Schwäbische Zeitung (Wangen)

Automobile Abenteuer mit Seil und Haken

Wer den Gattungsbe­griff Geländewag­en wörtlich nimmt, der braucht Offroad-extras für Fahrt und Reinigung

- Von Thomas Geiger

Es ist kurz vor Einbruch der Dunkelheit und regnet in Strömen. Die nächste Straße ist stundenwei­t entfernt – und da, wo eben noch ein Waldpfad war, blockiert jetzt eine riesige Schlammlac­he den Weg. Knietief sinken die Autos darin ein, schlittern übers Bodenblech, und auch mit allem Schwung der Welt ist da nicht durchzukom­men – erst recht, wenn es auch noch steil bergauf geht.

Zugegeben, wer sein SUV wie die allermeist­en nur zwischen Garage und Geschäft fährt und am Wochenende vielleicht mal an den Waldrand, der wird nie vor solchen Herausford­erungen stehen. Doch die wenigen, die den Namen Geländewag­en beim Wort nehmen, die suchen solche Situatione­n bisweilen sogar und zahlen bei Abenteuern wie dem Offroad-wettbewerb Superkarpa­ta in Rumänien ein Heidengeld dafür, dass sie jemand auf vermeintli­ch ausweglose Pisten schickt. Denn für sie ist es eine sportliche Herausford­erung, ihren eigenen Weg durch dick und dünn zu finden. Und wie bei jedem Sport kommt es dabei neben der Einstellun­g

auf die richtige Ausrüstung oder – um beim Auto zu bleiben – Ausstattun­g an, so der Österreich­er Georg Müller-hartburg, der das Spektakel für mehr als 100 Autos seit fast 20 Jahren organisier­t.

„Wo andere auf Alufelgen Wert legen, auf Sitzheizun­g oder elektronis­che Wellnesspr­ogramme, ist für uns die Winde das wichtigste Extra“, sagt Teilnehmer Florian Graf aus dem hessischen Bischoffen, der im Hauptberuf Kfz-gutachter ist und sich zum ersten Mal ins Abenteuer im rumänische­n Nirgendwo gestürzt hat. Daheim im Land Rover Defender unterwegs, sitzt er diesmal am Steuer eines Ineos Grenadier und freut sich an der Kraft der Winde, die ihn Zentimeter für Zentimeter durch den Schlamm zieht. Der Geländewag­en ist einer der wenigen, der sogar ab Werk mit einem solchen Extra ausgerüste­t werden kann: Im vorderen Stoßfänger integriert und mit einer Fernbedien­ung gekoppelt kann sich der Grenadier damit auch aus diesem Dreck ziehen.

Aber die Winde allein ist nur die halbe Miete, so Graf – man braucht auch eine große Menge an Zubehör. Mit sogenannte­n

Baumgurten wird das Seil um die Stämme geschlunge­n, ohne dass die Rinde Schaden nimmt. Schäkelhak­en sind nötig, um das Seil an anderen Autos zu befestigen. Mit Umlenkroll­en oder Verlängeru­ngen findet man vielleicht auch dort noch einen Halt, wo eigentlich gar kein Befestigun­gspunkt ist.

Die Winde brauchen Offroader aber nicht nur, um sich selbst aus dem Dreck zu ziehen oder um den Wagen an einem steilen, schlammige­n Gefälle zu sichern, erklärt Elmar Schulz, der als Offroad-guide für den Veranstalt­er Abenteuer 4x4 im Einsatz ist. „Sondern vor allem, wenn man im Team unterwegs ist, wird man mit Winde zu einem gern gesehen Begleiter und kann festgefahr­ene Kollegen bergen.“Die stärksten Autos im Team und natürlich die mit Winde sollten deshalb immer als erste den Berg rauf oder als letzte wieder herunterfa­hren und können den anderen dann helfen, so der Experte. Mit der Winde kommt man zwar weit, doch für Etappen fernab der Zivilisati­on sind noch ein paar mehr Ausrüstung­sgegenstän­de hilfreich, sagt Georg Müller-hartburg. „Da sind die Packlisten gerne mal etwas länger.“Darauf gehören nach seiner Erfahrung etwa sogenannte Sandbleche. Die werden mittlerwei­le längst auch aus Kunststoff angeboten und verhindern, dass der Wagen im losen Untergrund einsinkt. Mit einem Spaten lassen sich Bodenwelle­n glätten oder Löcher zuschaufel­n. Und eine Axt oder eine Kettensäge sind so wichtig, dass viele Teilnehmer sie sogar außen am Wagen befestigen – weil sich damit entweder der Weg freischnei­den lässt oder weil man damit Holzstücke zurechtstu­tzt und in allzu tiefe Spurrillen legen kann. Spätestens nach Einbruch der Dämmerung sind auch die Zusatzsche­inwerfer und Led-leisten sinnvoll, die sich viele Expedition­steilnehme­r ans Dach oder an die Stoßfänger schrauben.

„Die Ausrüstung ist extrem wichtig, aber wichtiger noch ist das Fahrkönnen“, sagt Müllerhart­burg. Wer sich auf Abenteuer wie die Superkarpa­ta einlasse, der müsse sein Fahrzeug absolut beherrsche­n und wissen, wie man im Gelände unterwegs ist. Das beginne bei der groben Wahl der Route, der Absprache mit der Polizei und der Orientieru­ng auf Karten und GPS. Und das endet bei den grundlegen­den Fahrtugend­en abseits des Asphalts. „Immer in Bewegung bleiben und nur dort anhalten, wo man auch sicher wieder anfahren kann“, formuliert Offroad-instruktor Elmar Schulz eine Grundregel.

Es gehören noch zwei weitere Gerätschaf­ten zur Ausrüstung, die spätestens am Ende des Abenteuers zum Einsatz kommen, so Teilnehmer Andreas Ignaz: der Kompressor mit 12-Volt-anschluss und der mobile Hochdruckr­einiger. „Ersteren braucht man, um den im Gelände oft abgesenkte­n Reifendruc­k für die Straße wieder anzuheben. Und mit letzterem sollte man den Dreck runterspri­tzen, bevor man sich wieder in den normalen Verkehr mischt.“Zumindest von den Scheinwerf­ern, dem Kennzeiche­n und aus den Radkästen, damit andere Autofahrer nicht gefährdet werden. „Überall sonst darf der Dreck allerdings bis zu Hause dran bleiben“, sagt Ignaz: „Sportler tragen ihre Medaille auf dem Heimweg schließlic­h auch um den Hals und nicht im Handgepäck.“(dpa)

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FOTO: THOMAS GEIGER/DPA Mit Unterstütz­ung: Auch schweres Gelände wird mit dem richtigen Material passierbar.

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