Bürgerinitiative wehrt sich gegen Windkraft in Kißlegg
Mehr als 100 Besucher kommen zur Veranstaltung der BI Pro Mensch und Natur Kißlegg – Das sind die Argumente
- Auf großes Interesse gestoßen ist die Veranstaltung der Bürgerinitiative Pro Mensch und Natur Kißlegg in der vergangenen Woche. Mehr als 100 Besucher verfolgten im evangelischen Gemeindehaus in Kißlegg die Vorträge und Videobeiträge, mit denen die Kritiker des geplanten Windkraftprojekts im Hunauer Wald ihre Argumente darstellten und aus ihrer Sicht über das Projekt informierten.
Was ist geplant?
Die Firma Uhl Windkraft aus Ellwangen will in einem Wald östlich von Kißlegg drei Windkraftanlagen des Typs Vestas V172 mit einer Nabenhöhe von 175 Metern bauen. Einen Genehmigungsantrag hat das Unternehmen noch nicht eingereicht. Eine geplante Bürgerinformationsveranstaltung wurde zuletzt verschoben. Sie soll es nun am Abend des 17. April geben. Der BI Pro Mensch und Natur Kißlegg ist dies zu spät. Sie wollte vor dem 29. März informieren. Dann nämlich endet für Privatpersonen die Frist, um Einwände gegen den vom Regionalverband ausgearbeiteten Teilregionalplan Energie einzureichen. Der Plan muss nach Landesvorgabe 1,8 Prozent der Regionalverbandsfläche als Vorranggebiete für Windkraft ausweisen. Auch der betroffene Hunauer Wald ist als solches vorgesehen.
Wie lief die Veranstaltung ab?
Sie startete mit einem ausführlichen Vortrag von Bi-mitglied Armin Kohler. Er ist auch Mitglied der Gruppe Entwicklung Lebensraum Kißlegg (ELK) und aktiv im Netzwerk Naturschutz Allgäu Oberschwaben, einem Zusammenschluss von Bürgerinitiativen in der Region. Kohler sprach über das geplante Windkraftprojekt in Kißlegg und über vergleichbare Anlagen. Dabei ging es
um Fundamente und Wegbreiten sowie um landschaftliche Besonderheiten des Kißlegger Gebiets. Im Anschluss wurden mehrere Videobeiträge gezeigt. Eine kurze Fragerunde und die Möglichkeit, mit Bi-mitgliedern ins persönliche Gespräch zu kommen und sich an Tafeln weitere Informationen anzusehen, rundeten den Abend ab. Den Abend moderierte Herbert Krug – neben Thomas Dieng und Christian Miller einer der drei Ansprechpartner der Bürgerinitiative – und direkter Anwohner zu einem geplanten Windkraftanlagenstandort.
Wie argumentiert die BI generell?
Im Kern betonte die BI, es gehe ihr darum, dass sie den Standort aus Natur- und Artenschutzgründen für absolut ungeeignet hält und das Projekt dort deshalb ablehnt. Deshalb bezeichnen sie sich auch explizit nicht als Windkraftgegner, sondern als Standortkritiker. Neben standortspezifischen wurden an dem Abend aber durchaus auch generell windkraftkritische Argumente vorgetragen, etwa zu Auswirkungen von Infraschall, Entsorgungsfragen und Rotorabrieb. Generell, das wurde in Kohlers Vortrag deutlich, sieht die BI gesetzlich geregelte Natur- und Landschaftsschutzansprüche, wie sie etwa im Landesentwicklungsplan oder im Regionalplan (Stichwort Vorranggebiet für besondere Waldfunktionen) für das betroffenen Gebiet gelten, durch das Windkraftprojekt zu stark beeinträchtigt.
Welche standortspezifischen Argumente führt die BI an?
Nach Ansicht der BI tangieren die Windkraftanlagen über 40 Schutzgebiete, direkt im Planungsgebiet oder in der Nähe. Darunter fasst sie sowohl Moore als auch private Brunnen, Ffh-gebiete oder auch Seen und Feuchtgebiete. Dass Brunnen trocken fallen könnten, sollten die Windkraftanlagen gebaut werden, diese Sorge trug Friedrich Rockhoff als Vorstandsmitglied der BI Dezentrale Wasserversorgung Oberschwaben in einem der Videobeiträge vor. Der Kißlegger ist auch Cdu-gemeinderat. Aus dem Planungsgebiet würden etwa zwölf Brunnen ihr Wasser beziehen, schätzt er. „Moore sind ideale Wasserspeicher“, sagte er und verwies auf die Anstrengungen, allenthalben Moore zu renaturieren.
