Wildwuchs statt Holzäcker
Ein naturnaher Mischwald ist fürs Klima und den Wasserhaushalt am besten – Auch die Artenvielfalt und der Waldboden profitieren davon
Das Aufforsten einstiger Waldflächen liegt weltweit voll im Trend. Kehren die Bäume zurück, kann das nicht nur den Klimawandel und das Abschwemmen von Böden bremsen, sondern kommt auch dem Wasserhaushalt und der Artenvielfalt zugute.
Wie ein Wald aussehen sollte, der diese Ziele am besten erreicht, erklärt jetzt ein Team um Fangyuan Hua von den Universitäten in Peking und im englischen Cambridge, sowie Adrian Bruijnzeel vom King’s College London und der Yunnan-universität im chinesischen Kunming in der Zeitschrift „Science“: Naturnahe Wälder erfüllen diese wichtigen Ökosystem-leistungen deutlich besser als von Menschen oft in ordentlichen Reihen gepflanzte Forste, in denen alle Bäume ein ähnliches Alter haben.
Besonders schlecht schneiden bei dieser Untersuchung Forste in trockenen Gegenden wie zum Beispiel die Kiefernwälder auf den Sandböden in Brandenburg ab. „Es ist ja schon lange bekannt, dass solche Kiefernplantagen im Vergleich mit Laubmischwäldern für den Wasserhaushalt der Landschaft sehr ungünstig sind“, untermauert der nicht an der Studie beteiligte Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) dieses Ergebnis. „Der ,Science’-artikel stützt sich auf sehr große Mengen von Daten und zeigt sehr klare Vorteile für naturnahe Wälder“, ordnet der Wald- und Naturschutz-forscher die Studie ein.
Mit 25.950 Vergleichen in 53 Ländern der Erde zwischen gepflanzten Forsten auf der einen und naturnahen Wäldern oder Urwäldern auf der anderen Seite liefern Fangyuan Hua und Adrian Bruijnzeel wichtige Grundlagen für den weltweiten Boom von Aufforstungen. So hat sich das von der Weltnaturschutzorganisation IUCN initiierte und 2011 in Deutschland gegründete Projekt „Bonn Challange“zum Ziel gesetzt, bis 2030 weltweit 350 Millionen Hektar wieder aufzuforsten. Das entspricht etwa der zehnfachen Fläche Deutschlands. Länder wie die USA und China, Brasilien und Costa Rica, Ruanda und Äthiopien hatten diesem Projekt bereits 2017 das Aufforsten von 150 Millionen Hektar zugesagt.
Oft werden bisher allerdings statt der bunten Vielfalt von Bäumen, die sehr häufig in natürlichen Wäldern wachsen, nur sehr wenige oder sogar nur eine Art wie in den Kiefernforsten im Osten Deutschlands gepflanzt. Diese von Naturschützern auch „Holzäcker“genannten Wälder aber bremsen den Klimawandel schlechter als naturnahe Wälder, deren Pf lanzen viel mehr Kohlendioxid aus der Luft holen und den darin enthaltenen Kohlenstoff als Biomasse speichern, zeigt die „Science“-studie.
Demnach halten solche natürlichen Wälder auch die Niederschläge besser zurück und stabilisieren so den Wasserhaushalt der Landschaft. Auf den Holzäckern ist die Bodenerosion deutlich höher und die Artenvielfalt wesentlich geringer als in Mischwäldern.
Nur in einem einzigen Punkt waren diese Kulturwälder ihren natürlichen Pendants überlegen: Sie produzierten mehr Holz, das die Waldbesitzer schlagen und verkaufen können. „Nur wird es im Klimawandel immer weniger darum gehen, auf dieses theoretische bessere Einkommen durch größere Holzernten zu schauen“, erklärt Pierre Ibisch. Schließlich verstärkt das veränderte Klima die Risiken für die Wälder: Stürme werfen öfter ganze Forste um, Hitze- und Dürrewellen lassen viele Bäume absterben oder Waldbrände häufiger auftreten und extreme Wetterlagen begünstigen Pf lanzenkrankheiten und Insektenbefall.
Gegen alle diese Risiken aber sind naturnahe Mischwälder mit Bäumen verschiedener Altersklassen viel besser als weitläufige Holzäcker gewappnet. „Was aber bringt eine theoretisch höhere Holzernte, wenn der Kiefernforst vor der Erntereife abbrennt?“, fragt Pierre Ibisch. „Sollte man da nicht besser auf einen naturnahen Wald setzen, der nicht nur Holz produziert, sondern auch wichtige Ökosystemleistungen liefert?“
Wie aber kommt man in Mitteleuropa zu einem solchen naturnahen Wald, wenn Stürme, Brände oder Insektenbefall die Bäume gerade vernichtet haben? Diese Frage untersuchen Pierre Ibisch und sein Team gerade südlich von Berlin im Gebiet von Treuenbrietzen, wo ein verheerender Brand im Sommer 2018 rund 400 Hektar Wald vernichtete. Auf den 28 Hektar großen Versuchsf lächen blieben die verkohlten und abgestorbenen Kiefern einfach stehen. Dort wurden die federleichten Samen von Zitterpappeln, Birken, Salweiden und anderen Arten hingetragen und überall schossen Keimlinge aus dem Boden.
Die verkohlten Stämme spenden Schatten und mildern so die Folgen der nächsten Hitzewelle, weil die Böden weniger austrocknen.
Daher haben die kleinen Laubbäume auch die Trockensommer 2019 und 2020 gut überstanden, während auf den vom Totholz geräumten Flächen in der Nachbarschaft die gepflanzten Kiefern massenweise eingegangen waren. „Diese sich natürlich entfaltenden Wälder stärken sich selbst und die gesamte Landschaft, indem sie das Mikroklima, den Wasserhaushalt und die Wuchsbedingungen für neue Pf lanzen stabilisieren, mehr Kohlenstoff speichern und auch noch die Artenvielfalt erhöhen“, erklärt Pierre Ibisch. Im Kleinen bestätigt so die Versuchsfläche in Treuenbrietzen die weltweiten Ergebnisse der „Science“-studie: „Sich selbst organisierende Waldökosysteme leisten deutlich mehr als herkömmliche Forstplantagen.“