Standortbestimmung beim Olympiasieger im Wohnzimmer
Mitte April startet das Radsportprojekt Move – Derzeit werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer getestet
- „Bleib drauf – da geht noch was! Wir gehen heute bis ans Limit.“Was auf den ersten Blick leicht bedrohlich klingt, sind in Wahrheit die Anfeuerungen eines ehemaligen Olympiasiegers. Wir befinden uns im Wohnzimmer von Uwe Peschel. Auf dem Rad sitzt Teresa Seitz und schwitzt. Peschel testet ihre Fitness. 1992 in Barcelona gewann der ehemalige Radprofi Gold im olympischen Mannschaftszeitfahren. Seit mehr als 20 Jahren lebt der gebürtige Berliner in Kressbronn am Bodensee. In Kooperation mit der „Schwäbischen Zeitung“organisiert er das Radsportprojekt Move. „Gemeinsam Spaß am Radsport haben“, so lautet Peschels Motto.
In weniger als einem Monat startet Move in seine mittlerweile 15. Auflage. Rund 250 Teilnehmer radeln seit 2010 jedes Jahr mit. Aufgeteilt in verschiedene Leistungsgruppen. Um diese zu bestimmen, absolvieren alle Beteiligten im Vorfeld einen Leistungstest. Diesen führt Organisator Peschel in diesem Jahr bei sich zu Hause durch. Er selbst sitzt vor einem großen Monitor. Die Moveteilnehmer im Raum nebenan auf dem Rennrad. Dieses wiederum ist ausgestattet mit allerhand Technik. „Wir messen die getretenen Wattwerte, die Sauerstoffsättigung und auch den Puls“, erklärt Peschel. „Damit kann ich die Fitness unserer Teilnehmer einschätzen und später sicherstellen, dass jeder in der Gruppe fährt, in die er von der Leistung her auch passt.“Außerdem sehe er so, wie sich die Leistungen über die Jahre entwickeln. „Da sehen wir zum Teil tolle Fortschritte“, sagt Peschel.
Ob sie sich im Vergleich zum vergangenen Jahr verbessert hat, möchte auch Teresa Seitz wissen. Für die 37-jährige Ravensburgerin ist es die zweite Saison bei Move. Eine Freundin hat sie im letzten Jahr auf das Radsportprojekt aufmerksam gemacht und schnell die Begeisterung für das gemeinsame Rennradfahren entfacht: „Die Gruppenausfahrten haben mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich in diesem Jahr sogar als Trainer-assistenz versuchen werde“, erzählt Seitz. Zwar sei sie auch früher schon mit dem Rennrad unterwegs gewesen. „Das waren aber immer dieselben Strecken am Bodensee“, so die Finanzanalystin. Durch die gemeinsamen Ausfahrten habe
sie viele neue Strecken kennengelernt. „Ich habe meine Heimat durch Move quasi nochmal neu entdeckt“, erzählt Seitz.
Den größten Vorteil sieht die 37-Jährige aber in der Gemeinschaft: „In der Gruppe fährt man schneller, weiter und hat einfach mehr Spaß, als wenn ich alleine meine Runde drehe.“Gerade bei schlechtem Wetter fände sich immer schnell eine Ausrede, nicht aufs Rennrad zu steigen: „Das geht bei Move aber nicht. Wir fahren bei Wind und Wetter. Und da ich weiß, dass die anderen auch am Start sind, gibt es dann auch für mich keine Ausrede mehr“, so Seitz. Im vergangenen Jahr war die Ravensburgerin in Gruppe
zwei von insgesamt sechs. Eine „bunte Truppe“wie sie selbst sagt. von Jung bis Alt hatten wir alles dabei.“„Der älteste Teilnehmer war deutlich über 70“, weiß Uwe Peschel. Besonders freue ihn auch, dass mittlerweile immer mehr Frauen bei Move mitmachten: „Zwischenzeitlich haben wir bestimmt ein Drittel Frauenanteil“, so Peschel.
Manche hätten Angst, dass sie in den gemischten Gruppen vielleicht nicht mithalten könnten. „Das können wir aber gerade durch unsere Tests im Vorfeld ausschließen. Unsere Gruppen sind leistungsmäßig sehr homogen.“
Dass niemand überfordert wird, bestätigt auch Teresa Seitz: „Auch wenn wir uns zu Trainingszwecken
treffen und alle fit werden wollen, gibt es keinen Leistungsdruck.“Auch finde sich ab und an Zeit für eine kleine Kaffeepause oder ein Eis, wie die 37Jährige aus dem vergangenen Jahr weiß. „Als Leistungssportler wäre das natürlich nicht ideal, aber bei uns steht der Spaß im Vordergrund“, sagt Uwe Peschel.
Apropos Leistungssport, an ihre persönliche Leistungsgrenze muss Teresa Seitz an diesem Tag ran. „Sie muss sich heute einmal komplett ausbelasten. Nur so erhalte ich ihren aktuellen Leistungsstand“, erklärt Peschel. Die wichtigste Größe zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit ist die sogenannte Schwelle. „Das ist der Wert bei dem die Sauerstoffversorgung
der Muskeln durch die Atmung gerade noch so gewährleistet wird. Diese Leistung sollte man entsprechend eine ganze Weile treten können“, so Peschel. Gemessen wird die Schwelle in Watt. Außerdem wird sie in Relation zum Körpergewicht gesetzt. „Das ist wichtig, wenn wir am Berg fahren. Nur wer einen hohen Wattwert pro Kilogramm Körpergewicht treten kann, kann am Berg schnell fahren“, sagt Peschel.
Damit Teresa an diesem Tag das Maximum aus sich herausholen zu kann, befiehlt Peschel seiner sprachgesteuerten Musikbox: „Spiel Rockmusik! Wir müssen sie jetzt ein wenig pushen“, so der Ex-radprofi: „Für die meisten ist das nicht gerade der Lieblingstermin, aber das gehört eben auch dazu.“Nach rund zwanzig Minuten hat es Teresa geschafft. „Es war hart und ich war etwas zu warm angezogen. Aber ich bin zufrieden.“
Zufrieden ist auch Uwe Peschel: „Im Vergleich zu letztem Jahr hast du einen guten Schritt gemacht.“Der Sommer kann also kommen.
„In der Gruppe fährt man schneller, weiter und hat einfach mehr Spaß, als wenn ich alleine meine Runde drehe.“Teilnehmerin Teresa Seitz
„Nur wer einen hohen Wattwert pro Kilogramm Körpergewicht treten kann, kann am Berg schnell fahren.“Initiator Uwe Peschel