Schauliegen der schönsten Baumstämme
Bald kommt die 20-Tonnen Eiche aus Aulendorf unter den Hammer - Worauf Kenner achten
- Da liegt sie, die knapp 300 Jahre alte Eiche. Ihr Stamm überragt alle anderen, die entlang der Bahnstrecke hinter Reute bei Durlesbach liegen. Ein Spezialkran hatte den fast 20 Tonnen schweren Stamm aus Aulendorf hierher gebracht, nachdem ein Sturm ihn im Sommer 2023 aus der Erde gerissen hatte.
Der Stamm wird auf der Submission Bodensee Oberschwaben, der Wertholzversteigerung der Region, angeboten. Täglich kommen Interessenten und Bieter vorbei. Timo Ewald ist Forstingenieur bei der Holzagentur der Kreisverwaltung Biberach und zuständig für die Submission. Er ist von der Eiche beeindruckt und damit nicht allein. Er erzählt, die Mund-zumund-propaganda habe funktioniert. Die Eiche habe für Aufsehen gesorgt. Allein ihre Größe schlägt
alle Rekorde. Mehrere Wochen liegt sie nun neben anderen wertvollen Hölzern aus. Holzeinkäufer, Schreiner, Drechsler, Fassbauer oder Skulpteure, manche sogar aus dem Ausland, laufen die Stämme ab, begutachten sie genau. Es ist eine Männerwelt. Auch Thomas Rösler ist, trotz Dauerregens, an diesem Morgen hergekommen. Er ist Freischaffender Künstler und kreiert große Wunderwerke aus Holz. Dabei ist der Übergang von Gebrauchsgegenstand zu Kunst bei ihm fließend. Der riesige Eichenstamm fasziniert ihn, doch er hat Bedenken. „Das Problem ist, wie man den vom Hof bekommt“, gesteht er. Er streicht über den aufgeschnittenen Stamm.
Der Fußschnitt, der untere Teil des gefällten Baums, ist wichtig und gilt als die Visitenkarte. Aber auch der sogenannte Zopf, das obere Ende, sagt viel über den Zustand aus. Farbe, Risse oder Festigkeit des Holzes können Kenner deuten. Jeder Stamm trägt kleine Plastiketiketten mit Nummern. Ewald hat sie mit einem Bolzen in das Holz geschlagen. Wer auf die 2290 setzt, die Nummer des großen Eichenstamms, könnte den Sechser im Holzlotto ziehen. Eichen überwiegen, auch einige Douglasien mit schönem rotem
Holz liegen dort. Der Boden trieft vor Nässe. Links einige Lerchen, rechts vom Waldweg liegt eine Esche mit einem auseinanderzweigenden Stamm. Das sei typisch für die Esche, erzählt Rösler. „Wir nennen sie auch Bratwurstholz. Sie haben an den Schnittstellen den Hang, auseinander zu klaffen, wie eine aufgeschnittene Bratwurst.“Auch wenn der Regen lästig ist, für die Begutachtung ist er vorteilhaft. Zuviel Sonne verändert die Farbe des Holzes und erschwert das Urteil.
Je nach Verwendungszweck filtern die Interessenten ihren Blick auf die Stämme. Fassbauer brauchen Eichenstämme mit möglichst wenigen Astlöchern, damit das Holz beim Biegen stabil bleibt. Wer rustikale Tische herstellt, empfindet ein Astloch vielleicht sogar als Pluspunkt. Furnierbauer mögen eine gleichmäßige Maserung, die bei engen Jahresringen gegeben ist. Weiter hinten lagert ein weiterer Hingucker. Das Muster im Fußschnitt gleicht einer Blume. Das Holz ist dunkelrot gemustert, die Rinde noch zerfurchter als bei der großen Eiche. „Das ist ein Mammutbaum“, erzählt Ewald. Die Astlöcher an seinen Seiten gleichen Bullaugen. Der Baum stammt aus Vorarlberg. Daneben zwei sehr schlanke Stämme, die größentechnisch aus dem Rahmen zu fallen scheinen. „Das sind Eiben, die für den Bogenbau wegen ihrer Biegsamkeit beliebt sind“, erklärt der Forstingenieur. „Ich habe noch nie so viele Nachfragen für einen Stamm bekommen wie dieses Mal“, erzählt Ewald. Die Rieseneiche hat bereits in den Sozialen Medien für Aufsehen gesorgt. Auch bei David „kribbelt es in den Finger.“Er und sein Team von der Schwäbischen Alb haben sich den Stamm genau angeschaut und werden bieten. Vorher
müssen aber logistische Sachen wie Transport, Lagerung und Sägen genau abgeklärt werden. So ein Stamm muss jahrelang trocknen. „Das ist Lagerungsplatz über mehrere Jahre“, erzählt er.
Am 19. März entscheidet sich, wer den Stamm erhält. Die Bieter stecken Preisgebot und Nummer in einen Briefumschlag, der pünktlich in Biberach ankommen muss. Manche Interessenten bieten bei einer Submission auf viele Stämme, andere geben ein einziges Gebot ab. Die Preise oszillieren zwischen 200 und mehreren 1000 Euro pro Festmeter. Viele Kriterien und viel Erfahrung f ließen in die Entscheidung zu einem Angebot ein. Die Entscheidung fällt meistens direkt vor Ort, am Stamm selbst.
Ewald rechnet mit tausend Euro pro Festmeter für den besonderen Eichenstamm. Rund 17 Festmeter hat der Stamm.