Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Viele Geschenke bringt das Internet

Der Trend zum Online-Einkauf wird durch die Pandemie verstärkt. Das wird sich auch nach der Krise nicht ändern.

- VON GEORG WINTERS

Verrückte neue Einkaufswe­lt: Dass fünf von sechs Deutschen, die älter als 16 sind und das Internet nutzen, dort auch einkaufen, mag nicht überrasche­n. Weitaus weniger erwartbar ist die Tatsache, dass es dabei meist egal ist, ob man 18 oder 80 Jahre, Mann oder Frau, Städter oder Landmensch ist. Und auch die Produkte, die sich die Menschen über das Netz bestellen und nach Hause liefern lassen, sind meist dieselben, die sie sonst auch im stationäre­n Handel kaufen: Kleidung und Schuhe, (Hör-)Bücher, Haushaltsg­eräte, Smartphone­s. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Digitalver­bandes Bitkom.

All das gab es schon vor der Corona-Krise, der Trend hat sich jedoch in der Pandemie verstärkt. Das Beunruhige­nde für jene stationäre­n Händler, die sich in der Hoffnung auf die Rückkehr der Käufer in die Innenstädt­e dem Angebot ihrer Waren übers Netz bisher verweigert haben: Mehr als ein Drittel derer, die in der Krise stärker als bisher online einkauften, will dies auch in Zukunft tun. Also auch dann, wenn wir das Coronaviru­s womöglich dank wirksamer Impfungen eingedämmt oder unter Kontrolle haben.

Die Erkenntnis, die der Digitalver­band daraus zieht, ist einleuchte­nd: „Die coronabedi­ngten Einschränk­ungen müssen ein Weckruf für wirklich jeden Händler sein“, sagt Bitkom-Hauptgesch­äftsführer Bernhard Rohleder. Seine Empfehlung: „Auf zwei Beinen – vor Ort und im Netz – steht man als Einzelhänd­ler auch in Krisenzeit­en stabil.“Die Botschaft, die vor Rohleder schon so einige andere Handelsexp­erten ausgesandt hatten, scheint längst nicht überall angekommen. Nach einer im Sommer gemachten Umfrage des Handelsver­bands Deutschlan­d nutzen 62 Prozent der Befragten, also etwa fünf von acht, das Internet als Vertriebsw­eg überhaupt nicht.

Eine niederschm­etternde Zahl – auch deshalb, weil so viele darüber klagen, dass der Online-Handel die Kleinen der Branche bedrohe und zur Verödung der Innenstädt­e beitrage, da er stationäre­n Händlern die Existenzgr­undlage entziehe. Dabei wünschen sich zwei Drittel der Befragten mehr lokale Händler im Netz, und genauso viele unterstütz­en auch den Handel vor Ort. Würde dieser mehr im Netz arbeiten, hätte er weitaus bessere Überlebens­chancen, so das Credo vieler Experten.

Auch das anstehende Weihnachts­geschäft bleibt von dieser Entwicklun­g nicht unberührt. Zudem unterliegt es in Corona-Zeiten anderen Gesetzmäßi­gkeiten als früher: In der Vergangenh­eit sah man in den Wochen vor dem Fest meist Besucherst­röme in den Innenstädt­en – erst recht da, wo gleichzeit­ig ein Weihnachts­markt stattfand. Doch die Innenstädt­e sind sichtbar ausgedünnt. Und das nicht nur, weil immer mehr Menschen generell lieber zu Hause einkaufen, sondern auch weil ein Teil von ihnen Angst hat, sich im Gedränge mit dem Virus zu infizieren. In der Bitkom-Umfrage beklagten 71 Prozent der Befragten, dass viele Kunden den Sicherheit­sabstand in ihren Ladenlokal­en nicht einhielten.

Hinzu kommt das großzügige Rückgabere­cht bei Einkäufen im Internet: Jeder achte Online-Kauf wird wieder zurückgesc­hickt – für die Verbrauche­r meist kostenlos. Woran sich in absehbarer Zeit wohl nichts ändert. „Für Händler bedeuten Retouren einen entgangene­n Umsatz und verursache­n Personal- und Prozesskos­ten. Gleichwohl sind Rücksendun­gen ein Verbrauche­rrecht und aktuell bei den meisten Händlern kostenlos. Ob das so bleibt, wird vor allem davon abhängen, wie sich die Retourenqu­ote in den kommenden Jahren weiter entwickelt“, sagt Florian Lange, Bitkom-Experte für den Bereich Online-Handel.

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FOTO: ARNO BURGI/DPA Online-Shopping ist speziell in Corona-Zeiten sehr beliebt.

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