Die widersprüchliche Wirkung privaten Kapitals
Neuer Infrastrukturfonds soll helfen, dringende Investitionen in Schienen und Straßen zu finanzieren
- Im kommenden Jahr werden die Steuereinnahmen des deutschen Staates wohl erstmals die Billionengrenze überschreiten. Mehr als 1.000 Milliarden Euro sollen Bund, Länder und Gemeinden dann einnehmen – das entspricht etwa einem Viertel der Wirtschaftsleistung. Und trotzdem fehlt der öffentlichen Hand Geld für die Unterhaltung und den Neubau von Schienen, Straßen und Schulen. Auch für die staatliche Unterstützung des Wohnungsbaus, der Gebäudesanierung und der Solarindustrie wären mehr Mittel nötig. So wird nun die Idee eines sogenannten Infrastrukturfonds diskutiert, auch bei der Konferenz der Verkehrsminister am Mittwoch und Donnerstag.
Wozu soll ein Infrastrukturfonds dienen?
Der Zweck besteht darin, zusätzliche Mittel zum Beispiel für Investitionen in Schienen und Straßen aufzutreiben, die aus den öffentlichen Haushalten nicht so einfach zu beschaffen sind.
Grundsätzlich gibt es diese Varianten: Erstens: Der Staat macht es selbst. So könnten sich Bund und Länder einigen, bestimmte Beträge in den kommenden Jahrzehnten abzuzweigen und verlässlich in einen Sondertopf einzuzahlen, damit die Investitionen auch wirklich stattfinden. Zweitens: Der Staat schafft eine Institution, in die nicht nur er, sondern auch private Kapitalgeber große Summen einzahlen. Das könnten unter anderem Versicherungen oder Investmentfonds sein, die einen Teil des Geldes ihrer Kunden oder Anteilseigner gewinnbringend anlegen wollen.
Wer macht sich für diese private Lösung stark?
Ins Gespräch gebracht haben sie Bundesfinanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP). Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) unterstützt die Idee. So könnte ein Teil der Dutzenden Milliarden Euro aufgebracht werden, die der Ausbau des öffentlichen Bus- und Bahnverkehrs erfordere, sagte Krischer, der momentan auch der Konferenz der Verkehrsminister der Länder und des Bundes vorsteht. Verena Hubertz, eine Vizefraktionschefin der SPD im Bundestag, hat ebenfalls Unterstützung signalisiert.
Wohlgemerkt: Bisher ist das nur eine Idee, konkrete Vorschlägrenzen
ge fehlen. Vor neun Jahren präsentierte eine Kommission unter Leitung des Ökonomen Marcel Fratzscher (DIW) ein ähnliches Konzept, aus dem aber nichts wurde. Heute plädiert Fratzscher für einen Fonds, in den auch Bürger Kapital einzahlen können, um Renditen zu erhalten.
Warum ist so ein Fonds überhaupt nötig?
Eigentlich könnte sich der Staat das nötige Geld auch anders beschaffen. Angesichts der großen Summen sind dem aber politische
gesetzt. Möglich wären beispielsweise Umschichtungen in den öffentlichen Haushalten, wobei diese immer zulasten anderer Vorhaben und Interessengruppen gehen. Das wäre also schwierig. Die einfachere Variante, mehr Schulden aufzunehmen, schließt die FDP aus. Das gilt ebenso für Steuererhöhungen.
Welche Vorteile bringt privates Kapital?
Der entscheidende Punkt sind die zusätzlichen Mittel, die aus anderen Quellen kommen als den öffentlichen. Außerdem mag „ein Vorteil darin liegen, dass private Geldgeber schneller und effizienter bauen“als der Staat, sagt Jens Boysen-hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft (Ifw). Eine Autobahn oder Schienenstrecke, errichtet unter dem Management einer privaten Firma, wäre dann vielleicht nach vier Jahren fertig, nicht erst nach acht.
Und die Nachteile?
Darüber, ob Private besser und schneller arbeiten, herrscht aber Uneinigkeit. „In der Regel bauen private Investoren nicht effizienter als öffentliche“, sagt Sebastian Dullien vom gewerkschaftlichen Institut für Makroökonomie. Außerdem ist „durch private Investoren finanzierte öffentliche Infrastruktur teurer, als wenn der Staat selbst“tätig wird. Das sieht auch Boysen-hogrefe so: „Private Geldgeber beanspruchen eine Rendite.“Diese wird auf die Baukosten aufgeschlagen, sodass der Preis unter dem Strich höher ausfällt.
Gibt es Vorbilder für privatöffentliche Finanzierung?
Ein Fonds, wie er momentan diskutiert wird, existiert hierzulande bisher nicht. Wohl aber gibt es sogenannte Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), die auf einzelne Bauprojekte begrenzt sind, etwa einen Teil der Autobahn A 9 zwischen Berlin und Nürnberg oder den A-7-tunnel Schnelsen in Hamburg. In solchen und ähnlichen Konstruktionen erhalten die Privatfirmen Mauteinnahmen von den Autofahrern, Trassengebühren von Zugbetreibern oder Zuschüsse vom Staat. Laut Medienberichten soll der Bundesrechnungshof mehrfach die zu hohen Kosten von Öpp-projekten kritisiert haben.
Was machen andere Länder?
„Ein gutes Beispiel für Infrastrukturfinanzierung ist die staatliche österreichische Gesellschaft Asfinag“, erklärt Boysen-hogrefe. Dieser gehörten die dortigen Autobahnen, sie finanziere sich unter anderem durch die Maut und könne sich auch verschulden. „In dieser Konstruktion ist privates Kapital nicht nötig“, sagt der Ifwökonom. Für ihr gutes Schienennetz hat die Schweiz den öffentlichen Bahninfrastrukturfonds, der sich unter anderem aus Steuermitteln speist.
Was könnten öffentliche Firmen leisten?
Wirtschaftsforscher Dullien sagt: „Eine gute Lösung besteht darin, staatseigene Unternehmen mit Bau und Unterhaltung der Infrastruktur zu beauftragen.“Einerseits muss dabei keine private Rendite finanziert werden, andererseits können Unternehmen in Staatsbesitz „einen Teil der benötigten Mittel am Kapitalmarkt beschaffen, indem sie Kredite aufnehmen“, so Dullien. Es würde mehr Geld zur Verfügung stehen, ohne dass die Finanzminister die Schulden erhöhen müssten.