Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Viele Geschenke bringt das Internet
Der Trend zum Online-Einkauf wird durch die Pandemie verstärkt. Das wird sich auch nach der Krise nicht ändern.
Verrückte neue Einkaufswelt: Dass fünf von sechs Deutschen, die älter als 16 sind und das Internet nutzen, dort auch einkaufen, mag nicht überraschen. Weitaus weniger erwartbar ist die Tatsache, dass es dabei meist egal ist, ob man 18 oder 80 Jahre, Mann oder Frau, Städter oder Landmensch ist. Und auch die Produkte, die sich die Menschen über das Netz bestellen und nach Hause liefern lassen, sind meist dieselben, die sie sonst auch im stationären Handel kaufen: Kleidung und Schuhe, (Hör-)Bücher, Haushaltsgeräte, Smartphones. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Digitalverbandes Bitkom.
All das gab es schon vor der Corona-Krise, der Trend hat sich jedoch in der Pandemie verstärkt. Das Beunruhigende für jene stationären Händler, die sich in der Hoffnung auf die Rückkehr der Käufer in die Innenstädte dem Angebot ihrer Waren übers Netz bisher verweigert haben: Mehr als ein Drittel derer, die in der Krise stärker als bisher online einkauften, will dies auch in Zukunft tun. Also auch dann, wenn wir das Coronavirus womöglich dank wirksamer Impfungen eingedämmt oder unter Kontrolle haben.
Die Erkenntnis, die der Digitalverband daraus zieht, ist einleuchtend: „Die coronabedingten Einschränkungen müssen ein Weckruf für wirklich jeden Händler sein“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Seine Empfehlung: „Auf zwei Beinen – vor Ort und im Netz – steht man als Einzelhändler auch in Krisenzeiten stabil.“Die Botschaft, die vor Rohleder schon so einige andere Handelsexperten ausgesandt hatten, scheint längst nicht überall angekommen. Nach einer im Sommer gemachten Umfrage des Handelsverbands Deutschland nutzen 62 Prozent der Befragten, also etwa fünf von acht, das Internet als Vertriebsweg überhaupt nicht.
Eine niederschmetternde Zahl – auch deshalb, weil so viele darüber klagen, dass der Online-Handel die Kleinen der Branche bedrohe und zur Verödung der Innenstädte beitrage, da er stationären Händlern die Existenzgrundlage entziehe. Dabei wünschen sich zwei Drittel der Befragten mehr lokale Händler im Netz, und genauso viele unterstützen auch den Handel vor Ort. Würde dieser mehr im Netz arbeiten, hätte er weitaus bessere Überlebenschancen, so das Credo vieler Experten.
Auch das anstehende Weihnachtsgeschäft bleibt von dieser Entwicklung nicht unberührt. Zudem unterliegt es in Corona-Zeiten anderen Gesetzmäßigkeiten als früher: In der Vergangenheit sah man in den Wochen vor dem Fest meist Besucherströme in den Innenstädten – erst recht da, wo gleichzeitig ein Weihnachtsmarkt stattfand. Doch die Innenstädte sind sichtbar ausgedünnt. Und das nicht nur, weil immer mehr Menschen generell lieber zu Hause einkaufen, sondern auch weil ein Teil von ihnen Angst hat, sich im Gedränge mit dem Virus zu infizieren. In der Bitkom-Umfrage beklagten 71 Prozent der Befragten, dass viele Kunden den Sicherheitsabstand in ihren Ladenlokalen nicht einhielten.
Hinzu kommt das großzügige Rückgaberecht bei Einkäufen im Internet: Jeder achte Online-Kauf wird wieder zurückgeschickt – für die Verbraucher meist kostenlos. Woran sich in absehbarer Zeit wohl nichts ändert. „Für Händler bedeuten Retouren einen entgangenen Umsatz und verursachen Personal- und Prozesskosten. Gleichwohl sind Rücksendungen ein Verbraucherrecht und aktuell bei den meisten Händlern kostenlos. Ob das so bleibt, wird vor allem davon abhängen, wie sich die Retourenquote in den kommenden Jahren weiter entwickelt“, sagt Florian Lange, Bitkom-Experte für den Bereich Online-Handel.