Brox fordert Respekt für die Ärmsten
Der ehemalige Obdachlose erobert bei seiner Fastenpredigt in Ravensburg die Herzen der Zuhörer
- Zu allen fünf Predigten in der Fastenzeit ist die Liebfrauenkirche in Ravensburg sehr gut besucht gewesen. Das Thema Verwundbarkeit sprach viele an, ob vor wissenschaftlichem Hintergrund wie Hildegund Keul und Juan Valdés-stauber, realitätsnah mit Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VDK, oder technisch Andreas Thiel-böhm, Geschäftsführer der Technischen Werke Schussental. Geradezu im Sturm eroberte Richard Brox die Herzen seine Zuhörer.
Wohltuend und berührend war jeweils die musikalische Umrahmung der Chöre. Wenn Pastoralreferent Michael Schindler betete: „Gott, du ewiger, Gott du ewige!“horchten die Besucher auf. Er leitete die Predigtreihe zusammen mit einem Arbeitskreis der Kirchengemeinde. Erinnert sei hier nur an Prediger Juan Valdés-stauber, Regionaldirektor beim ZFP Südwürttemberg, der klarmachte: „Der Nächste ist nicht der, den ich mag, sondern jeder, der mir nahe kommt.“Liebe sei vor allem Zuwendung, Zuhören, Zustimmung.
Der vielleicht bekannteste Obdachlose Deutschlands Richard Brox las vor seiner Fastenpredigt in der Ansprechbar im Haus der Katholischen Kirche aus seinem Spiegel-bestseller „Kein Dach über dem Leben“und kam mit Zuhörerinnen und Zuhörern ins Gespräch. In Jeans und Lederjacke, vom Leben auf der Straße gezeichnet, aber sprachlich versiert, mit dezenter badischer Färbung, las er vom amtlichen Rauswurf aus der Wohnung der verstorbenen Eltern, eine Amtshandlung, die ihn gleichsam „in einen dreißigjährigen Krieg gestoßen“habe.
Mangel an Vertrauen und Scham hätten ihn gehindert Hilfe zu suchen, erklärt er sich heute seine jahrzehntelange Obdachlosigkeit. Ein Sog habe ihn in der Verwahrlosung gehalten. Heute will der Bestsellerautor etwas zurückgeben. Er habe ein ehrenamtliches Projekt mit schwer erkrankten Obdachlosen. Wenn niemand sich um sie kümmere, „dann kommt eben der Brox“, sagte er fast fröhlich.
Auf die Frage nach dem Konzept „Housing first“stellte er sein eigenes Projekt vor. Vereinen und jeder Form von Bürokratie gegenüber ist er skeptisch. Er mietet selber Wohnungen an, kümmert sich dann auch um die Gesundheit seiner Schützlinge und schließlich um die Reintegration
der aus der Gesellschaft Ausgestoßenen.
Auf die Frage einer Besucherin erklärte er, ja seine eigene Obdachlosigkeit habe auch mit einem zerrütteten Elternhaus, mit Gewalterfahrungen in Kinderund Jugendpsychiatrie zu tun.
Als er von der Lagererfahrung seiner Eltern im Nationalsozialismus sprach, kamen dem hartgesottenen Mann die Tränen. Eine andere Besucherin fragte: „Welche Ängste bleiben?“Er verzichte auf private Beziehung, stellte Richard Brox fest.
In der Liebfrauenkirche stellte Monika Braun, zweite Kirchengemeinderatsvorsitzende, den „ganz besonderen Fastenprediger“vor. Sie skizzierte seinen Lebenslauf mit den erschütternden Erfahrungen, aber auch Begabungen, Ehrungen schließlich und dem Traum von einem respektvollen Umgang mit Obdachlosen.
Richard Brox zeigte sich schwer beeindruckt von der großen Menge seiner Zuhörer. Er warb eindringlich dafür, sich um die Ärmsten der Gesellschaft zu kümmern, in die Sozialstationen der Krankenhäuser zu gehen oder in den Württemberger Hof. Er lobte die kirchlichen Räume, die christliche Praxis der Nächstenliebe und bat die Zuhörer förmlich auf Knien, anderen zu helfen, von innen her.
Er bekannte: „Ich stehe vor Ih0 nen, vor zehn Jahren unmöglich. Ich bin dankbar, dass ich hier sein darf, dass Sie mir zuhören. Ich habe keinen Schulabschluss.“Richard Brox hielt die Demokratie hoch und bat darum, obdachlose Menschen nicht von oben herab zu behandeln. „Wenn jeder von uns, jeden Tag eine gute Tat bringt“, zitierte er das Pfadfindermotto, er sei sicher, es komme etwas zurück.