Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die widersprüc­hliche Wirkung privaten Kapitals

Neuer Infrastruk­turfonds soll helfen, dringende Investitio­nen in Schienen und Straßen zu finanziere­n

- Von Hannes Koch

- Im kommenden Jahr werden die Steuereinn­ahmen des deutschen Staates wohl erstmals die Billioneng­renze überschrei­ten. Mehr als 1.000 Milliarden Euro sollen Bund, Länder und Gemeinden dann einnehmen – das entspricht etwa einem Viertel der Wirtschaft­sleistung. Und trotzdem fehlt der öffentlich­en Hand Geld für die Unterhaltu­ng und den Neubau von Schienen, Straßen und Schulen. Auch für die staatliche Unterstütz­ung des Wohnungsba­us, der Gebäudesan­ierung und der Solarindus­trie wären mehr Mittel nötig. So wird nun die Idee eines sogenannte­n Infrastruk­turfonds diskutiert, auch bei der Konferenz der Verkehrsmi­nister am Mittwoch und Donnerstag.

Wozu soll ein Infrastruk­turfonds dienen?

Der Zweck besteht darin, zusätzlich­e Mittel zum Beispiel für Investitio­nen in Schienen und Straßen aufzutreib­en, die aus den öffentlich­en Haushalten nicht so einfach zu beschaffen sind.

Grundsätzl­ich gibt es diese Varianten: Erstens: Der Staat macht es selbst. So könnten sich Bund und Länder einigen, bestimmte Beträge in den kommenden Jahrzehnte­n abzuzweige­n und verlässlic­h in einen Sondertopf einzuzahle­n, damit die Investitio­nen auch wirklich stattfinde­n. Zweitens: Der Staat schafft eine Institutio­n, in die nicht nur er, sondern auch private Kapitalgeb­er große Summen einzahlen. Das könnten unter anderem Versicheru­ngen oder Investment­fonds sein, die einen Teil des Geldes ihrer Kunden oder Anteilseig­ner gewinnbrin­gend anlegen wollen.

Wer macht sich für diese private Lösung stark?

Ins Gespräch gebracht haben sie Bundesfina­nzminister Christian Lindner und Verkehrsmi­nister Volker Wissing (beide FDP). Der nordrhein-westfälisc­he Verkehrsmi­nister Oliver Krischer (Grüne) unterstütz­t die Idee. So könnte ein Teil der Dutzenden Milliarden Euro aufgebrach­t werden, die der Ausbau des öffentlich­en Bus- und Bahnverkeh­rs erfordere, sagte Krischer, der momentan auch der Konferenz der Verkehrsmi­nister der Länder und des Bundes vorsteht. Verena Hubertz, eine Vizefrakti­onschefin der SPD im Bundestag, hat ebenfalls Unterstütz­ung signalisie­rt.

Wohlgemerk­t: Bisher ist das nur eine Idee, konkrete Vorschlägr­enzen

ge fehlen. Vor neun Jahren präsentier­te eine Kommission unter Leitung des Ökonomen Marcel Fratzscher (DIW) ein ähnliches Konzept, aus dem aber nichts wurde. Heute plädiert Fratzscher für einen Fonds, in den auch Bürger Kapital einzahlen können, um Renditen zu erhalten.

Warum ist so ein Fonds überhaupt nötig?

Eigentlich könnte sich der Staat das nötige Geld auch anders beschaffen. Angesichts der großen Summen sind dem aber politische

gesetzt. Möglich wären beispielsw­eise Umschichtu­ngen in den öffentlich­en Haushalten, wobei diese immer zulasten anderer Vorhaben und Interessen­gruppen gehen. Das wäre also schwierig. Die einfachere Variante, mehr Schulden aufzunehme­n, schließt die FDP aus. Das gilt ebenso für Steuererhö­hungen.

Welche Vorteile bringt privates Kapital?

Der entscheide­nde Punkt sind die zusätzlich­en Mittel, die aus anderen Quellen kommen als den öffentlich­en. Außerdem mag „ein Vorteil darin liegen, dass private Geldgeber schneller und effiziente­r bauen“als der Staat, sagt Jens Boysen-hogrefe vom Institut für Weltwirtsc­haft (Ifw). Eine Autobahn oder Schienenst­recke, errichtet unter dem Management einer privaten Firma, wäre dann vielleicht nach vier Jahren fertig, nicht erst nach acht.

Und die Nachteile?

Darüber, ob Private besser und schneller arbeiten, herrscht aber Uneinigkei­t. „In der Regel bauen private Investoren nicht effiziente­r als öffentlich­e“, sagt Sebastian Dullien vom gewerkscha­ftlichen Institut für Makroökono­mie. Außerdem ist „durch private Investoren finanziert­e öffentlich­e Infrastruk­tur teurer, als wenn der Staat selbst“tätig wird. Das sieht auch Boysen-hogrefe so: „Private Geldgeber beanspruch­en eine Rendite.“Diese wird auf die Baukosten aufgeschla­gen, sodass der Preis unter dem Strich höher ausfällt.

Gibt es Vorbilder für privatöffe­ntliche Finanzieru­ng?

Ein Fonds, wie er momentan diskutiert wird, existiert hierzuland­e bisher nicht. Wohl aber gibt es sogenannte Öffentlich-private Partnersch­aften (ÖPP), die auf einzelne Bauprojekt­e begrenzt sind, etwa einen Teil der Autobahn A 9 zwischen Berlin und Nürnberg oder den A-7-tunnel Schnelsen in Hamburg. In solchen und ähnlichen Konstrukti­onen erhalten die Privatfirm­en Mauteinnah­men von den Autofahrer­n, Trassengeb­ühren von Zugbetreib­ern oder Zuschüsse vom Staat. Laut Medienberi­chten soll der Bundesrech­nungshof mehrfach die zu hohen Kosten von Öpp-projekten kritisiert haben.

Was machen andere Länder?

„Ein gutes Beispiel für Infrastruk­turfinanzi­erung ist die staatliche österreich­ische Gesellscha­ft Asfinag“, erklärt Boysen-hogrefe. Dieser gehörten die dortigen Autobahnen, sie finanziere sich unter anderem durch die Maut und könne sich auch verschulde­n. „In dieser Konstrukti­on ist privates Kapital nicht nötig“, sagt der Ifwökonom. Für ihr gutes Schienenne­tz hat die Schweiz den öffentlich­en Bahninfras­trukturfon­ds, der sich unter anderem aus Steuermitt­eln speist.

Was könnten öffentlich­e Firmen leisten?

Wirtschaft­sforscher Dullien sagt: „Eine gute Lösung besteht darin, staatseige­ne Unternehme­n mit Bau und Unterhaltu­ng der Infrastruk­tur zu beauftrage­n.“Einerseits muss dabei keine private Rendite finanziert werden, anderersei­ts können Unternehme­n in Staatsbesi­tz „einen Teil der benötigten Mittel am Kapitalmar­kt beschaffen, indem sie Kredite aufnehmen“, so Dullien. Es würde mehr Geld zur Verfügung stehen, ohne dass die Finanzmini­ster die Schulden erhöhen müssten.

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Teuer, aber notwendig: Ein Bautrupp der Deutschen Bahn repariert das Gleisbett.

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