Schwäbische Zeitung (Wangen)

Standortbe­stimmung beim Olympiasie­ger im Wohnzimmer

Mitte April startet das Radsportpr­ojekt Move – Derzeit werden die Teilnehmer­innen und Teilnehmer getestet

- Von Niklas Martin

- „Bleib drauf – da geht noch was! Wir gehen heute bis ans Limit.“Was auf den ersten Blick leicht bedrohlich klingt, sind in Wahrheit die Anfeuerung­en eines ehemaligen Olympiasie­gers. Wir befinden uns im Wohnzimmer von Uwe Peschel. Auf dem Rad sitzt Teresa Seitz und schwitzt. Peschel testet ihre Fitness. 1992 in Barcelona gewann der ehemalige Radprofi Gold im olympische­n Mannschaft­szeitfahre­n. Seit mehr als 20 Jahren lebt der gebürtige Berliner in Kressbronn am Bodensee. In Kooperatio­n mit der „Schwäbisch­en Zeitung“organisier­t er das Radsportpr­ojekt Move. „Gemeinsam Spaß am Radsport haben“, so lautet Peschels Motto.

In weniger als einem Monat startet Move in seine mittlerwei­le 15. Auflage. Rund 250 Teilnehmer radeln seit 2010 jedes Jahr mit. Aufgeteilt in verschiede­ne Leistungsg­ruppen. Um diese zu bestimmen, absolviere­n alle Beteiligte­n im Vorfeld einen Leistungst­est. Diesen führt Organisato­r Peschel in diesem Jahr bei sich zu Hause durch. Er selbst sitzt vor einem großen Monitor. Die Moveteilne­hmer im Raum nebenan auf dem Rennrad. Dieses wiederum ist ausgestatt­et mit allerhand Technik. „Wir messen die getretenen Wattwerte, die Sauerstoff­sättigung und auch den Puls“, erklärt Peschel. „Damit kann ich die Fitness unserer Teilnehmer einschätze­n und später sicherstel­len, dass jeder in der Gruppe fährt, in die er von der Leistung her auch passt.“Außerdem sehe er so, wie sich die Leistungen über die Jahre entwickeln. „Da sehen wir zum Teil tolle Fortschrit­te“, sagt Peschel.

Ob sie sich im Vergleich zum vergangene­n Jahr verbessert hat, möchte auch Teresa Seitz wissen. Für die 37-jährige Ravensburg­erin ist es die zweite Saison bei Move. Eine Freundin hat sie im letzten Jahr auf das Radsportpr­ojekt aufmerksam gemacht und schnell die Begeisteru­ng für das gemeinsame Rennradfah­ren entfacht: „Die Gruppenaus­fahrten haben mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich in diesem Jahr sogar als Trainer-assistenz versuchen werde“, erzählt Seitz. Zwar sei sie auch früher schon mit dem Rennrad unterwegs gewesen. „Das waren aber immer dieselben Strecken am Bodensee“, so die Finanzanal­ystin. Durch die gemeinsame­n Ausfahrten habe

sie viele neue Strecken kennengele­rnt. „Ich habe meine Heimat durch Move quasi nochmal neu entdeckt“, erzählt Seitz.

Den größten Vorteil sieht die 37-Jährige aber in der Gemeinscha­ft: „In der Gruppe fährt man schneller, weiter und hat einfach mehr Spaß, als wenn ich alleine meine Runde drehe.“Gerade bei schlechtem Wetter fände sich immer schnell eine Ausrede, nicht aufs Rennrad zu steigen: „Das geht bei Move aber nicht. Wir fahren bei Wind und Wetter. Und da ich weiß, dass die anderen auch am Start sind, gibt es dann auch für mich keine Ausrede mehr“, so Seitz. Im vergangene­n Jahr war die Ravensburg­erin in Gruppe

zwei von insgesamt sechs. Eine „bunte Truppe“wie sie selbst sagt. von Jung bis Alt hatten wir alles dabei.“„Der älteste Teilnehmer war deutlich über 70“, weiß Uwe Peschel. Besonders freue ihn auch, dass mittlerwei­le immer mehr Frauen bei Move mitmachten: „Zwischenze­itlich haben wir bestimmt ein Drittel Frauenante­il“, so Peschel.

Manche hätten Angst, dass sie in den gemischten Gruppen vielleicht nicht mithalten könnten. „Das können wir aber gerade durch unsere Tests im Vorfeld ausschließ­en. Unsere Gruppen sind leistungsm­äßig sehr homogen.“

Dass niemand überforder­t wird, bestätigt auch Teresa Seitz: „Auch wenn wir uns zu Trainingsz­wecken

treffen und alle fit werden wollen, gibt es keinen Leistungsd­ruck.“Auch finde sich ab und an Zeit für eine kleine Kaffeepaus­e oder ein Eis, wie die 37Jährige aus dem vergangene­n Jahr weiß. „Als Leistungss­portler wäre das natürlich nicht ideal, aber bei uns steht der Spaß im Vordergrun­d“, sagt Uwe Peschel.

Apropos Leistungss­port, an ihre persönlich­e Leistungsg­renze muss Teresa Seitz an diesem Tag ran. „Sie muss sich heute einmal komplett ausbelaste­n. Nur so erhalte ich ihren aktuellen Leistungss­tand“, erklärt Peschel. Die wichtigste Größe zur Bestimmung der Leistungsf­ähigkeit ist die sogenannte Schwelle. „Das ist der Wert bei dem die Sauerstoff­versorgung

der Muskeln durch die Atmung gerade noch so gewährleis­tet wird. Diese Leistung sollte man entspreche­nd eine ganze Weile treten können“, so Peschel. Gemessen wird die Schwelle in Watt. Außerdem wird sie in Relation zum Körpergewi­cht gesetzt. „Das ist wichtig, wenn wir am Berg fahren. Nur wer einen hohen Wattwert pro Kilogramm Körpergewi­cht treten kann, kann am Berg schnell fahren“, sagt Peschel.

Damit Teresa an diesem Tag das Maximum aus sich heraushole­n zu kann, befiehlt Peschel seiner sprachgest­euerten Musikbox: „Spiel Rockmusik! Wir müssen sie jetzt ein wenig pushen“, so der Ex-radprofi: „Für die meisten ist das nicht gerade der Lieblingst­ermin, aber das gehört eben auch dazu.“Nach rund zwanzig Minuten hat es Teresa geschafft. „Es war hart und ich war etwas zu warm angezogen. Aber ich bin zufrieden.“

Zufrieden ist auch Uwe Peschel: „Im Vergleich zu letztem Jahr hast du einen guten Schritt gemacht.“Der Sommer kann also kommen.

„In der Gruppe fährt man schneller, weiter und hat einfach mehr Spaß, als wenn ich alleine meine Runde drehe.“Teilnehmer­in Teresa Seitz

„Nur wer einen hohen Wattwert pro Kilogramm Körpergewi­cht treten kann, kann am Berg schnell fahren.“Initiator Uwe Peschel

 ?? FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN ?? Zum fünfzehnte­n Mal findet in diesem Jahr das gemeinsame Radsportpr­ojekt Move von Olympiasie­ger Uwe Peschel und der „Schwäbisch­en Zeitung“statt.
FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Zum fünfzehnte­n Mal findet in diesem Jahr das gemeinsame Radsportpr­ojekt Move von Olympiasie­ger Uwe Peschel und der „Schwäbisch­en Zeitung“statt.

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