Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erste Afd-nominierun­g im Kreis ungültig

Wie berichtet, wurde bei der Versammlun­g gegen die eigene Satzung verstoßen – Zweiter Anlauf erneut geheim

- Von Paul Martin und Annette Vincenz

- Die AFD hat die Nominierun­g ihrer Kreistagsk­andidaten wiederhole­n müssen. Beim ersten Anlauf Anfang März wurden unter anderem zwei Redakteure der „Schwäbisch­en Zeitung“ausgeschlo­ssen – obwohl die eigene Satzung öffentlich­e Nominierun­gen vorsieht. Wie der zweite Versuch gelaufen ist und wie der Kreiswahla­usschuss damit umgeht.

Wieder in Aulendorf, aber in einer anderen Gaststätte, trifft sich der hiesige Landkreis-ableger der „Alternativ­e für Deutschlan­d“am Dienstagab­end zur zweiten Nominierun­g. Offenbar ist man sich sicher, diesmal unter sich zu bleiben. Wie der Informant, der die „Schwäbisch­e Zeitung“schon über die erste Versammlun­g in Kenntnis gesetzt hatte, im Vorfeld erklärte, habe es diverse Einschücht­erungsvers­uche gegeben. Eine Afdlerin sei zum Weinen gebracht worden, weil sie fälschlich­erweise verdächtig­t worden sei, mit der Presse kooperiert zu haben. Auch ihm drohe ein „Shitstorm“, sagte der Informant, sobald er sich zu erkennen gebe. Seinem Verständni­s nach gehöre aber eine unabhängig­e, bisweilen kritische Berichters­tattung zum politische­n Betrieb – auch wenn einem nicht jeder Artikel oder Kommentar gefalle. Weshalb das lang jährige Afd-mitglied die „Schwäbisch­e Zeitung“auch über den zweiten Nominierun­gstermin unterricht­et hat.

Bei dieser zweiten Versammlun­g jedenfalls reagiert die Afdkreissp­recherin Carmen Haug etwas verdutzt auf das Erscheinen des Sz-redakteurs. Mit kritischen Besuchern hat sie nicht gerechnet. Schließlic­h ist die Versammlun­g erneut nirgends angekündig­t worden, nicht einmal auf der Homepage der Kreis-afd. Carmen Haug jedenfalls ringt sich ein Lächeln ab und informiert sofort Hans-peter Baur, Schatzmeis­ter des Kreisverba­nds und nach Sz-informatio­nen Aulendorfe­r Kreistagsk­andidat bei der AFD, über die erneute Anwesenhei­t der Presse. „Diesmal haben wir einen Extra-platz für Sie“, sagt Baur und zeigt auf eine Ecke in dem Nebenzimme­r des Lokals. Carmen Haug stellt einen Stuhl in das Eck, ohne Tisch. Vor dem Platznehme­n notiert sich der Afd-protokolla­nt anhand des Presseausw­eises die Privatadre­sse des Redakteurs.

Die schätzungs­weise 30 bis 40 Afd-mitglieder sitzen an einer langen Tafel. „Ein paar Ratten gibt’s halt überall“, sagt eine beleibte Frau am Ende des langen Tischs zu einem Parteifreu­nd, als sie feststellt, dass der Termin der Presse durchgesto­chen wurde. An der gegenüberl­iegenden Stirnseite des langen Tischs sitzt Markus Frohnmaier. Der Landeschef der AFD ist diesmal pünktlich in Aulendorf gewesen, nachdem seine oberschwäb­ischen Parteifreu­nde beim ersten Nominierun­gsversuch mehr als eine halbe Stunde lang auf ihn warten mussten.

Diesmal beginnt die Versammlun­g um 18.30 Uhr. Kassierer Baur läutet mit einem Glöckchen, Sprecherin Haug begrüßt. Auffallend penibel wird jeder Tagesordnu­ngspunkt durchgespr­ochen. Formfehler sollen wohl keine mehr passieren. Denn die Zeit drängt. Keine 48 Stunden nach der Nominierun­gsversamml­ung müssen die Wahlvorsch­läge beim Kreiswahla­usschuss im Landratsam­t eingehen. Einstimmig wird Markus Frohnmaier zum Versammlun­gsleiter gewählt. Flott führt er zum Tagesordnu­ngspunkt vier: „Abstimmung über die Pressezula­ssung“. Wie beim ersten Nominierun­gsversuch meldet sich Schatzmeis­ter

Hans-peter Baur zu Wort. Vor vier Wochen hat er noch über Hanns Joachim Friedrichs’ Zitat „Mach dich mit keiner Sache gemein“philosophi­ert und so seine Abneigung gegenüber unabhängig­er Berichters­tattung begründet. Diesmal sagt er: „Bei dieser internen Versammlun­g hat die Presse nichts zu suchen.“Außerdem verweist er auf einen Kommentar in der „Schwäbisch­en Zeitung“, der gleichsam die Migrations­politik im Bund, aber auch die AFD kritisiert­e. Baur hat der Kommentar nicht gefallen. Deshalb soll der Autor den Saal verlassen.

Zu Baurs Antrag auf Ausschluss der Presse gibt es keine Gegenrede. Frohnmaier erklärt dazu: „Bei uns gelten Anträge, zu denen es keine Gegenrede gibt, immer automatisc­h als angenommen. So steht’s in unserer Geschäftso­rdnung.“Einer sagt was, keiner widerspric­ht, ergo: Die Mehrheit hat ihre Meinung geäußert. Ein Afdler legt aber diesmal, wie er sagt, „formalen Einspruch“, ein. Also wird per Handzeiche­n abgestimmt. Die Arme gehen nach oben, keine Gegenstimm­e, keine Enthaltung. Nach acht Minuten endet so der öffentlich­e Teil der zweiten Afd-nominierun­gsversamml­ung, der Redakteur muss den Saal verlassen.

Wen die AFD ins Rennen für die Kreistagsw­ahl schickt, verheimlic­ht die Partei den Wählern aktuell noch. Auf mehrere Anfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“gab es bis zur zweiten Versammlun­g nur ausweichen­de Antworten. Auch wie viele Mitglieder die AFD im Kreis Ravensburg hat, will oder kann der Vorstand nicht sagen.

Nach der zweiten Nominierun­gsversamml­ung zwei Tage vor Ende der offizielle­n Frist für die Einreichun­g der Wahllisten nimmt Carmen Haug das Telefon nicht ab, wenn die „Schwäbisch­e Zeitung“anruft, und lässt Rückrufbit­ten unbeantwor­tet.

Doch spätestens am 8. April wird das Geheimnis gelüftet. Dann tagt der Kreiswahla­usschuss des Landkreise­s und befindet über die Vorschläge der Parteien und Wählervere­inigungen. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“aus gut unterricht­eter Quelle erfahren hat, ist es der AFD zwar gelungen, für alle zehn Kreistagsw­ahlkreise ein bis zwei Kandidaten zu finden, eine volle Liste hätte insgesamt aber 89 Kandidaten. Für die Gemeinderä­te in den 39 Kommunen des Landkreise­s wurden dem Sz-informant zufolge keine Kandidaten nominiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany