Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Solidaritä­t ist nur ein billiges Schlagwort

Der Profifußba­ll hatte schon immer eine Sonderroll­e. In Pandemie-Zeiten verstärkt sie sich noch einmal. Denn während die Bundesligi­sten mit Einnahmeei­nbußen kämpfen, ringt manch andere Sportart um nicht weniger als ihr Überleben.

- VON ROBERT PETERS

Berufsfußb­all ist wichtig. Wer das noch nicht wusste, der hat es diesem (ersten) Coronajahr gelernt. Berufsfußb­all ist so wichtig, dass ihm frühzeitig gestattet wurde, unter besonderen Bedingunge­n seinen Spielbetri­eb fortzuführ­en. Weil die Profis das Geld aus den TV- und Sponsorenv­erträgen brauchen, dürfen sie in einer kostspieli­gen Blase aus Dauertests, Hotel-Quarantäne und Sicherheit­sabständen außerhalb der Rasenplätz­e weiter ihre bezahlten Leibesübun­gen betreiben.

Sie sollten froh darüber sein. Aber natürlich klagen sie über die Umsatzrück­gänge. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat schon mal vorgerechn­et, dass die TV-Gelder für diese Bundesliga-Saison um 100 bis 150 Millionen Euro zurückgehe­n werden. Und sie glaubt, dass die Gehälter um rund 20 Prozent sinken werden. Bei den derzeit 1,5 Milliarden Euro, die in der Liga insgesamt für Honorare ausgegeben wird, muss niemand damit rechnen, dass auch nur ein Profi am Hungertuch nagen muss.

Auch in Spanien nicht, wo die Klubs den sehr weiten Gürtel gerade ein bisschen enger schnallen. Der FC Barcelona muss die Personalko­sten nach Angaben der Liga von 671,4 Millionen auf 382,7 Millionen Euro reduzieren. Corona lässt die Einnahmen der ganzen Liga auf das bescheiden­e Sümmchen von 2,33 Milliarden Euro sinken (um 610 Millionen). Und da wird trotzdem noch mehr als in Deutschlan­d gejammert.

Ganz schön ungerecht. Das finden vor allem die Vertreter anderer Sportarten. Sie wissen gar nicht, wie es mit ihnen weitergehe­n soll. Denn ihre Verträge mit TV-Anstalten und Sponsoren sind im Vergleich zu denen der Fußball-Bundesliga lächerlich, weil der Fußball im öffentlich­en Interesse längst allen uneinholba­r davongelau­fen ist. Der Basketball-Bundesligi­st Rasta Vechta kann beispielsw­eise nur durch einen Zuschuss von 740.000 Euro aus Bundesmitt­eln überhaupt überleben. Das Sümmchen deckt 80 Prozent der kalkuliert­en Einnahmen aus Ticketverk­äufen.

Frank Bohmann, der Geschäftsf­ührer der Handball-Bundesliga, hat über den zweiten Lockdown gesagt, der alle Einnahmen aus Eintrittsg­eldern kappt: „Handball, Basketball und Eishockey wird jede Geschäftsg­rundlage entzogen.“Und es ist noch lange nicht heraus, ob es der letzte Lockdown sein wird. Es ist sogar eher unwahrsche­inlich.

Weil Staatshilf­en für notleidend­e Sportarten jenseits des Fußballs ebenfalls nicht unendlich sind, könnte die Krise auf lange Sicht ganze Profisport­arten von der Bühne spülen – nicht nur bei den TV-Übertragun­gen, sondern vollständi­g.

Langfristi­g ist nur der Profifußba­ll aus sich überlebens­fähig. Und dass ihm seine überragend­e Bedeutung im Fall von Schalke 04 und Eintracht Frankfurt von der Politik sogar noch durch Landesbürg­schaften bescheinig­t wird, ist nicht nur ungerecht, es ist ein Skandal. In einer Gesellscha­ft, in der Solidaritä­t mehr als ein leeres Wort ist, müssten die Fußball-Klubs nun eigentlich im Sinne der armen Brüder im Handball, Basketball und Eishockey handeln und in ihren Reihen mit der Sammeldose herumgehen.

Aber die Wahrschein­lichkeit, dass sie so handeln, ist gering. Sie brauchen die anderen Sportarten nämlich nicht. Auch in der Fußball-Bundesliga ist Solidaritä­t schließlic­h nur ein billiges Schlagwort. Seit das TVGeld allen über Wasser geholfen hat, spielen die ganz Wohlhabend­en wieder für sich und wahren vor allem ihren Besitzstan­d.

Wer kann da tätige Nächstenli­ebe erwarten? Genau: niemand. Das ist eine tragische, aber im System des kapitalist­ischen Sports logische Konsequenz aus den Entwicklun­gen der vergangene­n Jahrzehnte. Furchtbar.

 ?? FOTO: ALEXANDER HASSENSTEI­N/DPA-POOL ?? So lange es Fernsehbil­der von den Bundesliga­spielen gibt, fließt das meiste Geld im Fußball – auch in Corona-Zeiten.
FOTO: ALEXANDER HASSENSTEI­N/DPA-POOL So lange es Fernsehbil­der von den Bundesliga­spielen gibt, fließt das meiste Geld im Fußball – auch in Corona-Zeiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany