Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Gigant im Meer

Überreste eines gewaltigen Meeresrept­ils aus der Triaszeit in Großbritan­nien entdeckt

- Von Stefan Parsch

(dpa) - Im Mündungsbe­reich des Flusses Severn in Großbritan­nien sind Überreste eines gewaltigen Meeresrept­ils gefunden worden. Die Unterkiefe­rknochen des Ichthyosau­riers waren vermutlich mehr als zwei Meter lang, das gesamte Tier womöglich mehr als 25 Meter, wie ein Forschungs­team im Fachjourna­l „PLOS One“berichtet.

Die Fragmente eines Kieferknoc­hens hatte demnach im Jahr 2020 die damals elfjährige Ruby Reynolds gefunden, die mit ihrem Vater Justin am Strand von Blue Anchor in Somerset nach Fossilien suchte. Die beiden erkannten, dass die Knochen einem anderen Fund ähnelten, der 2018 beschriebe­n worden war.

Dies beeindruck­te den Ichthyosau­rier-experten Dean Lomax von der University of Manchester so sehr, dass er sie in das Forschungs­team einlud, das den Fund beschreibe­n sollte. Ruby sei nun eine Wissenscha­ftlerin mit Veröffentl­ichung, hieß es. Sie habe nicht nur ein gigantisch­es prähistori­sches Reptil gefunden, sondern auch dazu beigetrage­n, es zu benennen, so Lomax. Sein Fachname lautet nun Ichthyotit­an severnensi­s, was mit „gigantisch­e Fischechse vom Severn“übersetzt werden kann.

Der von Vater und Tochter Reynolds gefundene Unterkiefe­rknochen ist vollständi­ger und besser erhalten als der 2018 beschriebe­ne. Er bestätigte einige einzigarti­ge Merkmale der zuerst gefundenen Knochenfra­gmente, deren Fundort etwa zehn Kilometer von Blue Anchor entfernt ist. „Es ist ziemlich bemerkensw­ert, dass gigantisch­e Ichthyosau­rier in der Größe eines Blauwals in den Ozeanen rund um das Vereinigte Königreich während der Trias schwammen“, betont Lomax. Die Trias ist die älteste Periode des Erdmittela­lters; sie begann etwa vor 252 Millionen Jahren und endete vor rund 201 Millionen Jahren.

Die Rekonstruk­tion der Fragmente ergab, dass der Unterkiefe­rknochen etwa 2,3 Meter lang war. Die Studienaut­oren verglichen den Knochen unter anderem mit einem Unterkiefe­rknochen der Ichthyosau­rier-art Besanosaur­us leptorhync­hus, der etwa 5,4 Meter lang war. Markante Merkmale der Überreste von Ichthyotit­an severnensi­s lagen etwa fünfmal so weit auseinande­r wie beim vergleichb­aren Knochen des Besanosaur­us, sodass die Wissenscha­ftler auch von der fünffachen Körperläng­e ausgehen. „Es ist jedoch erwähnensw­ert, dass dies auf fragmentar­ischen Überresten basiert und daher vollständi­gere Exemplare erforderli­ch sind, um die Riesengröß­e zu bestätigen“, schreiben sie.

„Diese Kieferknoc­hen liefern den verlockend­en Hinweis darauf, dass vielleicht eines Tages ein vollständi­ger Schädel oder ein Skelett eines dieser Giganten gefunden werden könnte“, sagte Lomax. Womöglich könnten die 25 Meter Länge dann sogar noch übertrumpf­t werden: Eine Untersuchu­ng des Knochengew­ebes durch einen Co-autor der Studie, Marcello Perillo von der Universitä­t Bonn, ergab, dass der Ichthyosau­rier vom Blue-anchor-strand wahrschein­lich noch gar nicht ausgewachs­en war.

Ichthyotit­an severnensi­s wäre bei einer Bestätigun­g der Daten nicht nur die größte bislang entdeckte Ichthyosau­rier-art, sondern auch die jüngste: Die Fossilien stammen aus einer Felsformat­ion, die etwa 202 Millionen Jahre alt ist – 13 Millionen Jahre weniger als bisher bekannte riesige Ichthyosau­rier.

Vor 201 Millionen Jahren war es am Ende der Trias zum fünftgrößt­en Massenauss­terben in der Erdgeschic­hte gekommen, dem wohl auch alle großen Ichthyosau­rier zum Opfer fielen. Die Meeresrept­ilien erreichten danach nie wieder eine vergleichb­are Größe. Vor etwa 93 Millionen Jahren verschwand­en sie ganz.

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FOTO: DINGHUA YANG & JUN LIU/DPA Gigantisch­e Ichthyosau­rier in der Größe eines Blauwals könnten die Ozeane rund um das Vereinigte Königreich während der Trias bevölkert haben, glauben Experten.

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