„Eine problematische Entwicklung in einem Gebiet, das ganz anderes Potenzial für den Klimaschutz hätte“, nannte das Windkraftprojekt Ulrich Weiland in seinem Video. Der gebürtige Kißlegger ist Moorexperte und Leiter des bayerischen Naturschutzgroßprojekts Allgäuer Moorallianz. Die Rechtslage sei für den Naturschutz in Bezug auf Windkraft schwieriger geworden, umso wichtiger sei es, bei der Ausweisung von Vorranggebieten keine Fehlentscheidungen zu treffen. Mit dem Windkraftprojekt sieht er sowohl Hoch- als auch Niedermoore in der Gegend betroffen. Für den Erhalt der Moore sei wichtig, „die Wasserverhältnisse im Boden nicht zu
stören“, etwa durch Schwerlastverkehr.
Den Eindruck, dass für den Klimaschutz zu viel Artenschutz zurückgestellt werde, gab auch Sepp Bauer, Immenrieder und ehemaliger Kreisökologe des Landratsamts und seit Jahrzehnten im Naturschutz aktiv, wieder. Er forderte per Video „keine wenig lohnenden Anlagen in Hotspots der Artenvielfalt“. Bauer fürchtete, dass wegen der Windkraftanlagen der Insektenbestand in dem Gebiet zurückgehen werde, mit negativen Folgen für das reiche Amphibienvorkommen. Zudem sei das Gebiet Lebensraum für Kreuzottern, es sei nicht untersucht, inwieweit Erschütterungen diese störten.
Und ein weiteres Argument der BI kam zur Sprache. „Genau hier, zwischen den Windrädern, verläuft der Generalwildwegeplan (GWP)“, sagte Rockhoff in seinem Videobeitrag und verwies auch auf eine für viel Geld gebaute Wildtierbrücke über die A 96. Der GWP zeigt die großräumigen Wildtierkorridore als Wechselrouten zwischen Biotopen, und damit Möglichkeiten des genetischen Austauschs, auf. Rockhoff fürchtet, dass die Tiere die Routen nicht mehr nutzen wollen wegen Infraschall und Bodenschwingungen ausgehend von Windrädern. Auch Sepp Bauer meldete in diesem Zusammenhang Bedenken an: „Wandernde Wildtiere stehen dann plötzlich vor der Infrastruktur und haben wenig Möglichkeiten, außen herumzukommen.“
Welche Bedenken haben Anwohner?
Auch mehrere Anwohnerstimmen gab es als Videobeiträge zu hören. „Die geplanten Windkraftanlagen machen mir Angst, weil ich nicht weiß, wie sie sich auf die Pferde auswirken, auf die Zuchtstuten. Wie gehen sie mit dem Lärm um, wie wirkt sich der Infraschall aus“, fragte sich etwa Anwohnerin Eva Kraft. Dass sie sich fürchten oder Angst haben, sagten gleich mehrere Betroffene. Dabei ging es auch um Sorgen um das Tierwohl, dass Betriebe unwirtschaftlich werden, Familienmitglieder erkranken oder Bienen keine Nahrung mehr finden.
Wie war die Stimmung?
Die Filme der BI sorgten mit entsprechender Musik hinterlegt und teils mit Slowmotion-effekten arbeitend dafür, dass es an dem Abend neben der Sachebene auch eine emotionalisierende Ansprache gab. Insgesamt verlief der Abend unaufgeregt. Das galt auch für die anschließende kurze Fragerunde. Dort zeigte sich zum einen, dass die BI nicht für alle Sachfragen der richtige Ansprechpartner ist, aber auch, dass weiterer Informations- und Redebedarf besteht.
Nicht alles am Abend Gesagte blieb unwidersprochen, zu Wort meldeten sich auch einzelne Windkraftbefürworter. Eine ausliegende Unterschriftenliste gegen das Windkraftprojekt füllte sich allerdings. Zudem lagen Mitgliedschaftsanträge der BI – und ein Einspruchsformular gegen den Teilregionalplan. Dieses zu nutzen, dazu rief die BI auf. Das sei „ihr gutes Recht“, meldete sich dazu auch Bürgermeister Dieter Krattenmacher zu Wort, der die Bi-veranstaltung – wie einzelne Gemeinderäte – ebenfalls besuchte. Er sei zwar nicht mit allem am Abend gesagten „deckungsgleich“, „aber von der Richtung und dem Ton hat es gepasst“.
Dass die Stimmung beim Thema Windkraft in Kißlegg offenbar nicht immer friedlich blieb, lässt nicht zuletzt ein Teil von Armin Kohlers Vortrag ahnen: Er widmete eine ganze Folie den „Spielregeln“. Gewaltfrei, respektvoll und fair bleiben, lautete etwa eine. Sich zur Meinungsbildung umfassend zu informieren, eine andere.