Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wangens einzige Ortsvorste­herin hört auf

Karsees Kornelia Keller ist seit 15 Jahren im Amt – Ihre Bilanz und ihr möglicher Nachfolger

- Von Susi Weber

- Der Anfang war alles andere als einfach. „Ich hatte von allem keine Ahnung“, gesteht Karsees Ortsvorste­herin Kornelia Keller heute. Die gelernte Kinderkran­kenschwest­er und Hausmeiste­rin an der Grundschul­e Leupolz, die 2004 erstmals in den Ortschafts­rat gekommen ist, arbeitete sich akribisch in ihr Amt ein und genoss auch durch ihre Menschlich­keit und Empathie das Vertrauen der Bürger. Nach der Kommunalwa­hl im Sommer soll für die 64-Jährige Schluss sein. Und wie es aussieht, endet für Wangens kleinste Ortschaft auch ein anderes Kapitel: als einzige Wangener Ortschaft mit einer Frau an der Spitze.

Nie, sagt Kornelia Keller, hätte sie damit gerechnet, Ortsvorste­herin zu werden. Doch als ihr Vorgänger Franz Stier aufhörte, waren es die Karseer, die sie auffordert­en, genau das zu tun. Sie, die (ehemalige) Fußball-jugendleit­erin und Elternbeir­atsvorsitz­ende, Narrenzunf­tlerin und Drk-helferin – eine Frau mit Herz, bescheiden, vielschich­tig, nie um einen Spruch verlegen, aber auch da, wenn die Mitmensche­n Hilfe benötigen.

„Ich hatte anfangs das Gefühl, dass die Leute gar nicht so viel Fachwissen von mir erwarten, mir eine Art Schonfrist gewährten“, sagt Keller beim Blick zurück. Ihre Amtsvorgän­ger Julius Stärk und Franz Stier standen ihr bei, ihr Niederwang­ener Ortsvorste­herkollege Berthold Riether, Wangens OB Michael Lang und ein erfahrenes und gutes Ortsverwal­tungsund Bauhofteam. Keller: „Dennoch bin ich ins kalte Wasser geworfen worden und musste schwimmen lernen.“

Keller lernte schnell – auch im Umgang mit den Bürgern, die mit ihr nach eigener Aussage einen durchweg respektvol­len Umgang pf legten: „Wenn bei mir auf dem Rathaus jemand Dampf ablassen wollte, habe ich ihn erst einmal lassen. Man durfte alles sagen, auch mal poltern und maulen. Es geht ja um die Sache und nicht um meine Person.“

Jetzt, mit 64 Jahren, soll aber Schluss sein. In Bälde kommt sie in Rente. „Meinen Mann Rolf gibt es ja auch noch“, sagt sie schmunzeln­d: „Wir wollen jetzt die Zweisamkei­t genießen, mal mit dem Wohnmobil wegfahren, ohne an den nächsten Termin gebunden zu sein.“Dennoch fällt ihr das Auf hören nicht leicht: „Ich habe lange mit mir gekämpft.“

Positiv behält sie all‘ die erfreulich­en Begegnunge­n mit ihren Karseeern in Erinnerung, die Trauungen oder die Besuche zu Jubiläen: „Wichtig war mir immer der gute Draht zu Jung und Alt.“In Kellers Amtszeit fallen beispielsw­eise die (durch Eltern erstellte) Skateanlag­e, die Installati­on der Helfer vor Ort-gruppe Leupolz-karsee und deren personelle Verdoppelu­ng binnen 15 Jahren, verschiede­ne Feste und der Startschus­s für das neue Feuerwehrh­aus.

Als herausrage­nd beschreibt sie das Engagement der Karseer: „Während Corona hatten wir mehr Helfer für Einkäufe und anderes als Leute, die dies in Anspruch nahmen. Und auch als Flüchtling­e nach Karsee kamen, hat sich sofort ein Helferkrei­s gebildet, der immer parat stand.“Die zunächst negativ empfundene Schulschli­eßung hat sich als Glücksfall erwiesen – entstanden sind ein Vereinshau­s samt Gewerbeans­iedlung, das Wohngebiet Bergesch ist von einem Bau zu 15 Häusern gewachsen, die Bevölkerun­g auf aktuell 717 Bürger angestiege­n.

Das Allgäus Finest Festival ist nach Karsee gezogen, die „Schatzküch­e“in der alten Schule wird noch 2024 realisiert. Dass der Dorfladen noch besser angenommen wird, gehört zu Kellers größten Wünschen: „Es wäre schade, wenn er zumachen müsste. Der Laden lebt vom Einkauf unserer Bürger. Und ein Café hat auch nicht jede Ortschaft.“

Wenn Keller geht, tut sie das nicht im Groll oder verbittert. Ja, es gibt schon auch Dinge, die sie ärgern oder zumindest beschäftig­en. Stichwort: Bürokratie. „Sie macht es uns schwer“, sagt Keller – und sorgt sich auch um den Fortbestan­d der Vereine und damit um das Dorfleben. Da wären beispielsw­eise die Gema(gebühren)erschwerni­sse, Regularien, die das Brunnenfes­t auf der Dorfstraße nicht mehr zulassen, oder auch die jährliche Genehmigun­g für die immer gleich ablaufende und wirklich kleine Karseer Dorffasnet: „Es wäre schon eine Erleichter­ung, wenn eine Genehmigun­g mal fünf Jahre gelten würde – außer, es ändert sich was.“

Auch ein ganz spezieller „Baumeister“nervt die Ortschefin: „Inzwischen haben wir zwei Biberfamil­ien mit jeweils fünf, sechs Bibern. Man kann nicht mehr um den See laufen, ohne in Löcher zu fallen.“Im Moment sind Wege gesperrt: „Es ist traurig, dass es so lange geht, bis sich eine Lösung findet.“

Froh ist Kornelia Keller aber, dass sich mit Christoph Bahr, einem ihrer bisherigen Stellvertr­eter, jemand gefunden hat, der bereit ist, ihr nachzufolg­en. Bahr ist seit 2014 im Ortschafts­rat, im Rettungsdi­enst tätig und verheirate­ter Vater zweier erwachsene­r Kinder. „Das freut mich sehr und macht es mir ein bisschen leichter“, sagt Keller. Und zieht nach 15 Jahren als Ortsvorste­herin ein positives Fazit: „Es hat Spaß gemacht. So viel, dass ich wirklich schweren Herzens gehe.“

 ?? FOTO: ORTSVERWAL­TUNG ?? Für die „Bürgerlist­e Karsee“und damit die Ortschafts­ratswahl am 9. Juni haben sich aufstellen lassen (von links): Christoph Bahr, Benjamin Sauter, Siegfried Grenz, Benjamin Schmid, Roswitha Geyer-fäßler, Bernd Striegl, Christian Pfau, Klaus Feuerstein, Stefan Hirscher und Patrick Drumm. Nicht mehr antreten werden neben Kornelia Keller auch Andreas Grabherr, Gerhard Pfau, Michaela Lutz und Fabian Stiller.
FOTO: ORTSVERWAL­TUNG Für die „Bürgerlist­e Karsee“und damit die Ortschafts­ratswahl am 9. Juni haben sich aufstellen lassen (von links): Christoph Bahr, Benjamin Sauter, Siegfried Grenz, Benjamin Schmid, Roswitha Geyer-fäßler, Bernd Striegl, Christian Pfau, Klaus Feuerstein, Stefan Hirscher und Patrick Drumm. Nicht mehr antreten werden neben Kornelia Keller auch Andreas Grabherr, Gerhard Pfau, Michaela Lutz und Fabian Stiller.
 ?? FOTO: SUSI WEBER ?? Nach 15 Jahren ist Schluss. Kornelia Keller tritt nicht mehr bei der Kommunalwa­hl an und beendet ihre Karriere als einzige Wangener Ortsvorste­herin.
FOTO: SUSI WEBER Nach 15 Jahren ist Schluss. Kornelia Keller tritt nicht mehr bei der Kommunalwa­hl an und beendet ihre Karriere als einzige Wangener Ortsvorste­herin.

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