderern hinein in den Wald zu gehen, um dort „zu entdecken, zu staunen und zu genießen“, wie es Waldness-coach, Märchenerz­ählerin und Jodellehre­rin Sabina Haslinger ausdrückt. Sie fügt an: „Wir bieten Wald mit Anleitung.“Mit Begleitung und Erklärunge­n sollen die Besucher „achtsamer werden und net g’schwind, g’schwind durch den Wald rennen“.

Ihre Waldness-urlauber liegen verstreut und gemütlich auf Laybags (aufblasbar­en Liegen) auf einer Anhöhe am Fuß einer Felswand. Der Blick geht in die grüne Landschaft, hinauf auf die Gipfel und hinunter zum wildromant­ischen Almsee. Rund herum sind die Bäume etwas niedriger, Latschenki­efern herrschen vor, und

im Hintergrun­d sind nur das Rauschen eines Baches und Vogelgezwi­tscher zu hören. Nach dem Regen der vergangene­n Stunden glitzern die Wassertrop­fen in den Nadeln der Kiefern, auf den Blumen und Gräsern. Über dem Tal lösen sich einzelne Wolken auf, und die Sonne bricht durch. Allein dieses Bild ist schon ein Genuss, sofort wird der Entspannun­gsmodus aktiviert. Gut zu wissen: „Nach dem Regen wirken die Botenstoff­e Terpene noch stärker“, so die Expertin. „Es geht hier nicht darum, nachzudenk­en und neue Pläne zu schmieden, sondern einfach darum, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrie­ren – mithilfe der Luft und des Blicks“, erklärt Haslinger das Konzept dieses Latschenba­ds, während ein Teilnehmer dank der guten Luft bereits friedlich eingeschlu­mmert ist ...

Auch Sabina Haslinger lebt und wirkt im Almtal. Der dortige Tourismusv­erband Traunseeal­mtal ist neben anderen in Oberösterr­eich sowie in Niederöste­rreich Waldness-kooperatio­nspartner. Auch einzelne Beherbegun­gsbetriebe gehören dazu, von der einfachen Pension bis hin zum 4-Sterne-seminar-und Eventhotel. Alle Partner müssen entspreche­nde Kriterien erfüllen. Dazu gehören regelmäßig­e Schulungen der Mitarbeite­r bezüglich der Waldness-inhalte, die Teilnahme an einem Waldness-qualitätsm­anagement und natürlich ein entspreche­nder Waldbestan­d. Stefan Schimpl, Co-geschäftsf­ührer vom Tourismusv­erband Traunsee-almtal, ergänzt dazu: „Wir haben vergessen, dass der Wald eine positive Wirkung auf uns hat – ganz ohne Inszenieru­ng. Eine neue Infrastruk­tur ist nicht notwendig, denn die Hardware ist schon da.“

Zurzeit gibt es Waldness nur in Österreich, doch das Konzept soll auch auf andere Länder ausgedehnt werden und ist keinesfall­s nur in den Alpen umsetzbar. Auch Anbieter im Mittelgebi­rge und bis an die Meere seien künftig denkbar, betont Andreas Pangerl.

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FOTOS: ANDREAS PANGERL (2) THOMAS REIBNEGGER (1) / FRITZ WOLF (1) Fritz Wolf (rechts) ist Förster und Waldpädago­ge. Er gehört zu den Gründern von Waldness und möchte unter anderem Urlauber für den Wald und seine Heilkraft sensibilis­ieren.
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Gebannt lauschen die Kinder den spannenden Geschichte­n von Fritz Wolf.
 ?? ?? Entspannen mit Aussicht auf aufblasbar­en Liegen.
Entspannen mit Aussicht auf aufblasbar­en Liegen.
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Wald riecht gut.

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